Franziskus-Brief zu Wiederverheirateten wird Kirchenlehre

Auslegung von Fußnote 351 lehramtlich bestätigt

Veröffentlicht am 04.12.2017 um 14:30 Uhr – Lesedauer: 
Ein Mann hält das Papstschreiben "Amoris laetitia" in der Hand
Bild: © KNA
Amoris laetitia

Bonn/Vatikanstadt ‐ Die Zulassung Wiederverheirateter zur Kommunion in Einzelfällen war die gängige Interpretation von "Amoris laetitia" - aber nicht die einzige. Nun macht Papst Franziskus sie offiziell.

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Was Papst Franziskus immer wieder betont hat, ist nun offiziell: Beim Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene gilt der Mittelweg, dass in Einzelfällen die Zulassung zu den Sakramenten der Versöhnung und der Eucharistie möglich ist. Ein entsprechender Brief des Papstes vom September 2016 und eine Orientierungshilfe wurden nun im Amtsblatt des Heiligen Stuhls veröffentlicht – mit dem Zusatz von Kardinalsstaatsekretär Pietro Parolin, dass die Texte "authentisches Lehramt" seien.

Die beiden Dokumente, auf die sich Parolins "Reskript aus einer Audienz mit Seiner Heiligkeit" bezieht, sind eine Orientierungshilfe zu dem nachsynodalen Schreiben "Amoris laetitia", die Bischöfe aus der argentinischen Seelsorgeregion Buenos Aires am 5. September 2016 für ihre Kleriker publizierten, und der am selben Tag erfolgte Antwortbrief von Franziskus darauf an den Bischof der Diözese San Miguel, Sergio Alfredo Fenoy. Darin bestätigte der Papst die Auslegung von "Amoris laetitia" durch die Bischöfe der Region. "Der Text ist sehr gut und erklärt genau die Bedeutung des achten Kapitels von 'Amoris laetitia'", heißt es in dem Brief des Papstes. "Es gibt keine anderen Interpretationen." In dem umstrittenen Kapitel geht es um das "Begleiten, Unterscheiden und Integrieren" in schwierigen Lebenssituationen.

Kein eigenmächtiges Produkt des Papstes

Franziskus schreibt weiter, "Amoris laetitia" sei die "Frucht der Arbeit und des Gebets der ganzen Kirche, mit der Vermittlung zweier Synoden und des Papstes". Damit betonte er in dem auf Spanisch verfassten Brief, dass das nachsynodale Schreiben kein eigenmächtiges Produkt des Papstes ist. Denn kaum ein Papstdokument hat eine solche innerkirchliche Kontroverse ausgelöst wie das im April 2016 veröffentlichte "Amoris laetitia" und seine berühmte Fußnote 351: Wiederverheiratete Geschiedene könnten unter Umständen auch die "Hilfe der Sakramente" erhalten, heißt es dort. Das beiße sich mit der Lehre der Kirche, meinten manche Ausleger, allen voran vier Kardinäle, die dem Papst ihre "Dubia" (lat. Zweifel) zukommen ließen. Nach der Lehre sei die Ehe unauflösbar und die Betroffenen lebten in einem fortgesetzten Stand der schweren Sünde.

Papst Franziskus wedelt mit einer argentinischen Flagge.
Bild: ©KNA

In einem Brief an die die Bischöfe der Region Buenos Aires hatte Papst Franziskus im September 2016 erstmals einen Hinweis zur richtigen Interpretation seines nachsynodalen Schreibens "Amoris laetitia" gegeben. Der lautete: Eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion im Einzelfall ist vorgesehen.

Seit dem Erscheinen von "Amoris laetitia" berieten mehrere Bischofskonferenzen und einzelne Bistümer über Umsetzungsrichtlinien; sie fielen – wie in Malta – mal liberaler, oder wie in Bologna eher konservativ aus. Die Orientierungshilfe der argentinischen Bischöfe interpretiert das Papstschreiben hingegen auf dem Mittelweg zwischen Rigorismus (kein Kommunionempfang, weil die zweite zivile Ehe bedeutet, dass die noch gültige erste sakramentale Ehe gebrochen wird) und Laissez-faire (Kommunion für alle, die es mit ihrem Gewissen vereinbaren können). Die Oberhirten warnen grundsätzlich davor, von einer "Erlaubnis" zum Kommunionempfang zu sprechen.

Zu ihrer Interpretation gehört kein "unbeschränkter Zugang zu den Sakramenten" für Katholiken in jedweden Lebensumständen, Rücksicht auf Empfindlichkeiten in Pfarrgemeinden sowie Festhalten an der Lehre der Unauflöslichkeit der Ehe. Wiederverheiratete Geschiedene sollen zu sexueller Enthaltsamkeit oder zu einer Teilnahme am kirchlichen Leben ohne Sakramente ermutigt werden. In Einzelfällen, nach einem "Weg der Unterscheidung" mit einem Geistlichen, soll es allerdings die Möglichkeit geben, die Hilfe der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie zu suchen.

Amtsblatt wird medial wenig beachtet

Beide Texte, die argentinische Orientierungshilfe und das päpstliche Antwortschreiben, wurden bereits am 13. September 2016 im "Osservatore Romano", der als halbamtlich bezeichneten Vatikanzeitung unter dem Titel "Unterscheidung und pastorale Zuwendung" abgedruckt. Das Blatt hatte auch in den Wochen zuvor einige Artikel veröffentlicht, die "Amoris laetitia" in diese Richtung deuteten.

Linktipp: Von Liebe und Streit und einer Fußnote

Kaum ein päpstliches Dokument der vergangenen Jahrzehnte löste eine breitere Debatte aus als "Amoris laetitia". Auch ein Jahr nach der Veröffentlichung ist ein Ende nicht abzusehen. (Artikel vom April 2017)

Doch erst mit der Übernahme ins Amtsblatt des Heiligen Stuhls ist es im kirchenrechtlichen Sinn bindend. Diese "Acta Apostolicae Sedis" (AAS) erscheinen meist mit mehrmonatiger Verzögerung und werden auch deshalb medial kaum beachtet. Der Vatikan wählt manchmal diesen Weg, wenn er Vorgänge eher beiläufig in Kraft setzen will. Über die nun erschienenen AAS, die auf Oktober 2016 datiert sind, haben am Wochenende zuerst traditionalistische Blogs aus den USA berichtet.

Im Amtsblatt erscheinen die beiden Dokumente auf Spanisch, allerdings mit einleitenden Überschriften auf Latein. Aus dem (privaten?) Brief des Papstes wurde so ein apostolischer Brief. Am Schluss steht der kurze Erlass, der auf einer Audienz Parolins beim Papst fußt und der das Datum vom 5. Juni 2017 trägt. Darin heißt es auf Latein, der Pontifex habe erlassen, dass die zwei Dokumente durch die Veröffentlichung auf der vatikanischen Webseite und in den AAS als authentisches Lehramt verkündet werden. Tatsächlich findet sich der Brief auch online unter den Briefen  von Papst Franziskus.

Von Agathe Lukassek

Hinweis

Die "Akten des Apostolischen Stuhls" (Acta Apostolicae Sedis) stehen auf der Seite des Vatikan zum Download bereit. Hier können Sie die aktuelle Ausgabe "Oktober 2016" als PDF herunteralden. Achtung bei mobilen Daten: Die Datei ist sehr groß!