Kein Opfer mehr sein
Ex-Partner der Frauen, die hier Zuflucht gesucht haben. Sila ist eine von ihnen. Die 25-Jährige kam weit her aus einer Stadt im Westen Deutschlands. Seit vier Wochen wohnt sie mit ihren beiden kleinen Kindern in einem 16-Quadratmeter-Zimmer und sagt: "Ich geh' nicht zu ihm zurück."
Silas Geschichte kommt mit wenig Worten aus: Mit 20 lernt die bildhübsche junge Frau mit türkischen Wurzeln ihren späteren Mann kennen, ein Jahr später heiraten die beiden. Eine Ausbildung oder einen festen Job haben sie nicht, dafür aber bald ein erstes Kind. "Seit die Kleine auf der Welt war, hatten wir Eheprobleme", erzählt Sila, während die quirlige zweijährige Tochter durchs Zimmer turnt.
Stichwort: Weltfrauentag
Der Weltfrauentag entstand in der Zeit um den Ersten Weltkrieg im Kampf um die Gleichberechtigung und das Wahlrecht für Frauen. Seit 1977 ist der 8. März offiziell Internationaler Frauentag der UN. In Deutschland finden an diesem Tag Demonstrationen, Vorträge und Aktionen für Frauenrechte statt. Auf der Agenda stehen neben Fragen der Gleichberechtigung etwa auf dem Arbeitsmarkt auch der Kampf gegen Gewalt an Frauen. Mehr zur Geschichte des Weltfrauentags Frauen in Deutschland in heutiger ZeitZwar fand ihr Mann schließlich einen Job, aber die Stimmung daheim wurde nicht besser. "Er kam nach Hause, legte sich aufs Sofa und war für keinen mehr ansprechbar. Er beschwerte sich, weil er arbeiten gehen sollte - für uns. Umgekehrt wollte er aber auch nicht, dass ich arbeite."
Die Situation schaukelt sich hoch
"Er schlug mich, er vergewaltigte mich auch", erzählt Sila nach einer Weile. Sie wurde erneut schwanger - der kleine Sohn ist heute vier Monate alt. "Aber auch nach der zweiten Entbindung und vielen Versprechungen von ihm wurde es mit uns nicht besser."
Und schon vorher war es der jungen Frau elend gegangen: "Ich habe früher viel gelacht, aber jetzt hatte ich Selbstmordgedanken." Ihr Mann verbot ihr den Kontakt zu ihren Freundinnen, schnitt ihr Handykabel durch. Und auch ihre eigene Familie gab Sila keinen Halt. "Meiner Mutter hatte ich alles erzählt. Aber sie sagte bloß immer: Du musst bei ihm bleiben wegen der Kinder."
Als Silas Mann ihr kurz nach der Geburt des zweiten Kindes im Streit ins Gesicht spuckt, ist der Punkt erreicht, an dem Sila Nein sagt - und die Polizei ruft, wie sie berichtet. "Ich war so weich, ich hab mich so oft von ihm überreden lassen und mich immer nach anderen gerichtet", räumt sie ein. Das will sie nun nicht mehr.
Wenn sie in dem kleinen Zimmer - vollgestellt mit wäschebehangenem Babybett und Kinderwagen - am Fenster steht, guckt sie nicht nur auf den vorfrühlingshaften Garten. Sondern auch in die Zukunft, die für sie in Berlin liegt. Sie hofft auf eine Wohnung, und eine Ausbildungsstelle als Friseurin: "Ich will jetzt eine starke Frau sein."
Hilfe und Beratung für Frauen
Eine Liste von Frauenhäusern in katholischer Trägerschaft finden Sie unter http://www.skf-zentrale.de/86194.html. Mehr über Frauenseelsorge erfahren Sie hier: http://www.frauenseelsorge.de.Welttag der Frauen
Es sind Frauen wie Sila und Schicksale wie ihres, die am jährlichen Welttag der Frau aus ihrem Schattendasein ins Licht rücken. Denn es handelt sich hier nicht um Einzelfälle, wie eine aktuelle Studie der EU zur Gewalt gegen Frauen zeigt. So hat jede dritte Frau in der Europäischen Union seit ihrer Jugend schon körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. Das sind etwa 62 Millionen, wie die EU-Grundrechte-Agentur (FRA) berichtete. Fünf Prozent davon sind vergewaltigt worden.
In Deutschland suchen etwa 20.000 Frauen und fast genauso viele Kinder jedes Jahr Zuflucht in einem der 350 Frauenhäuser. Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) bietet eine Übersicht über Frauenhäuser in katholischer Trägerschaft. "Seit zwei Jahren sind wir komplett belegt. Die Nachfragen steigen ständig", berichtet Hausleiterin Pari Teimoori des Bora Hauses, in dem Sila untergekommen ist. "Das Wissen ist größer geworden, die Frauen trauen sich heute eher, Hilfe zu holen", sagt Teimoori. 24 Zimmer mit 53 Plätzen bietet das Haus Frauen und Kindern in Krisensituationen. 2013 fanden dort 155 Frauen Unterschlupf. Ebenso viele mussten abgewiesen werden.
Auch SOLWODI bietet Frauen Hilfe und Zuflucht, die Gewalt erfahren haben. Seit 25 Jahren kümmert sich die katholische Hilfsorganisation um Opfer von Menschenhändlern, die in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden. Allein in einem fremden Land, ohne Sprachkenntnisse, sind sie besonders hilfslos der Gewalt ausgesetzt. SOLWODI berät die Frauen deutschlandweit in zwölf Beratungsstellen. Sie erhalten Schutz, psychologische und medizinische Hilfe und juristischen Beistand.
Anlässlich des Weltfrauentages ruft SOLWODI dazu auf, die Kampagne "Mach den Schluss-STRICH! Keine Frauensklaverei in Deutschland" zu unterstützen. Die Aktion fordert ein Verbot des Kaufs von sexuellen Dienstleistungen in Deutschland. Bisher haben nach Angaben der Hilfsorganisation rund 18.200 Unterstützer unterzeichnet. Die 20.000 soll am Internationalen Frauentag geknackt werden. "Es ist überwältigend, wie viele Menschen an unserer Seite stehen", freut sich SOLWODI-Gründerin Schwester Lea Ackermann. Gerade habe das Europäische Parlament eine Resolution verabschiedet, die alle Mitgliedstaaten auffordert, den Kauf von sexuellen Dienstleistungen unter Strafe zu stellen. "Das ist genau unsere Forderung!"
Von Janina Mogendorf (Mit Material von dpa)