Der KLJB-Bundesvorsitzende äußert sich zu den niedrigen Milchpreisen

Der Preis und die Wertschätzung

Veröffentlicht am 19.05.2016 um 11:30 Uhr – Von Johanna Heckeley – Lesedauer: 
Landwirtschaft

Bonn ‐ Die günstigen Preise für Milch und Schweinefleisch treiben viele Landwirte in existenzielle Krisen. Da ist auch der Verbraucher gefordert, findet der Vorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung.

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Herr Müller, erstmals ist der Preis, den Landwirte für ein Liter Milch bekommen, unter 20 Cent gesunken. Wie kam das?

Tobias Müller: Vereinfacht gesagt ist es so, dass zu viel Milch auf dem Markt ist, das übliche Spiel von Angebot und Nachfrage. Bis April 2015 regelte die Milchquote die Menge, die Landwirte an Molkereien liefern durften. Wer mehr produzierte, musste die sogenannte Superabgabe zahlen. Die Superabgabe sollte eine Überlieferung unrentabel machen. Seitdem die Quote weggefallen ist, gab es eine Steigerung der Milchleistung: Viele Betriebe haben ihre Produktion erhöht, um bei ähnlichen Fixkosten des Unternehmens mehr einzunehmen. Da die Erzeugerpreise für Milch in den letzten Jahren nie besonders hoch waren, ist dies aus ökonomischer Sicht auch nicht pauschal zu verurteilen. Hinzu kommt, dass der Export zurückgegangen ist, etwa durch das Russland-Embargo. Deswegen gibt es gerade mehr Milch, als verkauft werden kann. Das drückt den Preis. Eine wichtige Rolle spielt auch die Marktmacht einiger weniger Konzerne im Bereich des Einzelhandels und der Molkereien. Sie haben die Preise in der Hand und die Bauern wenig Alternativen, ihre Milch zu verkaufen.

Tobias Müller, Bundesvorsitzender der KLJB.
Bild: ©KLJB Bundesstelle

Tobias Müller ist Bundesvorsitzender der Katholischen Landjugendbewegung.

Frage: Was hat das für Folgen für die Landwirtschaft?

Müller: Wenn man für die Herstellung mehr ausgibt, als man für das Produkt bekommt, sammeln sich Schulden an. Das trifft in der Landwirtschaft zunächst einmal kleinere Familienbetriebe, die größere Probleme haben, die niedrigen Milchpreise abzufangen, sowie Unternehmen, die sich sehr spezialisiert haben und nur auf dem Standbein Milch wirtschaften. Aber auch große Betriebe haben Schwierigkeiten. Wenn sich nicht bald nachhaltig etwas an der Lage ändert, dann werden einige ihren Betrieb einstellen müssen. Die aktuellen Umstände verstärken dann den ohnehin stattfindenden Strukturwandel in der Landwirtschaft.

Frage: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hat Unterstützung für die Bauern angekündigt: Es soll Hilfszahlungen und Steuererleichterungen geben. Außerdem will er die Produktion eindämmen. Wie wirksam, schätzen Sie, sind diese Maßnahmen?

Müller: Das ist schwer einzuschätzen. Hilfszahlungen und Steuererleichterungen können jedoch immer nur eine Übergangslösung sein. Es kommt aus meiner Sicht darauf an, wie lange diese Phase noch anhält. Das Einzige, was helfen wird, ist den Markt zu stabilisieren, damit die Landwirte einen angemessenen und stabilen Preis für die Milch bekommen. Die Eindämmung der Produktion ist vielleicht eine Lösung, aber leichter gesagt als getan: Wenn die Kühe erst einmal im Stall sind, dann kann man die Milchproduktion nicht einfach abstellen.

Frage: Gibt es etwas, was der Verbraucher tun kann?

Müller: Sie können ihre Produktauswahl hinterfragen! Kann das mit dem günstigen Preis sein? Bei fair gehandeltem Kaffee oder Tee funktioniert es auch und die liegen bei vielen inzwischen im Einkaufswagen: Genauso sollte jeder einmal darüber nachdenken, wie die Preise für die Lebensmittel aus Deutschland zustande kommen. Welche großen Unternehmen stecken im Vertrieb des Produkts? Kleinere Strukturen und weniger Einfluss der großen Handelsketten bedeuten, dass weniger Geld auf der Strecke bleibt. Für Kunden ist es nicht einfach, zu durchschauen, wieviel von ihrem Geld beim Landwirt ankommt. Eine Möglichkeit ist, auf regionale Produkte auszuweichen, sodass die Wege bis zur Ladentheke kürzer sind. Naheliegend wäre natürlich, direkt vom Erzeuger zu kaufen.

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Video: © La Machi

"Danke, Bauer. Dein Beitrag ist unentbehrllich für die ganze Menschheit."

Frage: Die Milchpreise bei ökologisch hergestellter Milch liegen zurzeit bei etwas unter 50 Cent der Liter. Ist Ökolandbau eine Alternative für Landwirte und Verbraucher?

Müller: Beim Verkauf der Produkte aus ökologischem Landbau gibt es wie für konventionelle Produkte auch das Prinzip von Angebot und Nachfrage, von daher ist es keine Lösung für alle Landwirte. Eine Alternative wäre es allerdings schon, vor allem, weil die Wege kürzer sind und die Vermarktung oftmals direkter ist als bei konventionellen Produkten. So kommt mehr vom Gewinn beim Landwirt an. Aber auch hier gilt: Nicht alles was glänzt ist Gold. Eine Umstellung auf den Ökolandbau ist nicht mal eben so machbar. Fakt ist auch hier, dass die Produkte gekauft werden müssen. Wenn der Verbraucher auf ökologische Produkte umsteigt, ist den konventionellen Betrieben natürlich nicht geholfen.

Frage: Nicht nur Milchviehhalter haben Schwierigkeiten: Auch den Schweinefleischproduzenten drohe eine existenzielle Krise, warnt der Deutsche Bauernverband seit Wochen. Haben wir eine falsche Einstellung zu unseren Nahrungsmitteln?

Müller: Wir können uns eigentlich glücklich schätzen, dass Nahrungsmittel hier immer verfügbar sind. Darum beneiden uns viele Menschen auf der Welt. Die Einstellung zu unseren Lebensmitteln hat sich allerdings geändert: Vor wenigen Jahrzehnten war der Bauer um die Ecke für den täglichen Nahrungsbedarf noch lebensnotwendig. Heute sind Nahrungsmittel fast immer und überall verfügbar und kosten wenig, sie werden nicht mehr geschätzt. Das zeigt sich schon darin, wieviel allein auf dem Produktionsweg vom Stall in den Kühlschrank und auf den Teller weggeworfen wird. Nicht förderlich sind auch die Lockangebote der Handelsketten: Wenn dann auf der ersten Seite eines Prospekts ein Kilo Schweinebraten für 2,49 Euro angeboten wird, sollte jedem klar sein, dass da was mit der Preisbildung nicht stimmen kann. Ich würde jeden Verbraucher dazu ermutigen, sich noch einmal bewusst zu machen, woher seine Nahrung eigentlich kommt, wie die Produktion dahinter aussieht und wer für diese verantwortlich ist. Ich denke auch, dass da die Kindergärten und Schulen gefordert sind: Sie müssen den Wert der Nahrung an Kinder vermitteln.

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Linktipp: Katholische Landjugendbewegung

Die Katholische Landjugendbewegung Deutschlands ist ein politischer Jugendverband, in dem sich rund 70.000 junge Christen im und für den ländlichen Raum engagieren.
Von Johanna Heckeley