Routine oder Revolution?
Auf der Homepage der Bischofskonferenz von England und Wales ist der Fragebogen bereits jetzt als Download verfügbar. Zudem haben die Bischöfe von der britischen Insel eine Online-Umfrage zu Ehe und Familie für jedermann freigeschaltet. Die Deutsche Bischofskonferenz reagiert zurückhaltender: "Bei dem Fragenkatalog handelt es sich um ein umfassendes Papier, das zahlreiche Themen aufgreift", erklärt eine Sprecherin. Ein Katalog wie dieser gehe den nationalen Bischofskonferenzen vor jeder in Rom tagenden Bischofssynode zu. Das weitere Vorgehen werde beim Treffen der Diözesanbischöfe Ende November beraten. Der Vatikan dagegen und will am Dienstagnachmittag mehr dazu bekannt geben.
Zeitung präsentiert deutsche Fassung
Ist das Papier also Routine oder Revolution? Gegenüber katholisch.de gibt sich der deutsche Vatikanexperte Ulrich Nersinger salomonisch: "Mit dem Wort Revolution wäre ich vorsichtig, aber ich denke, es handelt sich hier schon um eine Erweiterung des Fokus', die ganz klar die Handschrift von Papst Franziskus trägt", sagt er. Der Fragebogen sei ein "Zeichen, dass solche Beratungen in Zukunft auf eine breitere Basis gestellt werden sollen".
In dem Fragebogen (siehe Kasten), dessen deutsche Fassung bereits auf der Webseite der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" einsehbar ist, wollen die Verantwortlichen unter anderem wissen, in wie weit die Kirchenlehre zu Familie, Ehe und Elternschaft im jeweiligen Land bekannt ist und akzeptiert wird. Auch Fragen nach der Situation von wiederverheirateten Geschiedenen und Homosexuellen finden sich; unter anderem wird die Glaubensweitergabe bei Kindern gleichgeschlechtlicher Paare thematisiert.
„Mit dem Wort Revolution wäre ich vorsichtig, aber ich denke, es handelt sich hier schon um eine Erweiterung des Fokus', die ganz klar die Handschrift von Papst Franziskus trägt.“
Dass nicht schon unter früher eine ähnliche Initiative aus dem Vatikan kam, führt der Experte weniger auf "ideologische", denn auf praktische und logistische Gründe zurück: "Bisher wurde bei der Meinungsbildung vor allem auf Gremien und Fachleute zurückgegriffen", sagt er. Falls es tatsächlich eine Umfrage geben solle, bei der die Gläubigen aus eigener Initiative teilnehmen oder nicht teilnehmen könnten, stelle sich außerdem die Frage, wie repräsentativ diese sei. Auch die Gefahr einer Einflussnahme kirchlicher Interessengruppen, sei es aus dem konservativen oder liberalen Lager, sei dann gegeben.
Hinzu komme der logistische Aspekt: "Da sehe ich ein großes Problem. Denn das Zeitfenster, um die Ergebnisse der Umfrage an den Vatikan zurückzuschicken, ist doch sehr kurz", so Nersinger: "Und ich beneide die Menschen nicht, die die Ergebnisse gewichten und zu einer Synthese zusammenfassen müssen". Bis Ende Januar soll dem Vatikan eine Zusammenfassung der Antworten zugeschickt werden.
Experte: Der Papst setzt Akzente
So ist für den Theologen und Publizisten klar, dass die Befragung - egal an welche Ebene sie sich letztendlich wendet - nur eine Hilfe sein kann für die Bischöfe und Fachleute, die im kommenden Jahr bei der Synode in Rom zusammenkommen. Auch Franziskus werde die Ergebnisse nicht unwesentlich mitbestimmen: "Jeder Papst setzt natürlich eigene Akzente. Und es hat sich gezeigt, dass dieser Papst besonders akzentuierfreudig ist", erklärt Nersinger.
Dass der Papst durch manche Äußerung innerhalb und außerhalb der Kirche Hoffnungen auf einen lockeren Umgang mit moralischen Fragen geweckt hat, kann Nersinger nachvollziehen. In welche Richtung es tatsächlich geht, sei aber noch unklar: "Franziskus geht zwar im Einzelfall sehr auf den einzelnen Menschen zu und sieht sein Schicksal, aber er hat doch seine generellen Vorstellungen".
Dass nach der Synode beispielsweise wiederverheiratete Geschiedene ganz offiziell zur Kommunion gehen dürfen, kann sich Nersinger jedenfalls nicht vorstellen. Er sieht eher den Weg, mehr auf bereits bestehende Möglichkeiten zurückzugreifen: "Die Möglichkeit, Ehen zu annullieren, die das Kirchenrecht vorsieht, ist in der Vergangenheit viel zu wenig genutzt worden".
Von Gabriele Höfling und Christoph Meurer