Die Menschen mit der Botschaft des Glaubens in Berührung bringen
Unter den deutschen Bischöfen ist er der Hirte mit der kleinsten Herde, doch verstecken muss sich Wolfgang Ipolt trotzdem nicht. Immerhin steht Ipolt als Bischof von Görlitz einem Bistum vor, in dem die Zahl der Katholiken seit einigen Jahren entgegen dem bundesweiten Trend leicht ansteigt und sonntags so viele Gläubige einen Gottesdienst besuchen wie nirgendwo sonst in Deutschland – Zahlen, auf die das kleine Bistum an der deutsch-polnischen Grenze und sein Oberhirte durchaus stolz sein können. Und es gibt noch einen Grund zum Feiern: An diesem Sonntag wird Wolfgang Ipolt 65 Jahre alt.
Geboren wurde Ipolt am 17. März 1954 im thüringischen Gotha. Nach dem Abitur an der Arnoldischule in seiner Heimatstadt studierte er von 1973 bis 1977 in Erfurt Theologie, unmittelbar danach absolvierte er ein zweijähriges Pastoralseminar in Neuzelle. Die Zeit dort war Ipolts erste Begegnung mit seinem heutigen Bistum, dessen wichtigster Wallfahrtsort Neuzelle ist. "Das war schon schön damals", erinnerte er sich im vergangenen Jahr.
Kirche in der DDR als "Ort der Freiheit"
Besonders habe ihm gefallen, dass man in Neuzelle Theologiestudierende aus fast der ganzen DDR getroffen habe, so Ipolt. Die Kirche sei für ihn im religionsfeindlichen Arbeiter-und-Bauern-Staat immer ein "Ort der Freiheit" gewesen. "Das war der Ort, wo wir wussten: Hier kannst du sagen, was du denkst, und es wird dich keiner anzeigen", erzählte er vor einigen Jahren in einem Interview. Im geschützten Raum der Kirche habe man nicht nur über die Bibel gesprochen, sondern auch darüber, wie man sich als Christ im SED-Staat positionieren sollte. Außerhalb der Kirchenmauern war das für Christen in der DDR kaum möglich. "Wer zu deutlich und profiliert – sagen wir: im öffentlichen Raum – Christ sein wollte, der wurde in die Schranken gewiesen", so Ipolt.
Nach dem Ende seiner Ausbildung und seiner Priesterweihe am 30. Juni 1979 durch Bischof Hugo Aufderbeck im Erfurter Dom wurde Ipolt zunächst Kaplan in Worbis im katholisch geprägten Eichsfeld. 1983 wechselte er dann zur Unterstützung der Seelsorge in die Pfarrei Ss. Corpus Christi in Ost-Berlin, bevor er wiederum zwei Jahre später Kaplan in der Pfarrei St. Lorenz in Erfurt wurde.
1989 wurde Ipolt Subregens des Erfurter Priesterseminars, dem zentralen Ausbildungsort für angehende Priester in der DDR. Parallel zu seiner Tätigkeit im Seminar erwarb er das theologische Lizenziat im Fach Pastoraltheologie mit einer Arbeit über die Katechese in der DDR. 1992 verließ Ipolt dann zunächst das Priesterseminar, um Pfarrer am Nordhäuser Dom im Norden Thüringens zu werden. Auf dieser Stelle blieb er zwölf Jahre, ehe er im November 2004 als Nachfolger von Ulrich Werbs schließlich zum Regens des Erfurter Priesterseminars berufen wurde.
"Den Duft der Erkenntnis Christi verbreiten"
Von dieser Aufgabe aus wurde Ipolt am 18. Juni 2011 von Papst Benedikt XVI. (2005-2013) zum Bischof von Görlitz ernannt, die Bischofsweihe erfolgte rund zwei Monate später durch den Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki. Mitkonsekratoren in der Kathedrale St. Jakobus in Görlitz waren der Erfurter Bischof Joachim Wanke und Augsburgs Bischof Konrad Zdarsa, der Vorgänger Ipolts auf dem Bischofsstuhl in der Neißestadt. Als bischöflichen Wahlspruch wählte sich Ipolt eine Stelle aus dem 2. Korintherbrief: "Odorem notitiae Christi manifestare" – "Den Duft der Erkenntnis Christi verbreiten".
