Neuer Brief der Dubia-Kardinäle an den Papst
Bereits im September 2016 hatten sich vier Kardinäle mit Fragen zur konkreten Auslegung des päpstlichen Schreibens "Amoris Laetitia" an den Papst gewandt. Nun ist ein weiterer Brief aufgetaucht, in dem sie Franziskus um eine Audienz bitten, wie das Onlinemagazin National Catholic Register (NCR) am Montag berichtet. Das Schreiben der "Dubia"-Kardinäle Walter Brandmüller, Raymond Burke, Carlo Caffarra und Joachim Meisner soll Papst Franziskus bereits im Mai erreicht haben, jedoch - wie die ursprüngliche Anfrage im vergangenen Jahr - bisher unbeantwortet geblieben sein.
Im dem Brief wenden sich die vier Kardinäle erneut im umstrittenen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen an Papst Franziskus. Sie kritisieren die unterschiedlichen Praktiken und Erklärungen in der Zulassung zur Eucharistie in verschiedenen Ländern: "(…) etwas, was in Polen eine Sünde ist, in Deutschland gut ist und das, was in der Erzdiözese Philadelphia verboten ist, ist auf Malta erlaubt." Durch die "Interpretationen einiger sachlich zweideutiger Passagen" hätten Bischöfe, Kardinäle und sogar Bischofskonferenzen das gebilligt, "was das Lehramt der Kirche niemals gebilligt hat". Das betreffe vor allem die Zulassung zur Eucharistie für alle, "die sachlich und öffentlich in einer Situation der schweren Sünde leben" und nichts an ihrer Situation verändern wollen.
„Etwas, was in Polen eine Sünde ist, in Deutschland gut ist und das, was in der Erzdiözese Philadelphia verboten ist, ist auf Malta erlaubt.“
Um diese pastoralen Fragen zu klären und einer Spaltung von Gemeinden entgegenzuwirken, erbitten die vier Kardinäle in ihrem neuen Schreiben eine Audienz beim Heiligen Vater. Dabei versichern sie ihm und dem Heiligen Stuhl ihre Liebe und Loyalität. Dennoch treibe sie die "die Belastung unserer Verantwortung und unser Gewissen" an, diese drängenden Fragen zu klären. Sie fordern außerdem "mit den Ungewissheiten aufzuräumen und Klarheit in einigen Punkten des nachsynodalen Lehrschreibens Amoris Laetitia zu bringen". Der Brief soll das Datum vom 25. April tragen und am 6. Mai bei Franziskus eingegangen sein, wie NCR berichtet.
Die fünf Fragen im ursprünglichen Brief vom September 2016 beziehen sich vor allem auf das achte Kapitel der Lehrschreibens "Amoris Laetitia" und den damit verbundenen Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen. Die Fragen in "Dubia"-Form sind jahrhundertealte Praxis, um eine für Bischöfe unklare Rechtslage mit der Glaubenskongregation zu klären und sind formal nur mit "Ja" oder "Nein" zu beantworten. Die erste Frage sollte klären, ob laut "Amoris Laetitia" eine Person zur Eucharistie zugelassen ist, die zivil geschieden und wiederverheiratet ist, obwohl ihre kirchliche Ehe noch Bestand hat, also nicht annulliert wurde. Die vier weiteren Dubia beschäftigen sich mit dem scheinbaren Widerspruch zur Kirchenlehre. Kritiker bemängelten allerdings, dass das "Dubia"-Verfahren nicht die richtige Form für Fragen an den Papst darstelle.
Unterdessen haben verschiedene Bischofskonferenzen und einzelnen Diözesen bereits Handreichungen zum Umgang mit Wiederverheirateten ausgegeben. In Deutschland, Belgien und Malta wurde Amoris Laetitia dahingehen interpretiert, das unter bestimmten Umständen und nach ausführlicher Gewissensprüfung die Zulassung zur Eucharistie für Wiederverheiratete möglich sein kann. Andere wie Kardinal Gerhard Ludwig Müller oder die polnische Bischofskonferenz verbieten einen solchen Umgang, solange das Paar nicht "wie Bruder und Schwester" zusammenlebt.
Papst Franziskus selbst hatte sich nur indirekt noch einmal zu seinem Schreiben geäußert. So bestätigte er im September 2016 per Brief die argentinische Diözese San Miguel in ihren neuen Leitlinien. Darin hatte auch sie Wiederverheiratete zur Kommunion im Einzelfall zugelassen.
