Streitfall Kommunionempfang
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Mit der Frage des Kommunion-Verbots haben die Synodenväter ein besonders komplexes Problem zu diskutieren. Zu beachten sind nicht nur die biblischen Quellen und die Tradition, sondern auch kirchenrechtliche Erwägungen und unterschiedliche theologische Schulen. Direkt zu den einzelnen Abschnitten:
Die Ehe in der Heiligen Schrift
Die Kirche leitet ihre Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe aus der Heiligen Schrift ab. Auch wenn sie sich dabei in erster Linie auf Quellen aus dem Neuen Testament stützt, haben die Fundstellen aus dem Alten Testament eine wichtige Bedeutung. Die Schriften des Alten Bundes stellen die Grundlage für die Lehre Jesu dar, der in der Tradition der Geschichte seines Volkes stand.
"Es ist nicht unproblematisch, (die Frage der Unauflöslichkeit) unvermittelt in das Alte Testament hineinzutragen, weil damals die Ehe noch nicht als Sakrament betrachtet wurde", warnt Kardinal Gerhard Ludwig Müller in einem Beitrag zum Band "In der Wahrheit Christi bleiben". So fände sich unter den Zehn Geboten zwar das Verbot des Ehebruchs (Ex 20, 14), zugleich würde im Buch Deuteronomium (Dtn 24, 1-4) jedoch auch die Möglichkeit zur Scheidung einer Frau von ihrem Mann festgelegt.
Für die heutige Lehre der Kirche "grundlegend ist das Wort Jesu, dass der Mensch nicht trennen darf, was Gott verbunden hat", erklärt Kardinal Walter Kasper in einem Artikel von 2015. In der angesprochenen Bibelstelle (Mk 10, 2-12) lehnt Jesus die Scheidungs-Erlaubnis aus dem Buch Deuteronomium ab. Diese ist nach Jesus der Sündhaftigkeit des Menschen geschuldet, widerspricht jedoch dem Schöpfungsplan Gottes. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass dieses Herrenwort authentisch ist und somit direkt auf Jesus zurückgeht, so Kasper weiter.
Kasper führt aus, dass diese Aussage jedoch kein abgeschlossener Rechtssatz sei, sondern ein Grundsatz, der von der Kirche ausgelegt werden müsse. "Es gilt seine Grenze wie die Weite auszuloten, es im Ganzen der Botschaft Jesu zu verstehen und ihm treu zu bleiben, ohne es zu überdehnen." Zugleich könne auf strittige Hypothesen zur Auslegung bestimmter Stellen jedoch keine kirchliche Lösung gebaut werden. Die Kirche "muss sich an die klare Lehre Christi halten", so Kasper.
Das Sakramenten-Verbot für wiederverheiratete Geschiedene
"Falls Geschiedene zivil wiederverheiratet sind, befinden sie sich in einer Situation, die dem Gesetze Gottes objektiv widerspricht. Darum dürfen sie, solange diese Situation andauert, nicht die Kommunion empfangen", heißt es im Katechismus der katholischen Kirche in Nummer 1650. Die Grundlage dieses Lehrsatzes ist die kirchliche Lehre zum Sakrament der Ehe: Sie kann nur zwischen Frau und Mann geschlossen werden und die Partner müssen Eltern werden wollen; die "Wesenseigenschaften (ihrer) Ehe sind die Einheit und die Unauflöslichkeit" (c. 1055 f. CIC).
Geschiedene Eheleute können nach weltlichem Recht jederzeit vor dem Standesamt eine neue Zivilehe schließen; ihre kirchliche Ehe besteht jedoch fort. Dies bedeutet einen Bruch der sakramentalen Ehe und damit nach kirchlichem Verständnis eine schwere Sünde. Die Heilige Kommunion darf jedoch unter anderem denjenigen Gläubigen nicht gespendet werden, "die hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde verharren", legt das Kirchenrecht in Canon 915 fest.
Papst Johannes Paul II. stellt im Apostolischen Schreiben "Familiaris consortio" (FC 12) die Ehe zwischen Mann und Frau als Abbild des Liebesbündnisses zwischen Gott und den Menschen dar. Aus dieser Analogie leitet er das Eucharistie-Verbot für zivil wiederverheiratete Geschiedene ab: "Sie können nicht zugelassen werden; denn ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht." (FC 84)
Im gleichen Abschnitt des Schreibens heißt es, dass davon betroffene Gläubige von ihrer Sünde im Sakrament der Buße nur dann losgesprochen werden können, wenn sie die "aufrichtige Bereitschaft zu einem Leben haben, das nicht mehr im Widerspruch zur Unauflöslichkeit der Ehe steht". Damit ist konkret die Trennung vom neuen Partner gemeint. Sollte das nicht möglich sein, etwa weil dies zu Lasten der Kinder aus dieser Beziehung ginge, müssen sich die Gläubigen zu einem enthaltsamen Leben verpflichten.
