Der Winter kann kommen

Veröffentlicht am 04.11.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Denkmalpflege

Xanten ‐ Spätestens im Winter wird es wieder Diskussionen geben: "Huch, war das wieder kalt", murren die Einen. "Man hätte durchaus mal die Heizung anwerfen können", beschweren sich die Anderen. In einigen Kirchen zieht es wie Hechtsuppe: Die Türen haben sich im Laufe der Jahre verzogen, durch die Spalten dringt Kälte ein. Durch Risse im Gemäuer und undichte Fenster pfeift der Wind. Die Temperatur in einer Kirche einigermaßen konstant zu halten ist aufwändig und kostet viel Geld.

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Pfarrer und Gemeinderäte grübeln, wie sie ihre Heizkosten senken können; mollig warm wird es in ihren Kirchen jedoch selten. Energie-Effizienz ist das Stichwort, nicht nur im Hinblick auf das Gemeindebudget, auch der schonende Umgang mit Ressourcen im Hinblick auf die Bewahrung der Schöpfung spielt eine wichtige Rolle.

Solarzellen auf das Dach des Ulmer Münsters?

Klingt einleuchtend, der Teufel steckt jedoch im Detail: Soll der Dombaumeister zu Köln seinen Dom wirklich mit Dämmmaterial verkleiden? Sollen Kirchenfenster, die vor Jahrhunderten eingebaut wurden und Glasmalereien von unschätzbarem Wert enthalten, durch moderne dreifachverglaste Fenster ersetzt werden? Sind Solarzellen auf dem Dach des Ulmer Münsters wirklich die Lösung? Energiesanierung und Denkmalschutz sind zwei Seiten einer Medaille, die es sorgsam abzuwägen gilt. In Xanten ist man sich dieses Problems bewusst und hat vor kurzem ein Projekt abgeschlossen, dass beide Seiten miteinander vereint - und noch dazu Vorbild sein könnte für andere Kirchen in Deutschland.

Bereits von der Bundesstraße 57 aus fällt auf, wie sehr die beiden Türme des St.-Viktor-Doms, dem Papst Papst Pius XI. 1937 der Titel einer Basilica minor verlieh, die Silhouette der Stadt prägen. Der Weg vom Marktplatz zum Domkapitel ist vom Herbst geprägt: Blätter liegen überall verteilt und knirschen beim Auftreten.

Wasser kondensiert an den kältesten Stellen

Im Gebäude des Stiftmuseums hat die Dombauhütte ihre Heimat und Dombaumeister Johannes Schubert sein Büro. Der gelernte Steinmetz ist sofort Feuer und Flamme, wenn es um "sein" Projekt geht: "Wir haben hier wertvolle Glasmalereien, die wollten wir schützen. Das war zunächst der eigentliche Ansatz." Als 2001 Post aus dem Bistum Münster auf seinem Schreibtisch lag, in dem der damalige Bischof Reinhard Lettmann die Gemeinden anhielt, bei sämtlichen Umbauten auch die Energiesanierung im Auge zu behalten, kam Schubert eine Idee: Statt die alten Scheiben nur mit Verbunds-Sicherheitsglas zu schützen, könnten er und seine sieben Mitarbeiter auch gleich Isolierglas einbauen.

Dombaumeister Johannes Schubert ist sofort Feuer und Flamme, wenn es um "sein" Projekt geht - die aufwändige Sanierung der Fenster im Xantener Dom.
Bild: ©Michael Richmann/katholisch.de

Dombaumeister Johannes Schubert ist sofort Feuer und Flamme, wenn es um "sein" Projekt geht - die aufwändige Sanierung der Fenster im Xantener Dom.

"Allerdings mussten wir aufpassen, dass wir es mit der Isolierung der Fenster nicht übertreiben", erinnert sich Schubert. Was zunächst seltsam klingt, macht nach einer kurzen Erläuterung viel Sinn: Wie der Dombaumeister erklärt, muss bei einer kirchlichen Gebäudesanierung stets das gesamte Gebäude im Blick gehalten werden. Denn das in der Luft enthaltende Wasser kondensiert stets an den kältesten Stellen. Meist sind das die Fenster, die beschlagen, wenn es drinnen wärmer ist als draußen. Wenn das Glas jedoch voll isoliert wird, gehört es plötzlich zu den wärmsten Flächen im Dom, und das Wasser lagert sich an den Wänden ab. Das Resultat: Schimmel. "Wir wollten ja nicht von einem Extrem ins andere fallen", erläutert Schubert.

Um auf jeden Fall zu verhindern, dass sich an den Wänden Schimmel bildet, werden derzeit Heizschläuche verlegt, die unmittelbar vor den Innenwänden platziert werden. Wie bei einer Fußbodenheizung verhindert diese Sockelwärme, dass die Wände feucht und zu schnell kalt werden – die Energie wird mit einer Wärmepumpe aus dem Erdboden gewonnen.

Sensoren messen die Feuchtigkeit

Wie die Sanierung der Fenster funktionierte, erläutert Schubert anhand eines Modells: Die alten Fenster wurden ausgebaut und aufwändig restauriert. In der Zwischenzeit wurde ISO-Glas in die alten Rahmen eingepasst und mit Isolierband abgedichtet. Anschließend wurden die alten Scheiben mit einem kleinen Abstand hinter die neuen Fenster gesetzt. "Die neuen Scheiben filtern das UV-Licht. Ein zusätzlicher Schutz für die Fenster, die zuvor ja über die Jahrhunderte Wind und Wetter ausgesetzt waren", so Schubert. Der Abstand zwischen der ISO-Scheibe und dem Bleiglas ermöglicht, dass dazwischen Luft zirkuliert.

Elf Fenster wurden nach und nach ausgetauscht, in zwei Fenstern sind Sensoren eingebaut, die die Temperatur, den Tauwasserausfall und die Feuchte messen. Damit will Schubert das Mikroklima im Inneren der Kirche erforschen: "Wir kennen den Dom schon ganz gut, aber immer noch nicht gut genug, daher machen wir diese Untersuchung." Das Forschungsprojekt kostet rund 90.000 Euro, die je zur Hälfte von der Dombauhütte und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt bezahlt werden. Der gesamte Umbau hat etwa 400.000 Euro gekostet. So wurden nach und nach circa 600 Quadratmeter Fensterfläche ausgetauscht. Wer von außen auf den Dom schaut, erkennt die Änderung sofort, von innen fällt jedoch kaum auf, dass an den Fenstern etwas verändert wurde.

Wind, Regen, Touristen und Kerzen

Für Schubert hat das Projekt einen gewissen Vorbildcharakter. Er betont aber, dass sich das Modell nicht Eins zu Eins auf andere Kirchen übertragen lasse, sondern die spezifischen Bedinungen des jeweiligen Kirchenbaus berücksichtigt werden müssten: "Das kann im Kölner Dom schon alles ganz anders sein. Es kommt ja immer darauf an, welchen Umwelteinflüssen eine Kirche ausgesetzt ist, ob sie im Wind steht oder in einer Region, in der es häufiger regnet als hier. Dann muss man auch sehen, was im Inneren passiert: Kommen viele Touristen, sind in dem Raum viele Kerzen, wie oft und wie schnell kann man lüften – das spielt alles eine Rolle."

Von Michael Richmann