Lexikoneintrag: K wie Kirchenstaat

Kirchenstaat, der

Als Kirchenstaat wird das bis 1870 bestehende Herrschaftsgebiet des Papstes bezeichnet. Durch Schenkungen und Vermächtnisse der Kaiser und des Adels (z. B. des Frankenkönigs Pippin im Jahr 754) war der Bischof von Rom zu einem der größten Großgrundbesitzer in Italien geworden. Zu den als Patrimonium Petri (Vermögen des Petrus) bezeichneten Besitzungen gehörten Rom und das Umland sowie große Gebiete Süditaliens, Siziliens, Sardiniens und Nordafrikas. Unter Berufung auf eine angebliche Urkunde Kaiser Konstantins ("Konstantinische Schenkung") beanspruchten die Päpste später die volle Souveränität über ihre Besitzungen. Papst Julius II. (1503-1513) gelang es, die Souveränität des Kirchenstaates auch gegenüber dem italienischen Adel durchzusetzen und ein zentralistisches Staatswesen zu organisieren. Dennoch blieb auch der Kirchenstaat von anderen Großmächten abhängig. Im Verlauf der Französischen Revolution und während der napoleonischen Herrschaft kam es zu immer weiteren Gebietsabtretungen. Nach dem Wiener Kongress (1814-1815) wurde der Kirchenstaat als Enklave innerhalb des Königsreichs Italien wieder errichtet, 1860 aber auf das einstige Gebiet des Patrimonium Petri reduziert und 1870 schließlich von Italien annektiert. Papst Pius IX. (1846-1878) betrachtete sich fortan als "Gefangener im Vatikan". Erst 1929 wurde die "Römische Frage" nach der Stellung des Papstes und seines Verhältnisses zu Italien in den Lateranverträgen geregelt. Das Vertragswerk sichert dem Vatikan als Nachfolger des Kirchenstaates die volle Souveränität über das päpstliche Territorium (Vatikanstadt) zu.