Worte gegen Waffen
Mordkommandos von Polizei und SS setzten die von den Nazis angestrebte "Vernichtung der polnischen Intelligenz" in die Tat um und ermordeten Tausende Intellektuelle, Geistliche und Ärzte, aber auch Arbeiter und Gewerkschafter.
Angesichts des deutschen Wütens in dem katholischen Land müsste der Papst "Worte des Feuers" schleudern, sagte Pius XII. im Mai 1940 dem italienischen Botschafter. "Doch einzig das Wissen, dass Unser Sprechen die Situation der Unglücklichen noch verschlimmern würde, hindert Uns daran." In diesen Worten zeigt sich die ganze Tragik des aus einer römischen Juristenfamilie stammenden Eugenio Pacelli.
"Hitler's Pope"?
Pius XII. ist - in der Folge von Rolf Hochhuths 1963 erschienenem Schauspiel "Der Stellvertreter" - eine der umstrittensten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts - für die einen "Hitler's Pope" (John Cornwell), für die anderen "größter jemals lebender Wohltäter des jüdischen Volkes" (Pinchas Lapide).
Dabei dürften nach Überzeugung des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubert Wolf gerade die zwölf deutschen Jahre - von 1917 bis 1929 war Pacelli Päpstlicher Botschafter in Bayern und Berlin - seine Politik als Papst gegenüber dem " Dritten Reich " entscheidend beeinflusst haben.
Seelsorgliches Desaster
Wolf geht von zwei prägenden Traumata des späteren Papstes aus: Zum einen wurde Pacelli beeindruckt von den Erfahrungen der deutschen Katholiken im Kulturkampf. Wegen der Auseinandersetzungen mit Bismarcks Preußen waren nach 1870 Tausende Pfarreien unbesetzt geblieben, und zahlreiche Gläubige starben ohne die Sakramente der Letzten Ölung, der Eucharistie und der Beichte. Ein seelsorgliches Desaster, das sich nach Meinung Pacellis auf keinen Fall wiederholen durfte. Politische Fragen, aber auch das Engagement für die Rechte anderer Verfolgter, hatten im Zweifelsfall zurückzustehen.
Ein anderes Trauma verursachte der Fehlschlag der Friedensinitiative von Papst Benedikt XV. 1917 im Ersten Weltkrieg. Pacelli zog daraus den Schluss, dass sich der Heilige Stuhl bei internationalen Konflikten strikt unparteilich verhalten müsse. Auch im Zweiten Weltkrieg folgte Pius XII. der Maxime einer "universalen Mission der katholischen Kirche für alle Menschen", egal welcher Religion.
Pius XII. leistete humanitäre Hilfe, wo immer möglich. Nur wenige Tage nach Kriegsbeginn ordnete er die Gründung eines Informationsbüros für Kriegsgefangene an, eine Anlaufstelle für täglich Hunderte von Anfragen über das Schicksal von Kriegsgefangenen, Verschollenen und Deportierten. Direkt und indirekt ermöglichte er Hunderten Juden die Flucht oder ein Versteck in kirchlichen Einrichtungen.
Täter und Opfer werden nicht genannt
Doch päpstliche Überparteilichkeit angesichts des Völkermords und der deutschen Verbrechen? Das "Schweigen des Papstes" angesichts von Vernichtungskrieg und Holocaust bedeutet für Kritiker ein schweres moralisches Versagen. Allerdings macht der Kirchenhistoriker Thomas Brechenmacher deutlich, dass der Papst - indirekt und diplomatisch stark verklausuliert - doch vom Grundsatz der Überparteilichkeit abrückte: So prangerte er im Mai 1940 die Verletzung der Neutralität der Benelux-Länder durch die Wehrmacht an.
„Nichts ist verloren durch den Frieden, alles kann verloren werden durch den Krieg.“
Und in seiner Weihnachtsansprache 1942 gedachte der Papst der "vielen Hunderttausend Menschen, die ohne den Hauch einer eigenen Schuld, sondern allein aufgrund ihrer Nationalität oder ihrer Herkunft zum Tod oder zu langsamer Verelendung verurteilt sind". Diese Radioansprache war sein deutlichster Protest gegen die Vernichtung der Juden. Täter und Opfer wurden nicht genannt.
Von Christoph Arens (KNA)