Dompropst Tobias Przytarski über Umbau und Umzug der Bischofskirche

So zieht die Berliner Hedwigs-Kathedrale um

Veröffentlicht am 06.08.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Erzbistum Berlin

Berlin ‐ Anfang September wird die Berliner Hedwigs-Kathedrale für die bevorstehende Sanierung geschlossen. Im Interview spricht Dompropst Tobias Przytarski über den Umzug an den Ersatzstandort im Wedding.

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Frage: Herr Dompropst, lange ist über den Umbau der Hedwigs-Kathedrale diskutiert und gestritten worden. Nun soll es im Herbst tatsächlich losgehen – zunächst mit der Sanierung der Kuppel. Freuen Sie sich?

Przytarski: Ja, natürlich freue ich mich. Auch wenn die genauen Termine im Einzelnen noch nicht feststehen, wollen wir im Herbst auf jeden Fall mit der Sanierung beginnen. Das soll nach den vielen Debatten der vergangenen Jahre auch ein Signal sein, das zeigt: Wir reden nicht nur über die Baumaßnahmen an der Kathedrale, sondern wir handeln auch.

Frage: Anfang September schließen Sie die Kathedrale und ziehen mit ihren Gottesdiensten für die Dauer der Bauarbeiten in die St.-Joseph-Kirche im Stadtteil Wedding um. Wie hat man sich die Vorbereitungen für diesen Umzug vorzustellen? Sitzen Sie in der Kathedrale schon auf gepackten Kisten?

Przytarski: In der Tat sitzen einige meiner Mitarbeiter bereits auf gepackten Kisten – vor allem deshalb, weil das komplette Inventar unserer Kathedral-Sakristei nach St. Joseph gebracht werden muss. Da ist, wie Sie sich sicher vorstellen können, einiges einzupacken. Ich selber habe hingegen noch ein bisschen Zeit, da die ebenfalls geplante Sanierung des Bernhard-Lichtenberg-Hauses, in dem ich mein Büro habe, erst im kommenden Jahr geplant ist.

Frage: Sie haben den Umzug der Sakristei genannt. Welche weiteren Vorbereitungen sind derzeit schon im Gange?

Przytarski: Betroffen von dem Umzug ist früher oder später alles, was für die Feier der Gottesdienste in St. Joseph benötigt wird und dort nicht schon in gleicher Weise vorhanden ist. Das betrifft zum Beispiel auch den Bereich der Kirchenmusik. Beide Organisten von St. Hedwig werden künftig in St. Joseph spielen, und die Chöre werden natürlich ebenfalls in den Wedding umziehen. Speziell dafür muss vor September noch einiges vorbereitet werden, da der große Chor der Kathedrale nicht auf die Orgelempore in St. Joseph passt. Wir werden daher in einem der Seitenschiffe Podeste errichten, da nur dort ausreichend Platz für den Chor ist. Das wiederum macht es erforderlich, eine Videoverbindung zwischen der Orgel und dem Chor aufzubauen, damit beide überhaupt gemeinsam musizieren können. Es ist also schon eine gewisse Logistik notwendig, damit der Umzug reibungslos über die Bühne geht und wir unsere Gottesdienste ab September in St. Joseph feiern können.

Bild: ©KNA/Jörg Loeffke

Prälat Tobias Przytarski ist Dompropst an der Berliner Hedwigs-Kathedrale.

Frage: Wie sehr beschäftigt Sie der bevorstehende Umzug denn in Ihrer täglichen Arbeit? Sind Sie inzwischen mehr als Architekt und Bauplaner und weniger als Dompropst tätig?

Przytarski: Nein, das kann ich so nicht sagen. Das liegt aber natürlich auch daran, dass ich kompetente Mitarbeiter habe, die intensiv mit allen Detailfragen des Umzugs und der bevorstehenden Sanierung beschäftigt sind. Meine Aufgabe ist es vor allem, das Ganze im Blick zu behalten und sicherzustellen, dass nichts Wichtiges vergessen wird.

