Der Zölibat im Fokus
Parolin hatte vergangene Woche erklärt, es sei möglich, über eine Änderung dieses Kirchengesetzes nachzudenken. Der Zölibat sei "kein Dogma der Kirche, und man kann darüber diskutieren", sagte der Erzbischof laut der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera". Neben der Treue zum Willen Gottes und zur Geschichte der Kirche sei "Offenheit für die Zeichen der Zeit" nötig.
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke verteidigte die Verpflichtung katholischer Priester zu einem ehelosen Leben. Hanke sagte am Mittwochabend in Eichstätt, er sehe "momentan kein zwingendes Argument, die Zölibatspflicht aufzuheben". Das Beispiel der evangelischen und anglikanischen Kirche lehre, dass eine Heiratserlaubnis für Geistliche nicht automatisch den Pfarrermangel beseitige.
Eine Abkehr vom Zölibat sei möglich, so Hanke weiter, man dürfe darin aber nicht einen "Zauberstab zur Erhöhung der Priesterdichte" sehen. Ebenso wandte er sich dagegen, den Zölibat zuerst als Belastung und nicht als einen Wert zu sehen. Der Zölibat sei wie ein Wegweiser auf die "Zukunftshoffnung auf die volle Gemeinschaft mit Gott".
ZdK-Chef: Priesterweihe für verheiratete Diakone
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück plädierte derweil dafür, bewährten verheirateten Diakonen den Weg zur Priesterweihe zu eröffnen. "Mit diesem Modell könnten wir Erfahrungen sammeln", sagte er der "Passauer Neuen Presse".
In vielen Teilen der Weltkirche sei der Priestermangel ein drängendes Problem, das sich auf die Feier der Eucharistie in den Gemeinden auswirke, so Glück. Wegen dieser Situation in der Seelsorge werde seit Langem darüber gesprochen, dass der Zölibat nicht mehr zwingende Voraussetzung für die Priesterweihe sein sollte.
„Ich sehe momentan kein zwingendes Argument, die Zölibatspflicht aufzuheben.“
Zugleich regte Glück eine grundlegende Debatte an. Mit Blick auf Parolin sagte er: "Man darf annehmen, dass er eine solche Aussage nicht ohne Kenntnis der Position des Heiligen Vaters macht." Für ihn seien diese Äußerungen ein Signal, dass solche Fragen nun in Rom "nicht mehr tabuisiert werden".
Dennoch erwarte Glück keine raschen Entscheidungen. Der Zölibat habe seinen besonderen Wert. Über diese Frage könne nur auf Ebene der Weltkirche entschieden werden. Papst Franziskus beziehe die Bischöfe und Kardinäle ein.
Wie Glück kann sich auch der Mainzer Kardinal Karl Lehmann vorstellen, dass mancher verheiratete Diakon in einigen Jahren "durchaus die Priesterweihe erhalten kann". Das sagte Lehmann in einem Interview mit dem vierteljährlich erscheinenden Regionalmagazin "Mainz", das bereits vor einigen Monaten geführt worden war.
Lehmann sagte in dem Gespräch unter anderem, die ehelose Lebensform der Priester sei auch deshalb schwieriger geworden, weil sie in der Gesellschaft immer weniger verstanden werde und die Anerkennung von außen fehle.
Theologe erinnert an den jungen Ratzinger
Der emeritierte Fundamentaltheologe Hans Waldenfels sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) im Vorfeld einer Konferenz missionierender Orden, angesichts des Priestermangels müsse auch die Weihe von "viri probati", also von bewährten verheirateten Männern, überlegt werden.
Dies habe bereits 1970 der junge Professor Joseph Ratzinger formuliert. Die Chance könnte jedoch schon verpasst worden sein: "Wir sind mittlerweile in einer Zeit, in der es nicht mehr so viele solcher bewährter Christen gibt", so Waldenfels.
Mit Blick auf den Priestermangel in seinem Land hatte sich Anfang September der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff für ein "Zurückholen" von inzwischen verheirateten Priestern ausgesprochen. Wörtlich sagte er im katholisch.de-Interview : "Eine Hilfe wäre, das Gesetz des Zölibats – nicht den Zölibat an sich – abzuschaffen und die hunderttausend verheirateten Priester wieder einzuladen."
Bereits im Frühjahr hatte der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Perisset , gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung geäußert, er könne sich eine Debatte über den Zölibat vorstellen, etwa in Form einer Synode. "Man muss die Vor- und Nachteile des Zölibats auf der ganzen Welt untersuchen." Perisset wies - ebenso wie Erzbischof Parolin - darauf hin, dass die Ehelosigkeit kein Dogma sei, sondern eine Tradition der katholischen Kirche.
„Man muss die Vor- und Nachteile des Zölibats auf der ganzen Welt untersuchen.“
Zugleich widersprach Perisset der grundsätzlichen Annahme, der Zölibat sei ein Grund für den Priestermangel. Vielmehr gebe zu wenige Priester, weil junge Menschen zu materialistisch denken würden, monierte er. Nur wenige seien bereit, sich ganz Gott und dem Dienst am Mitmenschen zu verschreiben.
Zölibatsdebatte immer wieder gefordert
In der Vergangenheit hatten einzelne ranghohe katholische Geistliche immer wieder darauf hingewiesen, dass die Ehelosigkeit von Priestern kein unumstößlicher Lehrsatz ist. Für Wirbel hatte Erzbischof Robert Zollitsch schon im Jahr 2008 gesorgt, als er kurz nach seiner Wahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz dem "Spiegel" sagte, die Verbindung zwischen Priestertum und Zölibat sei "nicht theologisch notwendig".
Zugleich sprach sich Zollitsch damals "gegen Denkverbote" aus. Ähnlich äußerten sich bei verschiedenen Anlässen auch der Münchner Weihbischof Bernhard Haßlberger und der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke.
Andere Bischöfe hielten allerdings dagegen. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann sagte im Jahr 2011 der Deutschen Presse-Agentur, er glaube nicht, "dass mehr Menschen in die Kirche kommen, weil ein verheirateter Pfarrer die Messe hält."
Der Essener Oberhirte Franz-Josef Overbeck sprach sich 2011 im Deutschlandfunk deutlich für den Zölibat und gegen das Frauenpriestertum aus. Diese Fragen seien "lehramtlich von einer solchen Gewichtigkeit und auch entsprechend entschieden worden", dass man sie als Kirche nicht zur Disposition stellen könne. Kardinal Joachim Meisner beklagte sich 2011 über die Kritiker des Zölibats: Sie erlebten die Ehelosigkeit als Bedrohung, weil sie zeige, dass Gott "detailliert in die Lebensplanung eingreifen kann", sagte der Erzbischof von Köln. (mog/gho/meu/KNA/dpa)