Wir dokumentieren den neuen Brief in der deutschen Übersetzung:
Heiligster Vater,
mit einer gewissen Beklommenheit wende ich mich in diesen Tagen der Osterzeit an Sie. Ich tue das im Namen der Kardinäle Walter Brandmüller, Raymond L. Burke, Joachim Meisner und mir.
Wir möchten mit der Erneuerung unserer absoluten Hingabe und der bedingungslosen Liebe zum Heiligen Stuhl und Ihrer Person, in der wir den Nachfolger Petri und den Stellvertreter Christi erkennen: den süßen Christus auf Erden, wie die Heilige Katharina von Siena gerne sagte, beginnen. Wir stimmen nicht im Geringsten mit denen überein, die den Heiligen Stuhl als vakant betrachten, auch nicht mit denen, die anderen die unteilbare Verantwortung des Petrusamtes zuschreiben wollen. Wir sind nur durch die schwere Verantwortung des Bewusstseins unseres Kardinalsamtes bewegt: Berater des Nachfolgers Petri in seinem erhabenen Dienst zu sein. Und aus dem Sakrament der Bischofsweihe, das wir "als Hirten für die Kirche des Herrn sorgt, die er sich durch sein eigenes Blut erworben hat." (Apg 20,28).
Am 19. September 2016 haben wir Eurer Heiligkeit und der Glaubenskongregation fünf Dubia vorgelegt und Sie aufgefordert, mit den Ungewissheiten aufzuräumen und Klarheit in einigen Punkten des post-synodalen Lehrschreibens Amoris Laetitia zu bringen.
Nachdem wir keine Antwort von Eurer Heiligkeit erhielten, haben wir uns dazu entschlossen, respektvoll und demütig für uns gemeinsam um eine Audienz zu bitten, wie es Eurer Heiligkeit beliebt. Wir fügen, wie es Praxis ist, ein Dokument bei, in dem wir die beiden Punkte aufführen, die wir mit Ihnen besprechen möchten.
Heiligster Vater,
Ein Jahr ist seit der Veröffentlichung von Amoris Laetitia vergangen. Währenddessen wurden viele Interpretationen einiger sachlich zweideutiger Passagen des post-synodalen Schreibens öffentlich abgegeben, die nicht nur vom Lehramt abweichen, sondern komplett im Gegensatz zur offiziellen Lehrmeinung der Kirche stehen. Obwohl der Präfekt der Glaubenskongregation wiederholt erklärt hat, dass sich die Lehre der Kirche nicht verändert hat, sind zahlreiche Erklärungen von Bischöfen, Kardinälen und sogar Bischofskonferenzen erschienen, die billigen, was das Lehramt der Kirche niemals gebilligt hat. Das betrifft nicht nur den Zugang zur Heiligen Eucharistie für diejenigen, die sachlich und öffentlich in einer Situation der schweren Sünde leben und vorhaben, darin weiterzuleben, sondern auch die Auffassung eines moralischen Bewusstseins, das der Tradition der Kirche widerspricht. Und so geschieht es – und wie schmerzlich ist es, das zu sehen – dass etwas, was in Polen eine Sünde ist, in Deutschland gut ist und das, was in der Erzdiözese Philadelphia verboten ist, ist auf Malta erlaubt. Und so weiter. Man erinnere sich hier an die bittere Beobachtung von B. Pascal: "Gerechtigkeit auf dieser Seite der Pyrenäen, Ungerechtigkeit auf der anderen; Gerechtigkeit am linken Ufer des Flusses, Unrecht auf dem rechten Ufer."
Viele kompetente Laien, die die Kirche sehr lieben und absolut loyal gegenüber dem Apostolischen Stuhl sind, haben sich an Ihre Hirten und Eure Heiligkeit gewandt, um in der Heiligen Lehre der der Sakramente der Ehe, der Beichte und der Eucharistie, bestätigt zu werden. Und in diesen besonderen Tagen in Rom, haben sechs Gläubige von jedem Kontinent ein gut besuchtes Seminar unter dem bedeutungsvollen Titel "Klarheit bringen" abgehalten.
Angesichts dieser schwierigen Situation, in der viele christliche Gemeinden gespalten werden, fühlen wir die Belastung unserer Verantwortung und unser Gewissen treibt und an, demütig und respektvoll eine Audienz zu erbitten.
Möge Eure Heiligkeit uns in seinen Gebeten gedenken, genauso wie wir Sie der unseren versichern. Und wir bitten Sie um Ihren Apostolischen Segen.
Carlo Card. Caffarra
Rom, 25. April 2017