"Positiver Impuls für die Synode"
Frage: Herr Weihbischof Theising, auch wenn der Papst erst am Wochenende kommt, hat das Weltfamilientreffen in Philadelphia bereits begonnen. Wie läuft so etwas ab?
Theising: Am Dienstag hat die Eröffnungsveranstaltung stattgefunden, bei der der Weihbischof aus Los Angeles, Robert Barron, die Teilnehmer mit einem Referat auf das Familientreffen eingestimmt hat. Seitdem gibt es tagtäglich dutzende Veranstaltungen wie Symposien, Vorträge, Begegnungsforen oder Gottesdienste, an denen die Familien und Delegationen aus aller Welt teilnehmen können. Für jeden ist etwas dabei. Und für die Kinder gibt es noch einmal gesonderte Angebote sowie die Möglichkeit der Betreuung. Die Kleinen wollen ja keine Vorträge hören, sondern lieber spielen.
Frage: Konnten Sie in den vergangenen Tagen schon einige teilnehmende Familien kennenlernen?
Theising: Wir haben selbst eine Familie in unserer Gruppe, die aus Deutschland mit in die USA gereist ist. Deshalb dürfen wir das tägliche Miteinander erleben. Dass die Kinder bei allem dabei sind, finde ich sehr schön. Wir haben aber auch viele andere Familien getroffen – natürlich aus den USA, aber auch aus Afrika oder von den Philippinen. Immerhin sind unter den geschätzten 20.000 Teilnehmern über 100 Nationalitäten vertreten.
Frage: Haben Sie nach diesen Begegnungen das Gefühl, dass Familien überall vor den gleichen Herausforderungen stehen oder gibt es Unterschiede?
Theising: Ich glaube, dass beides irgendwie zutrifft. Die Herausforderung, wie man heute Beruf und Familie vereinbart, gibt es sicher überall auf der Welt. Eltern, die sich fragen, ob sie genug Zeit für ihre Kinder haben und ob sie genug verdienen, um ihnen ein gutes Leben zu garantieren. Auch das Thema Glaubensvermittlung ist eine zentrale Frage für viele Familien – egal ob in Deutschland oder hier in den USA. Ich bemerke aber auch Unterschiede. So habe ich zum Beispiel den Eindruck, dass es in den USA selbstverständlicher als bei uns ist, religiös zu leben und über den eigenen Glauben zu sprechen. Innerhalb der Familie, aber auch in der Öffentlichkeit und beim Miteinander der verschiedenen Konfessionen.
Frage: Was erwarten Sie von dem Familientreffen?
Theising: Ich wünsche mir, dass wir etwas von dem guten Geist und der Freude des Glaubens, die wir hier erleben, mit nach Deutschland bringen und weitergeben können. Dass wir den Gläubigen zeigen können, was es heißt, auch heute als christliche Familie in Zuversicht und Freude zu leben. Gerade vom Papst erhoffe ich mir, dass er noch einmal herausstellt, was das Besondere an der christlichen Familie ist und dass wir als Christen den Auftrag haben, der Menschheit noch einmal in ganz besonderer Weise die Bedeutung der Familie zu vermitteln. Immerhin war Gott nach seiner Menschwerdung selbst Teil einer Familie.
Frage: In Philadelphia sind neben dem Papst auch einige Bischöfe anwesend, die in wenigen Tagen im Vatikan an der Familiensynode teilnehmen. Denen könnten Sie doch noch einmal etwas von den Sorgen der Gläubigen in Deutschland ins Ohr flüstern…
Theising: So viele Möglichkeiten zum Flüstern gibt es da leider gar nicht. Aus Zufall habe ich zu Beginn des Familientreffens mit dem afrikanischen Kurienkardinal Robert Sarah zusammengesessen. Dabei haben wir uns schon über die unterschiedlichen Positionen mit Blick auf die Synode ausgetauscht. Ich konnte ihm auch von den Herausforderungen in Deutschland und den Erwartungen der Gläubigen berichten. Da er aber viele deutsche Bischöfe und Kardinäle kennt, war er bereits gut informiert. Und auch das, was wir als Bischofskonferenz für die Synode vorbereitet haben, hat er auf dem Schirm.
Frage: Sie sprachen von den Herausforderungen in Deutschland. Welche sind das mit Blick auf die Familie?
Theising: Wir bekommen mit, dass Familien häufig in schwierigen Situationen stecken – gerade auch mit Blick auf die Kinder. Es gibt eine große Zahl von Patchwork-Familien und Alleinerziehenden. Eltern haben oft nicht so viel Zeit für ihre Kinder, weil sie berufstätig sind. Der Nachwuchs selbst nimmt seine Familiensituation daher häufig als zerrissen wahr. Als Kirche wollen wir Anwalt der Kinder sein und dazu beitragen, dass sie in sicheren Verhältnissen von Ehe und Familie aufwachsen. Das wünsche ich mir übrigens auch als Ergebnis der Synode. Die Gläubigen sollen sagen: Diese Kirche unterstützt uns. Diese Kirche versteht uns. Und bei ihr sind wir gut aufgehoben.
Frage: Experten bezeichnen das Familientreffen bereits als Stimmungsbarometer für die bevorstehende Synode. Was sagen Sie dazu?
Theising: Ich denke, dass dieses Treffen noch einmal ein positiver Impuls und eine Ermutigung für die Synode sein kann. Man sollte es in seiner Bedeutung aber auch nicht überbewerten. Beschlüsse oder Entscheidungen der Synode werden hier weder getroffen noch vorbereitet. Diese Annahme halte ich für zu gewagt. Dazu müssen wir in den Vatikan und nicht nach Philadelphia schauen.
Frage: Das heißt, Sie haben auch keine Angst, dass die US-Bischöfe dem Papst vor der Synode ins Gewissen reden? Einige haben ja doch eher den Ruf "Hardliner" in Familienfragen zu sein…
Theising: Ihre Position zum Thema Ehe und Familie werden sie gegenüber Papst Franziskus sicher noch einmal deutlich machen. In erster Linie wird es den Bischöfen aber darum gehen, zu zeigen, dass sich die USA sehr über den Papstbesuch freut. Die Euphorie im Land und vor allem bei den Gläubigen ist ja riesengroß. Überall sind schon Tage vor dem Kommen des Papstes Fahnen und Plakate zu sehen.
Frage: Am Wochenende kommt der Papst dann endlich. Werden Sie den ihn auch persönlich treffen?
Theising: Das ist vorgesehen. Leider wird aber wohl keine Zeit für ein Gespräch sein, da der Papst Hunderte von Bischöfen empfangen wird. Dann schüttelt man sich die Hand und kann bestenfalls noch sagen, aus welchem Land man kommt. Allerdings habe ich den Heiligen Vater in Rom bereits einige Male getroffen.
Frage: Also werden Sie dem Papst vor der Synode keine Botschaft aus Deutschland mehr überbringen?
Theising: Ich gehe nicht davon aus. Obwohl man bei Franziskus ja nicht sicher sein kann. Vielleicht spricht er das Thema von selbst an. Dann würde ich ihm natürlich gerne noch einige Worte sagen. Ich gehe aber nicht mit einer Botschaft zu dem Treffen, die ich ihm unbedingt noch mitteilen möchte.