In allen lehramtlichen Dokumenten zu dieser Frage wird überdies eindringlich darauf hingewiesen, dass das Eucharistie-Verbot keinen Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft bedeutet. "Familiaris consortio" ruft alle Gläubigen auf, sich den Betroffenen in Liebe zuzuwenden und ihnen Mut zu machen, damit sich diese nicht ausgeschlossen fühlen, "da sie als Getaufte an ihrem Leben teilnehmen können, ja dazu verpflichtet sind."
Ausweg durch Buße und Barmherzigkeit?
Kardinal Kasper hatte in einem viel diskutierten Vortrag zum Umgang mit zivil wiederverheirateten Geschiedenen eine "Erneuerung der via paenitentialis" vorgeschlagen. Die Versöhnung Wiederverheirateter mit der Kirche "auf dem Weg der Buße" sei bereits in der frühen Kirche praktiziert worden und würde in der Ostkirche bis heute "eine zweite und auch dritte Eheschließung" ermöglichen.
Das dem zugrunde liegende orthodoxe kirchenrechtliche Prinzip sei in der westlichen Tradition zwar unbekannt, könnte jedoch in Form einer ähnlichen Idee namens "Epikie" adaptiert werden, argumentiert Kasper. Dieses Konzept besagt, dass ein Gesetz nicht jede menschliche Situation vollständig abdecken kann. "In diesem Sinn könnte die Kirche in menschlich schwierigen Situationen barmherzig von der Vollmacht zu binden und zu lösen Gebrauch machen. Dabei geht es nicht um Ausnahmen vom Recht, sondern um eine angemessene und barmherzige Anwendung des Rechts."
Kardinal Müller hält als Präfekt der Glaubenskongregation dagegen, dass dieses Konzept "hier nicht angewendet werden (kann), weil es sich bei der Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe um eine göttliche Norm handelt, über die die Kirche keine Verfügungsgewalt hat." Die Kirche habe lediglich die Vollmacht, die Bedingungen zur Ehe zu klären, was im Kirchenrecht getan habe.
Kasper hatte selbst darauf verwiesen, dass eine "angemessene und barmherzige Anwendung" des Rechts nicht die grundsätzlichen Vorgaben zum Empfang des Bußsakraments und der Kommunion in Frage stellen dürfe. Es sei selbstverständlich, dass Gläubige im Stand der schweren Sünde dazu nicht zugelassen werden dürfen. "Dieser Grundsatz ist in sich evident und unbestreitbar", so Kasper weiter. Es sei jedoch zwingend "die Situation des Sünders und seine je einmalige personale Würde zu bedenken". Da eine schwere Sünde eine Willensentscheidung dazu voraussetzt, könne nicht ohne weiteres objektiv entschieden werden, wann der Fall eintritt, so Kasper. Dies müsse also auf dem Weg der "via paenitentialis" im "inneren Forum des Bußsakraments" geklärt werden.
Der von Kasper vorgeschlagenen zentralen Rolle der Barmherzigkeit im Umgang mit zivil wiederverheirateten Geschiedenen hält Müller die Einheitlichkeit der sakramentalen Ordnung entgegen. Diese sei in ihrer Gesamtheit "ein Werk göttlicher Barmherzigkeit". Eine Fokussierung auf die Barmherzigkeit berge zudem die Gefahr, ein banales Gottesbild zu zeichnen, "wonach Gott nichts anderes vermag als zu verzeihen". Wer die Sünde nicht ernst nehme, könne letztlich auch die Barmherzigkeit Gottes nicht vermitteln. Diese sei schließlich "keine Dispens von den Geboten Gottes und den Weisungen der Kirche. Sie verleiht vielmehr die Kraft der Gnade zu ihrer Erfüllung, zum Wiederaufstehen nach dem Fall und zu einem Leben in Vollkommenheit nach dem Bild des himmlischen Vaters."
