Artikel über Lehre und Homosexualität ruft kontroverse Diskussionen hervor

"Krude Thesen" oder "schlüssiger Artikel"?

Veröffentlicht am 18.09.2015 um 14:30 Uhr – Von Gabriele Höfling – Lesedauer: 
Zwei Männer halten nach dem Referendum in Irland übe rdie "Homo-Ehe" Händchen.
Bild: © KNA
Debatte

Bonn ‐ Wie steht die Kirche zu Homosexualität? Am Donnerstag skizzierte der Theologiestudierende Simon Linder, was er sich von der Familiensynode zu diesem Thema erwartet - und entfachte eine emotionale Diskussion unter den katholisch.de-Usern. Ein Überblick.

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In dem am Donnerstag veröffentlichten Text hatte sich der Tübinger Student Simon Linder mit dem Katechismus auseinandergesetzt und zur Diskussion gestellt, welche Fragen sich Gläubigen heute stellten. So rief er etwa die Vatikanumfrage zur Vorbereitung auf die Synode aus dem vergangenen Jahr in Erinnerung, nach der viele der teilnehmenden Gläubigen die kirchliche Haltung zu sexuellen Partnerschaften als "Diskriminierung" bewerten.

"Viel Rhetorik, wenig Theologie!"

Die Argumentation Linders können nicht alle User nachvollziehen. "Viel Rhetorik, Herr Linder, wenig Theologie!", lautet etwa das Fazit von User "Sebi1983". Er interpretiert den Text Linders so: "Glauben und Lehre haben sich anzupassen, wenn sie in das veränderte Koordinatensystem nicht mehr hineinpassen, wenn Umfrageergebnisse und veränderte Mehrheiten winken ...".  Ähnlich sehen das auch andere Nutzer, wie etwa "P.P.". Für ihn lautet die Grundfrage in der Diskussion um Homosexuelle, ob sich die Kirche aktuellen Entwicklungen anpassen solle oder ob sie "von Gott gestiftet" sei, "um die Welt zu heiligen"? "Soll also die Welt die Kirche verändern oder umgekehrt?" Sein Fazit: "Meines Erachtens kann es bei der Beantwortung dieser Frage keinen Zweifel geben", so "P.P.".

Linktipp: Die Liebe zählt

Studierende und ihre Erwartungen an die Familiensynode: In dieser Woche schreibt Simon Linder über das Verhältnis der Kirche zur Homosexualität. Was sagt der Katechismus und welche Fragen stellen sich den Gläubigen heute? Diskutieren Sie mit!

Einige User weisen darauf hin, dass es in der Frage der Homosexualität auch im Klerus unterschiedliche Positionen gebe. Vor der Familiensynode stehe "etwa Kardinal Kasper für einen empathischen Umgang mit den entsprechenden Personenkreisen", schreibt Peter Friedrich. Auf der anderen Seite stünden "verschiedene Bischöfe aus Afrika", die "von ihren Anhängern für das Festhalten an bestimmten Werten gelobt" würden.  Userin "Kata" identifiziert in der Diskussion verhärtete Positionen. Sie hat einerseits eine "Verachtung Konservativen gegenüber" beobachtet, sieht aber auch das "umgekehrte, leider ebenso häufige Verächtlichmachen Liberaler durch sehr konservative Christen" negativ.

Auch die Veröffentlichung des Textes auf katholisch.de als dem Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland wird kritisch diskutiert. Ob der Text auf katholisch.de "korrekt platziert" sei, fragt etwa "Jack_Paul", der in dem Text Linders "krude Thesen" sieht.  User "Klaus Lange" findet es dagegen "wichtig, dass Beiträge, in denen auch Aussagen von Bischöfen oder des Katechismus kritisch gewürdigt werden, hier ihren Platz haben dürfen. Jedem ist ja freigestellt, im Kommentar-Bereich darauf argumentativ zu reagieren." Auf eine geistliche Dimension weist "Thomas" hin: "Wir sollten versuchen, sachlich die Wahrheit zu suchen und beten, dass die Bischofssynode in Rom die richtigen Entscheidungen trifft."

Ein homosexuelles Paar steckt sich gegenseitig Eheringe bei der Eheschließung an.
Bild: ©picture alliance / dpa/Philippe Riedinger

Ein homosexuelles Paar steckt sich gegenseitig Eheringe an.

Auch Schwule selbst beteiligen sich an der Diskussion – und dies ebenfalls mit unterschiedlichen Akzenten: So zeigt sich etwa "Silas Schroth", der sich als homosexuell empfindenden Mann beschreibt, "traurig und betroffen" ob des Beitrags. Nach langer Suche habe er in der katholischen Kirche eine Heimat gefunden – gerade wegen der "klaren Ausrichtung" der Lehre bei Ehe, Familie und Sexualität. "Das ist mir zutiefst Halt und hilft mir, mein früher ausuferndes, süchtiges, andere Menschen gebrauchendes Sexualverhalten abzulegen und die Ehe von Mann und Frau als Gottes Ziel für den Menschen zu bestaunen und zu ehren - und für mich heute glücklich zölibatär in der Welt zu leben", schreibt er.

Schwulsein als Charisma

Ganz anders sieht das "Bruno Gerdemann", der schreibt, er gestalte sein Leben aus dem Glauben und erlebe sein Schwulsein dabei als "Charisma". "In meinem Umfeld leben zehn Männerpaare in 10- bis 50-jähriger verantworteter Partnerschaft. Mitleid ist unangebracht, Toleranz zu wenig, Akzeptanz angemessen", schreibt er in Anspielung auf die von Simon Linder zitierte Formulierung des Katechismus von 1997, nachdem Homosexuellen mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen sei.

Auch andere User äußern sich positiv: "Vielen Dank Simon Linder für diese eindeutige Klarstellung! Homosexuelle Paare sollten dieselben Rechte und Pflichte genießen dürfen, wie heterosexuelle Paare", schreibt etwa Simon Peter, während "Eberhard" sich über den schlüssigen Artikel freut.  Jan Rinke sieht in der kirchlichen Sexuallehre einen "Grundirrtum": "Die kirchliche Lehre beurteilt Liebe normativ" und spreche daher homosexuellen Beziehungen die Dimension der Liebe ab.

Themenseite: Familiensynode

Vom 4. bis 25. Oktober 2015 trifft die XIV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode unter dem Thema "Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute" in Rom zusammen. Die Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zur Synode.
Von Gabriele Höfling