Frage: Damit der Umbau der Kathedrale beginnen kann, muss das Gotteshaus im September leergeräumt werden. Wo werden Sie die Einrichtungsgegenstände – zum Beispiel die Bänke – während der Zeit der Bauarbeiten unterbringen?

Przytarski: Das ist eine Frage, die noch nicht abschließend geklärt ist; derzeit sind wir noch auf der Suche nach passenden Standorten. Manche Dinge können wir zunächst noch im Bernhard-Lichtenberg-Haus zwischenlagern, aber spätestens im kommenden Jahr – wenn auch dort die Sanierung beginnt – müssen wir Klarheit darüber haben, wo die Einrichtungsgegenstände für die Zeit der Umbauarbeiten unterkommen können. Neben den Bänken geht es dabei zum Beispiel auch um einige künstlerisch wertvolle Objekte, die entsprechend sicher untergebracht werden müssen.

Frage: Die Schatzkammer zum Beispiel?

Przytarski: Ja, zum Beispiel. St. Hedwig beherbergt zwar keine Schätze wie der Kölner Dom oder andere alte Kathedralen. Nichtsdestotrotz besitzen aber auch wir natürlich Objekte, die historisch, künstlerisch und materiell wertvoll sind. Das sind Dinge, auf die wir besonders aufpassen müssen.

Frage: Was passiert denn mit dem Altar, dem Tabernakel oder den liturgischen Gefäßen in St. Hedwig? Das sind ja ebenfalls keine normalen "Möbelstücke".

Przytarski: Die liturgischen Gefäße, die wir im Gottesdienst benutzen, werden wir mit nach St. Joseph nehmen. Anderes hingegen lagern wir  ein.

Linktipp: Das ist die "neue" Kathedrale des Erzbistums Berlin

Die Berliner Hedwigs-Kathedrale muss saniert werden. Ab dem 1. September ist sie deshalb geschlossen. Sowohl die Gemeinde als auch Erzbischof Heiner Koch müssen für ihre Gottesdienste umziehen. (Artikel von Juli 2018)

Frage: Und was ist mit der Orgel in St. Hedwig geplant?

Przytarski: Die Orgel wird abgebaut, damit sie während der Bauarbeiten keinen Schaden nimmt. Auf diese Weise können wir endlich auch die dringend notwendige Generalüberholung des Instruments angehen. Das wird die Bonner Firma Klais übernehmen, die die Orgel in den 1970er Jahren auch gebaut hat.

Frage: Viel diskutiert wurde Ihre Entscheidung, für die Zeit der Bauarbeiten nur das Grab des seliggesprochenen Dompropsts und Hitler-Gegners Bernhard Lichtenberg in eine andere Kirche zu verlegen, die Bischofsgräber aber in der Kathedrale zu belassen. Warum haben Sie diese Entscheidung so getroffen?

Przytarski: Weil es schwierig gewesen wäre, für die Bischofsgräber geeignete Alternativstandorte zu finden. Wir können die Bischöfe ja nicht auf einem Friedhof beisetzen und sie dann in ein paar Jahren wieder in die Kathedrale zurückzuholen. Für uns war entscheidend, dass die Bischofsgräber auch während der Bauarbeiten in der Kathedrale sicher sind – und das sind sie.

Frage: Und warum haben Sie sich bei Bernhard Lichtenberg anders entschieden?

Przytarski: Bei Bernhard Lichtenberg liegt die Sache insofern anders, als es sich bei ihm um einen Seligen handelt, bei dem die Gläubigen noch einmal stärker das Bedürfnis haben, das Grab zu besuchen und dort um Fürsprache zu bitten. Hinzu kommt: Wir möchten Bernhard Lichtenberg ja gerne heiligsprechen lassen und dafür ist wichtig, dass eine ununterbrochene Verehrung des Grabes möglich ist. Insofern ist es eine gute Entscheidung, das Grab für die kommenden Jahre in die Kirche Maria Regina Martyrum zu verlegen – zumal es sich dabei um die Gedenkkirche der deutschen Katholiken für die Opfer des Nationalsozialismus handelt und Bernhard Lichtenberg dort ursprünglich sogar bestattet werden sollte.

