Zu Tisch mit Papst Franziskus
In der Ferienbetreuung bringt jedes Kind von zu Hause ein zweites Frühstück mit. Nur Annika nicht. Sie sagt, sie braucht das nicht. Ihre Spielkameraden erzählen den Betreuern etwas anderes: Annika hat großen Hunger. Wie die Betreuer herausfinden, ist Annikas Mutter alleinerziehend, sie arbeitet als Friseurin. Um ihre drei Kinder zu ernähren, muss sie früh aus dem Haus und kommt erst spät zurück. Obwohl sie Überstunden macht, muss sie ihr Gehalt mit Hartz IV aufstocken. Wegen des Zeit- und Geldmangels ist der Kühlschrank oft leer. Ihren Kindern morgens extra noch ein Brot zu schmieren, ist da nicht drin.
Jeder Zehnte Mensch ist arm
Das Beispiel stammt aus der Broschüre "Arm in Köln", die die Caritas in der Erzdiözese herausgegeben hat. Dass Armut in Deutschland ein Problem ist, belegen die nackten Zahlen. Rund 860.000 Menschen haben keine Wohnung. Fast jeder 20. leidet unter erheblichen materiellen Entbehrungen, kann also aus Geldmangel nicht heizen, die Miete nicht zahlen oder sich keine Waschmaschine leisten. Weltweit sieht es noch dramatischer aus: 2015 lebten knapp zehn Prozent der Weltbevölkerung oder rund 700 Millionen Menschen in absoluter Armut. Sie haben täglich weniger als 1,9 Dollar zur Verfügung – also in der Währung ihres eigenen Landes weniger, als in den USA knapp zwei Dollar wert sind.
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Weil ihm das gegen den Strich geht, hat Papst Franziskus für die katholische Kirche nun einen jährlichen "Welttag der Armen" ausgerufen. Der erste findet am kommenden Sonntag (19. November) statt. Was jeder einzelne zu diesem Tag beitragen kann, verdeutlicht unmissverständlich das gewählte Motto: "Liebt nicht in Worten, sondern in Taten." Das dazugehörige Logo zeigt zwei Menschen, die sich durch eine offene Tür die Hand reichen. In seiner im Juni erschienenen Botschaft für den Welttag schreibt Franziskus, Armut sei die Frucht "sozialer Ungerechtigkeit, moralischen Elends, der Habgier von wenigen und einer allgemein verbreiteten Gleichgültigkeit". Nicht umsonst hat das Kirchenoberhaupt den Kampf gegen Armut zu einer zentralen Aufgabe seines Pontifikats gemacht und sich nach dem heiligen Franz von Assisi benannt, der im 12. Jahrhundert ein radikales Leben für und mit den Armen führte.
Auch der Papst liebt nicht nur in Worten, sondern auch in Taten. Rund 1.500 Menschen hat er für Sonntag in die Vatikanische Audienzhalle eingeladen, um mit ihnen zu Mittag zu essen. Das Menü ist schon bekannt: Es gibt sardische Minignocchi mit Tomaten, Oliven und Käse, Kalb mit Gemüse und zum Nachtisch Tiramisu und Espresso. Zuvor feiert Franziskus im Petersdom eine Heilige Messe, zu der rund 4.000 Bedürftige erwartet werden. Diejenigen von ihnen, die anschließend keinen Platz in der Audienzhalle finden, bekommen an anderen Orten Roms ein kostenloses Essen. Schon seit Montag stehen zudem auf der Piazza Pio XII. vor dem Petersdom ambulante Krankenstationen, die kostenlos Untersuchungen und Beratungen bieten. Am Donnerstag kam Franziskus dort zu einem kurzen Blitzbesuch vorbei.
Auch die Weltkirche hat Franziskus aufgefordert, am Sonntag auf die Armen zuzugehen. Wie die Deutsche Bischofskonferenz mitteilte, ist das konkrete Vorgehen hierzulande den jeweiligen Bistümern und Gemeinden überlassen. Auch der Deutsche Caritasverband hat keine deutschlandweite Aktion geplant. In den Bistümern wird der Welttag der Armen unterschiedlich begangen: Während es etwa in Köln einen Gottesdienst für Bedürftige mit Generalvikar Dominik Meiering gibt und in Hamburg gleich einen ganzen Tag der Begegnung, haben andere Diözesen nichts Konkretes geplant.
"Liebt nicht mit Worten sondern in Taten"
Unverschämter Reichtum einerseits, beleidigende Ausbeutung andererseits. Das zwingt zum Handeln, sagt Papst Franziskus in seiner Botschaft zum Welttag der Armen. Katholisch.de dokumentiert sie im Wortlaut.Es mangelt aber nicht an entschiedenen Appellen und Aufrufen der deutschen Kirchenvertreter. Entscheider und Strukturen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung müssten sich stärker am Gemeinwohl orientieren, fordern gemeinsam Weltkirche-Bischof Ludwig Schick, Caritas-Bischof Stephan Burger und Bischof Franz-Josef Bode, der Vorsitzende der Pastoralkommission. Caritas-Präsident Peter Neher will, dass die neue Bundesregierung mehr gegen Armut von Kindern, Familien und alten Menschen tut. Und die Hilfswerke Adveniat und Misereor fordern Politik und Gesellschaft gemeinsam dazu auf, die "weltweite Ungleichheit entschlossener zu bekämpfen".
Sachspenden absprechen
Doch wie kann sich jeder einzelne bei der von Franziskus eingeforderten Begegnung mit Armen verhalten – auch jenseits des Welttags? Dazu gibt die Broschüre der Caritas konkrete Tipps: "Mit Auskunft helfen", lautet einer. Vielleicht sei ja schon der Hinweis auf die nächste Tafel hilfreich; gleichzeitig müsse man aber auch akzeptieren, wenn Bedürftige diese Information gar nicht wollten. Außerdem sollte man geben, was gebraucht wird – und das sei eben oft Geld. Sachspenden sollten vorher mit den Bedürftigen abgesprochen werden. Und es gibt noch einen ganz einfachen Tipp: "Sehen Sie den Menschen". Dem anderen Aufmerksamkeit schenken, ohne Angst, aber auch überbordende Zuneigung sollte hinten angestellt werden. Hört sich doch gar nicht so schwer an.