Die Rolle des Gewissens
Ein weiterer Aspekt in der Debatte um den Kommunionempfang von zivil wiederverheirateten Geschiedenen ist die Rolle des Gewissens. Im Jahr 1993 hatten dazu die Bischöfe von Freiburg, Rottenburg-Stuttgart und Mainz das umstrittene Hirtenwort "Pastoral mit Geschiedenen und Wiederverheirateten Geschiedenen" veröffentlicht. In ihrem Schreiben stellen sie fest, dass das allgemeine kirchenrechtliche Verbot als Teil der kirchlichen Ordnung unumgänglich sei. In Einzelfällen könne jedoch "ein seelsorgliches Gespräch den Betroffenen helfen, zu einer persönlich verantworteten Gewissensentscheidung zu finden, die von der Kirche und der Gemeinde zu respektieren ist". So könne sich herausstellen, "dass die Ehepartner sich in ihrem Gewissen ermächtigt sehen, an den Tisch des Herrn zu treten", erklären die Bischöfe.
Auf dem Weg zu einer solchen Entscheidung bräuchte der betroffene Gläubige zwingend die Begleitung eines Klerikers, so die Bischöfe: "Die Teilnahme eines Priesters an dieser Klärung ist notwendig, weil der Hinzutritt zur Eucharistie ein öffentlicher, kirchlich bedeutsamer Akt ist."
Im Jahr 1994 reagierte die Kongregation für die Glaubenslehre unter ihrem damaligen Präfekten Kardinal Joseph Ratzinger auf das Hirtenwort mit einem Schreiben an die Bischöfe. Darin bekräftigt die Kongregation den Grundsatz, dass es einer Gewissenentscheidung des Gläubigen zum Hinzutritt zur Kommunion bedürfe. "Es ist aber ebenso wahr, dass der Konsens, der die Ehe konstituiert, nicht eine bloße Privatentscheidung ist, weil er für jeden Partner und das Ehepaar eine spezifisch kirchliche und soziale Situation konstituiert", heißt es darin weiter. "Das Gewissensurteil über die eigene eheliche Situation" betreffe somit nicht allein die persönliche Beziehung zu Gott, sondern auch die öffentliche Beziehung des Ehepaares zur kirchlichen Gemeinschaft. "Diesen wichtigen Aspekt nicht zu beachten, würde bedeuten, die Ehe faktisch als Wirklichkeit der Kirche, das heißt als Sakrament, zu leugnen."
Literatur zum Thema
Die Bibel
- Im Alten Testament finden sich Aussagen zum Thema Ehe und Scheidung beispielsweise in den Zehn Geboten, sowie in den Büchern Deuteronomium und Maleachi.
- Das Scheidungsverbot findet sich in allen synoptischen Evangelien. Der Apostel Paulus bekräftigt das Verbot im 1. Korintherbrief und ergänzt es durch das sogenannte Privilegium Paulinum.
Lehramtliche, päpstliche und bischöfliche Texte
- Der Katechismus der katholischen Kirche widmet sich dem Ehesakrament in den Abschnitten 1601 bis 1666.
- Das Sakramenten-Verbot für zivil wiederverheiratete Geschiedene begründet sich durch Canon 915 im Kodex des kanonischen Rechts. Dem Sakrament der Ehe widmen sich die Canones 1055 bis 1165.
- In den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils finden sich Aussagen zur Ehe insbesondere in den Abschnitten 47 bis 52 der Konstitution Gaudium et spes, sowie in den Abschnitten 11 und 35 der Konstitution Lumen Gentium.
- Im Anschluss an die vatikanische Bischofssynode über "Die christliche Familie" veröffentlichte Papst Johannes Paul II. im Jahr 1981 das nachsynodale Schreiben Familiaris consortio über die Familie.
- Im Jahr 1993 veröffentlichten die Bischöfe der oberrheinischen Kirchenprovinz (Freiburg, Rottenburg-Stuttgart, Mainz) ein "Gemeinsames Hirtenschreiben zur Pastoral mit Geschiedenen und Wiederverheirateten Geschiedenen".
- Die Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlichte im Jahr 1994 ein Schreiben an die Bischöfe "Über den Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen".
- Ebenfalls 1994 nahm der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, Stellung "zu einigen Einwänden gegen die kirchliche Lehre über den Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen".
- Im Jahr 2000 gab der päpstliche Rat für die Gesetzestexte eine Erklärung "über die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene" ab.
Weitere Literatur zum Thema
- Die viel diskutierte Rede von Kardinal Walter Kasper vor dem Konsistorium wurde mit dem Titel "Das Evangelium von der Familie" im Jahr 2014 bei Herder als Buch veröffentlicht.
- Im gleichen Jahr veröffentlichte der Würzburger Echter Verlag den Sammelband "'In der Wahrheit Christi bleiben': Ehe und Kommunion in der katholischen Kirche".