Frage: Obwohl die Kathedrale Anfang September geschlossen wird, werden dort danach noch einzelne Veranstaltungen stattfinden – zum Beispiel ein Essen für Bedürftige am "Welttag der Armen" am 18. November und die Christmette am 24. Dezember, die sogar von der ARD übertragen wird. Warum machen Sie das?

Przytarski: Um die Möglichkeit zu eröffnen, die Kathedrale neu und anders zu erleben. Eine der ersten bauvorbereitenden Maßnahmen wird im Herbst die provisorische Schließung der Unterkirche sein. Bei den von Ihnen genannten Terminen und weiteren Anlässen haben also Interessierte die Möglichkeit, den Innenraum vom Raumgefühl her so zu erleben, wie er fast 200 Jahre ausgesehen hat – ohne Bodenöffnung.

Das Modell der Neugestaltung der Hedwigskathedrale Berlin.
Bild: ©katholisch.de

So soll der Innenraum der Hedwigs-Kathedrale nach der Sanierung aussehen.

Frage: Die Zukunft der Bodenöffnung, die erst beim Wiederaufbau der Kathedrale nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurde, war in den vergangenen Jahren einer der großen Streitpunkte bei den Debatten um die Sanierung von St. Hedwig. Inzwischen ist klar: Die Öffnung wird geschlossen – die Kritik an dieser Entscheidung bleibt aber laut. Hoffen Sie, dass sie die Kritiker doch noch umstimmen können?

Przytarski: Natürlich hoffe ich das – auch wenn ich nicht die Illusion habe, dass wir alle Kritiker von den Umbauplänen überzeugen können. Aber gerade diejenigen, die bei diesem Thema vielleicht noch unsicher sind oder sich noch keine Meinung gebildet haben, sollen die Gelegenheit bekommen, den Innenraum der Kathedrale mit der geschlossenen Bodenöffnung zu erleben.

Frage: Wird es auch während der weiteren Bauarbeiten solche Gelegenheiten geben?

Przytarski: Ja, sofern es bautechnisch möglich ist. Gerne möchten wir die Möglichkeit bieten, die Kathedrale auch in den kommenden Jahren immer wieder zu einzelnen Terminen zu öffnen – auch, damit St. Hedwig während der Bauarbeiten nicht in Vergessenheit gerät. Denn das ist ja durchaus ein Risiko, wenn ein Bauwerk jahrelang nicht zugänglich ist. Davon abgesehen finden viele Menschen Baustellen interessant, und eine solche erst recht.

Frage: Sie haben vor einigen Wochen gesagt, dass Sie spätestens zum 1. November 2023 – dem 250. Weihetag von St. Hedwig – in die Kathedrale zurückkehren möchten. Angesichts der leidvollen Erfahrungen mit anderen Berliner Großbaustellen: Wie realistisch ist es, dass die Sanierung bis dahin erfolgreich abgeschlossen wird?

Przytarski: Nun ja, wir reden über fünf Jahre – das ist eine lange Zeit, zumal wir die Kathedrale ja nicht neu bauen. Aber klar: Bei alten Gebäuden weiß man nie, ob es nicht doch noch unliebsame Überraschungen gibt. Allerdings haben wir in den vergangenen Jahren gründliche Voruntersuchungen durchgeführt. Davon abgesehen bin ich als Christ natürlich Optimist!

Von Steffen Zimmermann

Zur Person

Tobias Przytarski (*1959) ist seit Januar 2017 Dompropst an der Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale. Zuvor war er unter anderem von 2001 bis 2012 Offiziall und von 2012 bis 2017 Generalvikar des Erzbistums Berlin.