Diesem Leitmotto folgend übt Ipolt inzwischen im achten Jahr sein Bischofsamt aus – in einem Bistum, in dem nur rund vier Prozent der Menschen überhaupt katholisch sind. Angesichts dieser extremen Diasporasituation, so Ipolt schon vor seinem Amtsantritt, müsse die Kirche sehen, "dass sie sich nicht nur selber genügt, sondern dass möglichst viele Menschen mit der Botschaft des Glaubens in Berührung kommen". Die besondere Herausforderung in der Lausitz sei es dabei, dass vielerorts nur kleine katholische Gemeinden existierten, die mit wenigen Kräften arbeiten müssten.
Eine weitere Herausforderung für das Bistum – gerade auch vor dem Hintergrund der Diasporasituation – ist der seit einigen Jahren stetig anhaltende Zuzug von Katholiken aus dem benachbarten Polen. In manchen Pfarreien der Diözese, unter anderem in der Grenzstadt Guben, haben mittlerweile rund 50 Prozent der Gläubigen polnische Wurzeln. "Unsere Art, katholische Kirche zu leben, ist anders als in Polen", so Ipolt über das mitunter schwierige Miteinander von deutschen und polnischen Katholiken. Umso wichtiger sei es, den Zuzüglern Ansprechpartner zu nennen, die ihnen bei der Integration in den Pfarrgemeinden helfen könnten. In der über viele Jahre von Abwanderung geplagten Region sei es vor allem notwendig, junge Familien in den Gemeinden willkommen zu heißen.
Als bisheriges "Meisterstück" von Ipolts Amtszeit kann die Neugründung des Zisterzienserklosters in Neuzelle gelten. Über mehrere Jahre hinweg hatte der Bischof mit großer Beharrlichkeit bei den Zisterziensern im österreichischen Stift Heiligenkreuz für seine Idee geworben, dass 1817 geschlossene Kloster wiederzubeleben – letztlich mit Erfolg. Seit September vergangenen Jahres leben wieder sechs Mönche in Neuzelle.
Kloster Neuzelle als "Biotop des Glaubens"
Geht es nach Ipolt, entwickelt sich das Kloster ganz im Norden seines Bistums in den kommenden Jahren zu einem "Biotop des Glaubens", das Menschen neu angeregt und bestärkt, selbst Christ zu sein. "Ich erhoffe mir, dass sich Neuzelle durch die Präsenz der Zisterzienser noch stärker zu einem geistlichen Mittelpunkt für die Katholiken, aber auch für suchende Menschen in unserer Region entwickelt", so der Bischof.
Aber auch über sein Bistum hinaus ist Ipolt engagiert. In der Deutschen Bischofskonferenz ist er stellvertretender Vorsitzender der Kommission Weltkirche und dort – als Görlitzer Bischof mit traditionell engen Kontakten nach Polen – zudem Mitglied der Unterkommission für Mittel- und Osteuropa; außerdem ist er Mitglied der Pastoralkommission. Im Streit um den Kommunionempfang für evangelische Ehepartner positionierte sich Ipolt im vergangenen Jahr auf der Seite der konservativen Minderheit. Nachdem die Bischofskonferenz mit großer Mehrheit eine Handreichung über den Kommunionempfang für nichtkatholische Ehepartner beschlossen hatte, wandten sich Ipolt und sechs weitere Bischöfe in einem Brief an Papst Franziskus und baten um Klärung der Frage, ob eine solche Regelung von einer einzelnen Bischofskonferenz beschlossen werden könne. Die Auseinandersetzung der Bischöfe hatte die Kirche in Deutschland über Monate hinweg belastet, ehe schließlich beschlossen wurde, dass jeder Bischof in seinem Bistum selbst über die Frage entscheiden darf.