"Nein, gewiss nicht"
Kardinal Burke wurde nicht strafversetzt
So widersprach Franziskus Deutungen, er habe Burke wegen dessen Äußerungen während der Bischofssynode strafversetzt. Er habe dem Kurienkardinal schon lange vor der Synode den Vorschlag gemacht, von der Spitze des obersten vatikanischen Gerichtshofs zum Malteserorden zu wechseln, erklärte der Papst in einem Interview der argentinischen Zeitung "La Nacion". Burke hatte sich während der Synode mit deutlichen Worten gegen Änderungen in der kirchlichen Praxis gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen oder Homosexuellen ausgesprochen. Der 66-Jährige gilt als einer der profilierten Vertreter des konservativen Flügels im Kardinalskollegium.
Burke sei eines Tages zu ihm gekommen und habe ihn gefragt, warum er in seinem Amt noch nicht bestätigt worden sei, berichtete Franziskus in dem Interview. Er, der Papst, habe darauf verwiesen, dass sein Kardinalsrat für die Kurienreform noch nicht über eine Neustrukturierung der vatikanischen Gerichte befunden habe. Dann habe er die Anfrage des Malteserordens nach einem neuen Kardinalpatron erhalten. Da sei ihm Burke in den Sinn gekommen, weil dieser sich als US-Amerikaner in dem Ambiente bewegen könne.
Normaler Wechsel bei Schweizergarde-Chef
Weiter trat der Papst Spekulationen entgegen, er habe den Kommandanten der Schweizergarde, Daniel Anrig, wegen überzogener Strenge entlassen. "Nein, gewiss nicht", es handle sich um einen "ganz normalen Wechsel. Da gibt es nichts Merkwürdiges", so Franziskus. Ebenso wies er Mutmaßungen zurück, die neu renovierte Wohnung des Kommandanten sei ihm zu großzügig gewesen. Er verwies darauf, dass der Kommandant vier Kinder habe.
Franziskus erklärte, er sei nach einem Besuch des Quartiers der Schweizergarde zu der Auffassung gekommen, dass eine "Erneuerung" gut tun würde. "Niemand ist ewig." Franziskus würdigte Anrig als "exzellente Persönlichkeit" und "guten Katholiken". Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Der Papst sagte weiter, die fünfjährige Amtszeit Anrigs sei eigentlich zwei Monate nach der Papstwahl im März 2013 abgelaufen. Er habe damals keine endgültige Entscheidung fällen wollen, sondern das Mandat Anrigs vorläufig verlängert.
Frauen in Kurienämtern vorstellbar
In dem Interview sagt der Papst, dass er sich auch eine Frau oder ein Ehepaar als Verantwortliche für Familien oder Laien in der Kirchenleitung vorstellen könne. An der Spitze einer Kongregation müsse allerdings stets ein Kardinal bleiben. Die Kurienbehörden für Familien und Laien müssten kompetenten Personen geleitet werden; dies könnten Männer, Frauen oder Ehepaare sein, so Franziskus. Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga hatte jüngst einen ähnlichen Vorschlag geäußert.
Die vatikanischen Ministerien sind in Kongregationen und Päpstliche Räte unterteilt. Die Kongregationen sind für die kirchlichen Kernaufgaben zuständig und haben jurisdiktionelle Befugnisse, etwa für Priester, Bischöfe, die Glaubenslehre oder den Gottesdienst. Päpstliche Räte hingegen sind in erster Linie Einrichtung zur Förderung bestimmter Themen, etwa Familie oder Ökumene.
Debatte über Geschiedene nicht verengen
In der Debatte über den kirchlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen wandte sich Franziskus gegen eine Verengung auf die Frage des Kommunionempfangs. Seine eigene Position ließ er zugleich weiter offen. "Das allein kann keine Lösung sein, die Lösung ist die Integration", sagte er. Konkret regte Franziskus an, etwa den Ausschluss von wiederverheirateten Geschiedenen vom Patenamt oder vom Dienst des Kommunionhelfers zu überdenken. Die Betreffenden seien nicht exkommuniziert, praktisch würden sie jedoch so behandelt, beklagte er.
Zum Vorschlag des deutschen Kardinals Walter Kasper, den bisherigen Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von der Kommunion zu überdenken, sagte der Papst, Kasper habe Thesen aufgestellt, die "einige Theologen" erschreckt hätten. Sie hätten eine Zulassung zur Eucharistie abgelehnt, gleichzeitig jene zur sogenannten geistlichen Kommunion jedoch befürwortet. Wörtlich fuhr der Papst fort: "Sag mir: Braucht man die Gnade Gottes nicht, um die geistliche Kommunion zu empfangen?"
Bischofssynode ist kein Parlament
Zur Institution Synode sagte Franziskus, dass sie "kein parlamentarischer Prozess, sondern ein geschützter Raum" sei. Es sei wahr, dass es während des Bischofstreffens im Oktober im Vatikan unterschiedliche Positionen gegeben habe. Dabei sei es um ein "Stadium des Suchens nach der Wahrheit" gegangen. Für jene Teilnehmer, die in ihren Positionen sehr festgelegt seien, müsse man beten, dass der Heilige Geist sie wandle, so Franziskus.
Indirekt verteidigte der Papst damit auch die Entscheidung, die Redebeiträge der Bischöfe während der Synode nicht wie bisher zu veröffentlichen. Dies war von einigen Teilnehmern als mangelnde Transparenz kritisiert worden. Franziskus stellte zugleich klar, dass die Bischofssynode beim Thema Homosexualität nicht in erster Linie über Lebensgemeinschaften gesprochen habe. Eigentlicher Gegenstand sei vielmehr der Umgang von Familien mit ihren homosexuellen Kindern gewesen.
Das Interview war nach Angaben der Zeitung am Donnerstag im vatikanischen Gästehaus Santa Marta geführt worden. Die Vatikan-Korrespondentin von "La Nacion", Elisabetta Pique, ist eine persönliche Bekannte des Papstes. (mit Material von KNA)
Von Agathe Lukassek