Papst Franziskus zwischen Lehre und Pastoral

"Benedikt ist eine Institution"

Veröffentlicht am 05.03.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Ankunft des emeritierten Papstes Benedikt XVI. am 2. Mai 2013 im Vatikan. Papst Franziskus (r.) begüßt Benedikt XVI.
Bild: © KNA
Papst Franziskus

Mailand ‐ Papst Franziskus hat seinen Vorgänger Benedikt XVI. gewürdigt und ihn als "Institution" bezeichnet. "Seine Weisheit ist ein Geschenk Gottes", sagte der Papst am Mittwoch in einem großen Interview mit der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera". Außerdem äußerte sich Franziskus zu seinem Image als "Supermann", zu seinen Sorgen um den Zustand der Familie und zu den tiefen Wunden, die der Missbrauchsskandal hinterlassen habe.

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Franziskus bestätigte der Zeitung, Benedikt XVI. durchaus schon einmal um Rat gefragt zu haben. Der sei schließlich "keine Statue in einem Museum", sondern "eine Institution". Der Pontifex vergleicht den emeritierten Papst mit der festen Einrichtung der Alt-Bischöfe. Auch die habe es erst nach dem Konzil gegeben. "Benedikt ist der erste, und vielleicht wird es noch weitere geben", so Franziskus. Er sei diskret, demütig und wolle nicht stören. "Wir haben darüber geredet und zusammen entschieden, dass es besser ist, wenn er Leute sieht, herausgeht und am Leben der Kirche teilnimmt."

Papst lobt Benedikts Umgang mit dem Missbrauchsskandal

Der Papst lobte seinen Vorgänger auch in Bezug auf den Umgang mit dem Missbrauchsskandal innerhalb der katholischen Kirche. "Er war sehr mutig und hat einen Weg geöffnet." Die Missbrauchsfälle seien furchtbar, "weil sie tiefe Wunden hinterlassen". Statistiken zeigten aber auch klar, dass die große Mehrheit der Missbräuche im Umfeld von Familien und Nachbarschaft geschehen. "Die katholische Kirche ist vielleicht die einzige öffentliche Institution, die sich mit Transparenz und Verantwortung bewegt hat", so Franziskus. Und doch sei die Kirche die einzige, die angegriffen werde.

Energisch wehrt sich der Papst auch gegen die ideologischen Interpretationen seiner Person und den Papst-Franziskus-Mythos. "Den Papst als eine Art Superman zu zeichnen, eine Art Star, scheint mir beleidigend", so Franziskus. "Ich bin gern unter Leuten, zusammen mit Leidenden, gehe gerne in Pfarreien", sagte er. Nachts aus dem Vatikan zu gehen, um den Obdachlosen in der Via Ottaviano zu essen zu bringen, sei ihm dagegen nie in den Sinn gekommen. Der Papst sei ein Mensch, der lacht, weint, ruhig schläft und Freunde hat wie alle. "Ein normaler Mensch."

„Der Papst ist ein Mensch, der lacht, weint, ruhig schläft und Freunde hat wie alle“

—  Zitat: Papst Franziskus

Sorgen macht sich der Mensch und der Papst Franziskus laut "Corriere della Sera" um die Zukunft der Familie. Die mache "eine sehr ernsthafte Krise durch". Junge Leute würden immer seltener heiraten. Außerdem gebe es viele getrennte Familien, "deren Projekt eines gemeinsamen Lebens gescheitert ist", sagte Franziskus. Vor allem Kinder litten sehr unter der Situation. Daher müsse die Kirche Antworten geben. In diesem Zusammenhang lobte der Papst den Vortrag von Kardinal Walter Kasper vor dem jüngsten Konsistorium, in dem dieser sich für einen barmherzigen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen aussprach. Die kritischen Reaktionen vieler Kardinäle wertet Franziskus als brüderlichen und offenen Austausch, der "theologische und pastorale Denken wachsen lässt".

Auf die Frage, wie die Kirche zu Regelungen stehe, die viele Länder mittlerweile für Zivilehen geschlossen hätten, antwortete der Papst deutlich: "Die Ehe wird zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen." Die weltlichen Staaten wollten bürgerliche Ehen rechtfertigen, um bestimmte Situationen des Zusammenlebens zu regeln. Dabei treibe sie die Notwendigkeit, "wirtschaftliche Aspekte unter den Menschen, zum Beispiel die Krankenversicherung, zu regeln". Man müsse die einzelnen Fälle sehen und in ihrer Verschiedenheit beurteilen.

Franziskus bezeichnet Enzyklika "Humanae Vitae" als "prophetisch"

Auch zu ethischen Fragestellungen – zum Beispiel in Bezug auf die Geburtenkontrolle – nahm der Papst im Interview Stellung. Die Enzyklika "Humanae Vitae" von Papst Paul VI., die unter anderem die Untrennbarkeit von Geschlechtsakt und Fortpflanzung thematisiert, bezeichnete er als "prophetisch". "Er hatte den Mut, sich gegen die Mehrheit zu stellen, die moralische Disziplin zu verteidigen", so der Papst.

Am Schluss des Schreibens habe Paul VI. den Beichtvätern jedoch geraten, viel Erbarmen und Aufmerksamkeit für die konkreten Lebenslagen walten zu lassen, sagte Franziskus: "Die Frage ist nicht, ob man die Lehre ändert, sondern, ob man in die Tiefe geht und dafür sorgt, dass die Pastoral die einzelnen Lebenslagen und das, wozu die Menschen jeweils imstande sind, berücksichtigt." (bod)