Pakt mit dem Teufel
Ausgerechnet ein Vertrag mit dem Papst bescherte Adolf Hitler seinen ersten großen außenpolitischen Propagandaerfolg. Auch innenpolitisch brachte das Abkommen Prestige. Kein Wunder, dass das Abkommen bis heute umstritten ist und Kritiker meinen, dass das Konkordat die Katholiken über den Charakter des Nationalsozialismus getäuscht und Widerstand verhindert habe.
Viele Katholiken erleichtert
Auch damals reagierten manche Katholiken, die gleich zu Beginn der NS-Herrschaft drangsaliert worden waren, mit Unverständnis. Andere allerdings waren erleichtert, weil sie jetzt am Neuaufbau des Staates mitarbeiten konnten. Wenige Monate zuvor, am 28. März 1933, hatten die katholischen Bischöfe ihre allgemeinen Verbote und Warnungen vor der NSDAP zurückgezogen, allerdings an der Verurteilung der NS-Weltanschauung festgehalten.
Hitler hoffte, dass sich die Katholiken "von jetzt an rückhaltlos in den Dienst des nationalsozialistischen Staates stellen werden". Dafür machte er Zugeständnisse: Die 34 Artikel des Reichskonkordats erkannten die Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts an und schützten ihre Aufgaben in Seelsorge, Erziehungswesen, im kulturellen und karitativen Bereich. Andererseits wurde die kirchliche Tätigkeit auf kulturelle, religiöse und karitative Zwecke beschränkt. Geistlichen war jede politische Tätigkeit untersagt.
Dieser Handel hat zu heftigen Kontroversen unter Historikern geführt: Insbesondere der evangelische Kirchenhistoriker Klaus Scholder argumentierte, dass der Vatikan die erste deutsche Demokratie wegen des Konkordats verraten habe. Um Hitlers Zustimmung zum Reichskonkordat zu bekommen, habe Pacelli ihm angeboten, dass die katholische Zentrumspartei dafür dem Ermächtigungsgesetz zustimme. So habe Pacelli also Hitler zu einer Mehrheit bei der scheinbar legalen Festigung seiner Diktatur verholfen.
Kirche und NS-Staat
Alles über die Haltung der katholischen Kirche zu Adolf Hitler und dem Nazi-Regime erfahren Sie in unserem Dossier. Zum DossierEinspruch dagegen erheben die beiden Historiker Konrad Repgen und Hubert Wolf. Ziel Roms sei es gewesen, mit dem Konkordat ein juristisches Schwert in die Hand zu bekommmen, um die Katholiken in Deutschland zu schützen, argumentiert Repgen. Für ihn war das Reichskonkordat "ein Defensivvertrag", mit dem die Kirche die Distanz zu Hitler zu wahren versuchte.
Deutsche Bischöfe fielen Vatikan in den Rücken
Die sogenannte Repgen-Scholder-Kontroverse scheint inzwischen entschieden. Denn Wolf hat Zugang zu den Vatikan-Archiven und an neu zugänglichen Quellen geforscht. Er sieht die Verantwortung bei den deutschen Bischöfen. Sie seien durch ihre voreiligen Zugeständnisse dem Vatikan bei seinen Bemühungen in den Rücken gefallen, möglichst viele Rechte für die Katholiken festzuschreiben. "Pacelli war verstimmt darüber, dass das Zentrum dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt hatte und die Bischöfe vier Tage später die Verurteilung des Nationalsozialismus zurückgenommen hatten", sagt der Historiker. "Damit schlugen die deutschen Katholiken Pacelli sozusagen seine beiden einzigen Trümpfe aus der Hand."
„Pacelli war verstimmt darüber, dass das Zentrum dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt hatte und die Bischöfe vier Tage später die Verurteilung des Nationalsozialismus zurückgenommen hatten“
Sehr schnell hielt sich das Regime nicht mehr an seine Garantien. Gerade die katholischen Jugend- und Arbeitervereine wurden immer stärker bedrängt. Repressionen gab es gegen die katholischen Tageszeitungen ebenso wie gegen die Kirchenpresse . Mit großem propagandistischen Aufwand durchgeführte Devisen- und Sittlichkeitsprozesse sollten Bischöfe, Priester und Ordensleute 1935 und 1937 als korrupt und moralisch verkommen darstellen.
Nach Kriegsende war umstritten, ob das Reichskonkordat auch für die junge Bundesrepublik gültig war. Erst 1957 bestätigte das Bundesverfassungsgericht im Urteil über das niedersächsische Schulgesetz, dass es weiter bestehe. Allerdings machten die Richter deutlich, dass die Bundesländer, die in ihren Schulgesetzen gegen das Konkordat verstießen, nicht belangt werden durften.
Von Christoph Arens (KNA)