Papst gründet neues Institut für Ehe und Familie

Ein Thinktank für "Amoris laetitia"

Veröffentlicht am 20.09.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Vatikan

Vatikanstadt ‐ Das "Institut Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie" galt als Hochburg des Widerstands gegen Franziskus' Kurs der Barmherzigkeit. Nun hat der Papst es aufgelöst und ein neues gegründet.

  • Teilen:

Rein praktisch gesehen hat der Papst am Dienstag einer bekannten kirchlichen Forschungseinrichtung in Rom ein neues Türschild verpasst: Das "Institut Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie" heißt fortan "Päpstliches Theologisches Institut Johannes Paul II. für die Wissenschaften von Ehe und Familie." Kirchenpolitisch geht es allerdings um weit mehr als nur einen Etikettenwechsel: Franziskus schleift durch seinen jüngsten Erlass mit dem lateinischen Titel "Summa familiae cura" (Die größte Sorge um die Familie) eine Hochburg seiner Kritiker in Sachen Ehe und Familie. Das von Johannes Paul II. 1981 nach der ersten Bischofssynode über die Familie gegründete Institut galt zuletzt als Thinktank jener Theologen, die Franziskus' vorsichtige Öffnung im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen als Verrat am Erbe Johannes Pauls II. und Widerspruch zum kirchlichen Lehramt betrachten.

Kein offener Bruch, aber...

Der Papst findet in dem Schreiben zunächst durchaus anerkennende Worte für die Gründung seines Vorgängers Johannes Paul II. Das Institut habe eine "fruchtbare Arbeit der theologischen Vertiefung" entwickelt, so Franziskus in dem anderthalbseitigen Schreiben. Das gebietet in diesem Fall nicht nur die Höflichkeit. Dem Papst dürfte bewusst sein, dass seine Gegner nur darauf warten, ihm einen offenen Bruch mit seinem polnischen Vorgänger vorhalten zu können.

Dennoch macht Franziskus im Folgenden kaum einen Hehl daraus, dass ihm die bisherige Ausrichtung des Instituts zu konservativ war. Neue komplexe Herausforderungen für Eheleute und Familien verlangten "einen analytischen und breitgefächerten Ansatz, der es nicht erlaubt, sich auf eine Praxis der Seelsorge und der Mission zu beschränken, die Formen und Modelle der Vergangenheit wiederspiegelt", heißt es in dem Erlass ziemlich unverblümt. Das wissenschaftliche Nachdenken über Ehe und Familie dürfe heute nie die seelsorgerische Perspektive und die "Wunden der Menschheit" vernachlässigen, so das sogenannte Motu proprio weiter. Das sei der Tenor der beiden Bischofssynoden und des päpstlichen Schreibens "Amoris laetitia".

Vincenzo Paglia im Porträt
Bild: ©KNA

Kurienerzbischof Vincenzo Paglia ist Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, die nun von Franziskus in "Päpstliches Theologisches Institut Johannes Paul II. für die Wissenschaften von Ehe und Familie" umbenannt wurde.

Das Familien-Institut war im Umfeld der beiden Bischofssynoden zu Ehe und Familie ein Forum der Reformgegner. So wurde zwei Tage vor Beginn der Bischofssynode im Oktober 2014 in seinem Hörsaal ein Buch mit dem Titel "Das Evangelium der Familie in der synodalen Debatte jenseits des Vorschlags von Kardinal Kasper" vorgestellt. Walter Kasper hatte eine behutsame Änderung im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen angeregt. Verfasser des Buchs waren zwei Professoren des Instituts. Vorgestellt wurde es von keinem Geringeren als Kardinal George Pell, damals Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariates. Die moraltheologische Linie des Instituts war von der Auffassung geprägt, dass die Seelsorge für Katholiken, die im Widerspruch zur kirchlichen Lehre leben, sich stets strikt an den kirchlichen Geboten zu richten habe. Eine Ethik, die den konkreten Einzelfall berücksichtigt, lehnten die Theologen der Einrichtung im Gegensatz zu Papst Franziskus ab.

Die Auflösung des alten Familien-Instituts kam nicht ohne Vorwarnung. Bereits im August 2016 hatte der Papst dessen Präsidenten ausgewechselt. Der bisherige Amtsinhaber Livio Melina hatte sich wiederholt kritisch zu "Amoris laetitia" geäußert. Der italienische Moraltheologe arbeitete einst unter Kardinal Joseph Ratzinger in der Glaubenskongregation und war ein Schüler des jüngst verstorbenen Kardinals Carlo Caffarra, einem der prominentesten Kritiker von Franziskus. Auch den Großkanzler tauschte der Papst aus: An die Stelle von Kardinalvikar Agostino Vallini trat Kurienerzbischof Vincenzo Paglia, der seinen Kurs vorbehaltlos unterstützt. Im Oktober forderte Franziskus das Institut dann zu einer Neuausrichtung auf. Es müsse "die nötige Öffnung der Intelligenz des Glaubens für die seelsorgerische Aufgabe des Nachfolgers Petri unterstützen", sagte er zur Eröffnung des Akademischen Jahres. Doch offenbar viel ihm diese Unterstützung bislang zu gering aus.

Auch Familien in schwierigen Situationen helfen

Das neue Institut soll nach dem Willen des Papstes weiterhin an die Lateran-Universität angegliedert bleiben, aber stärker mit vatikanischen Behörden vernetzt werden, die sich mit Ehe und Familie beschäftigen, aber auch mit der Kongregation für das katholische Bildungswesen, wie aus dem vatikanischen Dokument hervorgeht.

Kurienerzbischof Paglia versuchte am Dienstag dem Eindruck entgegenzutreten, Franziskus breche mit Johannes Paul II. Auf die Frage, ob das Institut in der Vergangenheit zu konservativ gewesen sei, antwortet er vor Journalisten im Vatikan: Die Absicht des Papstes sei klar, man müsse den Erfordernissen der Zeit nachkommen und auch Familien in schwierigen Situationen helfen. Niemand dürfe ausgeschlossen werden. Einen Personalwechsel gebe es aber nicht: Er sowie Institutspräsident Pierangelo Sequeri und alle weiteren Mitarbeiter blieben auf ihren Posten.

Inhaltlich soll die Neugründung jedoch breiter aufgestellt werden. Kritiker hatten dem alten Institut vorgehalten, es sei zu sehr auf die Themen Fortpflanzung und Verhütung fixiert. Paglia kündigte nun an, dass die Einrichtung nun auch das Verhältnis der Generationen untereinander, ein Herzensanliegen des Papstes, sowie die Auswirkungen des Wirtschaftslebens auf die Familie und ökologische Themen bearbeiten möchte.

Hinter dem neuen Erlass des Papstes steht offenbar die Erkenntnis, dass das päpstliche Schreiben "Amoris laetitia" allein nicht ausreicht, um seinen moraltheologischen Paradigmenwechsel in der katholischen Kirche zum Durchbruch zu verhelfen. Das neue Institut solle das Anliegen von "Amoris laetitia" auf der Höhe der aktuellen wissenschaftlichen Debatte vertiefen, erklärte Paglia dazu. Mit seinen weltweiten Niederlassungen und seinen internationalen Kontakten kann das Institut hierbei eine Schlüsselrolle einnehmen. In deutschsprachigen Raum beieinflusste es die moraltheologische Debatte zwar kaum. In Lateinamerika und vielen Entwicklungsländern hat die Einrichtung jedoch eine Generation von Geistlichen mitgeprägt.

Von Thomas Jansen