Deutsche Sprachgruppe geht Kardinal Kaspers Weg

Nicht Sieger und Besiegte

Veröffentlicht am 21.10.2015 um 18:20 Uhr – Von Kilian Martin – Lesedauer: 
Weltbischofssynode zu Ehe und Familie mit Papst Franziskus am 17. Oktober 2015 im Vatikan. Bild: Blick in die Audienzhalle Paul VI. im Vatikan.
Bild: © KNA
Familiensynode

Bonn ‐ Der dritte Zwischenbericht überrascht: Die deutsche Sprachgruppe hat sich bei der Frage des Sakramentenempfangs für Wiederverheiratete auf den Vorschlag von Kardinal Kasper geeinigt. Katholisch.de-Mitarbeiter Kilian Martin analysiert die "Relatio".

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Abzusehen war es wahrlich nicht, doch die deutschen Bischöfe haben einen Weg zur Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion gefunden. Das Besondere dabei: Es ist ein gemeinsamer, einstimmig beschlossener Weg. Und es ist der Weg, den Kardinal Walter Kasper bereits seit Jahren proklamiert hatte. So schlägt die deutsche Synodengruppe dem Papst nun zur Frage des Kommunionempfangs wiederverheirateter Geschiedener vor: Betroffene Gläubige sollen von einem Seelsorger auf der "via paenitentialis" ("Weg der Buße") begleitet werden und letztlich nach dem eigenen Gewissen entscheiden, ob sie zu den Sakramenten hinzutreten können.

Einer der ärgsten Widersacher dieses Kasperschen Vorschlags war bislang der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Die persönliche, subjektive Gewissensentscheidung hatte er ebenso abgelehnt, wie den wiederkehrenden Versuch, Barmherzigkeit als Argument anzuführen. Das kirchliche Lehramt sei nicht durch persönliche Überzeugungen der Gläubigen auszulegen.

Schönborn zeigt Vermittlungskünste

Als ein Sinneswandel dürfte die Zustimmung des Chefdogmatikers der Kirche zum Zwischenbericht dennoch nicht zu verstehen sein. Wie die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch aus Synodenkreisen erfahren haben will, sei das Einlenken Müllers wesentlich auf die Arbeit des Gruppenmoderators Kardinal Christoph Schönborn zurück zu führen. Dieser habe es durch geschickte Verhandlung vermocht, zwischen den angeblich so unversöhnlichen Kasper und Müller zu vermitteln; zu Gunsten Kaspers.

Der Konsens zwischen der Kardinäle in der deutschen Sprachgruppe sei maßgeblich auf die Vermittlung durch Moderator Kardinal Christoph Schönborn zurückzuführen, heißt es aus der Gruppe.
Bild: ©KNA

Der Konsens der Kardinäle in der deutschen Sprachgruppe sei maßgeblich auf die Vermittlung durch Moderator Kardinal Christoph Schönborn zurückzuführen, heißt es aus der Gruppe.

Dabei war die erwartete Konfrontation der deutschen Diskutanten bereits von Beginn der Synode an der gemeinschaftlichen Konsenssuche gewichen. Dem zweiten Bericht in der vergangenen Woche war bereits anzumerken: Da debattieren Theologen auf höchstem Niveau und das nicht mit dem Ziel, Sieger und Besiegte hervorzubringen. Kardinal Reinhard Marx erklärte bei der vatikanischen Pressekonferenz am Mittwoch, man führe in der deutschen Gruppe eine hochqualitative Diskussion und zitiere wechselseitig Thomas von Aquin. Und: Die Synode sei kein Kampf der Fraktionen Ratzinger gegen Kasper.

Distanzierung von umstrittenen Äußerungen

Dass man in der gesamten Debatte den Ausgleich statt der Konfrontation sucht, merkt man dem Zwischenbericht gleich an mehreren Stellen an. So beginnt er mit der überaus beachtlichen Distanzierung von Scharfmachern und Brandstiftern, die es auch bei der Familiensynode gebe. Auch der Hinweis, dass die Bischöfe lediglich Vorschläge für den Papst formulieren, ist in dieser Weise zu verstehen. Schließlich können zielorientierte Beratungen nur konstruktiv, nicht kontrovers diskutiert werden.

Darüber hinaus ist die Wortwahl auffällig: Der Begriff der Barmherzigkeit taucht im Zwischenbericht an lediglich zwei Stellen auf. Angesichts seiner Rolle als Schlüsselbegriff des Pontifikats von Papst Franziskus ist das erstaunlich wenig. Doch die Barmherzigkeit war eben auch das Kernargument Kaspers für seinen weichen Kurs im Umgang mit den Sakramenten für wiederverheiratete Geschiedene. Statt auf diesen Begriff stützt sich die Argumentation der deutschen Gruppe nun auf Johannes Paul II. und den Apostel Paulus.

Linktipp: "Sakrament für die neue Welt"

Distanzierung von Scharfmachern, Entschuldigung für unbarmherzige Pastoral: Der dritte Zwischenbericht der deutschen Sprachgruppe wartet mit klaren Worten auf. Dabei gleicht der Text, den der Vatikan am Mittwoch veröffentlicht hat, einem Parforceritt durch eine Vielzahl von Familienthemen. Katholisch.de dokumentiert den Bericht im Wortlaut.

Das wohl stärkste Argument gegen einen vermeintlichen Sieg Kaspers und für einen tatsächlichen Konsens ist jedoch die Tatsache, dass sich die Synode nicht bloß um die eine, strittige Frage dreht. Auch der weitaus größte Teil des Zwischenberichts befasst sich nicht mit der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen. Stattdessen stellen die Bischöfe darin - ohne sie wörtlich zu formulieren - eine elementare Forderung auf: Die Kirche muss veränderte gesellschaftliche Realitäten anerkennen und sich diesen mit ihrer Lehre entgegenstellen.

So sprechen die Bischöfe angesichts einer "nicht mehr homogen christlichen Gesellschaft" die "dringende Empfehlung" aus, einen eigenständigen Ehekatechumenat einzuführen. Eine tiefgreifende Reform der Ehevorbereitung war in den vergangenen Monaten von Vielen gefordert worden, nicht zuletzt aus dem konservativen "Lager".

Wider die "Gender-Ideologie"

Auch an anderen Stellen des Berichts reagieren die Bischöfe auf die scheinbaren Wirklichkeiten unserer Zeit. Doch geben sie sich etwa im Abschnitt zur "Gender-Ideologie" deutlich kämpferisch. Man könne nach christlichem Verständnis zwar das Geschlecht des Menschen von seiner "sozio-kulturellen Geschlechterrolle ('gender')" unterscheiden, aber eben nicht trennen. Wer "das Geschlecht des Menschen als nachträgliches Konstrukt ansehen und seine willkürliche Auswechselbarkeit gesellschaftlich durchsetzen" will, muss sich auf den Widerstand der Kirche gefasst machen.

Gleiches gilt für "aufgezwungene staatliche Maßnahmen zugunsten von Empfängnisverhütung, Sterilisation oder gar Abtreibung". Die deutschsprachigen Bischöfe bekräftigen in ihrem Bericht die Lehre der Kirche, nach der die Zeugung neuen Lebens ein Geschenk Gottes ist und Ergebnis der ehelichen Liebe zwischen Frau und Mann sein soll. Junge Menschen müssten wieder "ermutigt werden, Kindern das Leben zu schenken", fordern die Bischöfe. Um das kirchliche Schlagwort der verantworteten Elternschaft wieder neu an Mann und Frau zu bringen, schlagen sie dabei ein mutiges Vorgehen vor: Eine erneuerte Lektüre der gleichsam wegweisenden wie unzeitgeistigen Texte "Familiaris consortio" und "Humanae vitae". Klarer könnten die Bischöfe kaum zum Ausdruck bringen, dass die Lehre der Kirche in dieser Frage nicht zur Disposition steht.

Themenseite: Familiensynode

Vom 4. bis 25. Oktober 2015 tritt die XIV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode unter dem Thema "Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute" zusammen. Die Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zur Synode.

Schließlich spart der Bericht nicht mit Kritik an der "strukturellen Rücksichtslosigkeit" des Staates und der Wirtschaft gegenüber der Familie. "Nicht die Familie hat sich wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen, sondern umgekehrt". Gleiches gelte für den Staat, der verpflichtet sei, die Familie als Keimzelle der Gesellschaft nach Kräften zu unterstützen.

Mit der dritten "Relatio" aus der Feder des Berliner Erzbischofs Heiner Koch positioniert sich die deutsche Sprachgruppe insgesamt klar für das Lehramt und gegen den Zeitgeist. Das mag man beim Blick auf das Thema der wiederverheirateten Geschiedenen leicht übersehen. Dennoch ist der Bericht als das zu bezeichnen, wie die Bischöfe ihn gerne verstanden wissen wollen: Ein konsensorientierter und konstruktiver Vorschlag für den Papst. Dass sich die Synodalen selbst in der extrem strittigen Frage des Sakramentenempfangs für wiederverheiratete Geschiedene einig geworden sind, kann wohl in diesem Sinn verstanden werden. Denn auch wenn die Vorschläge der Bischöfe überraschend und teilweise mutig bisherige Positionen in Frage stellen: Am Ende entscheidet der Papst.

Von Kilian Martin