Hubert Wolf sieht Paradigmenwechsel in päpstlicher Lehrverkündigung

Kirchenhistoriker: Papstschreiben ist revolutionär

Veröffentlicht am 11.04.2016 um 09:25 Uhr – Lesedauer: 
Hubert Wolf im Porträt
Bild: © KNA
Familiensynode

München  ‐ Laut dem Münsteraner Theologen Hubert Wolf vollzieht der Papst mit "Amoris Laetitia" einen "grundsätzlichen Paradigmenwechsel in der päpstlichen Lehrverkündigung". Dabei orientiere er sich an der Linie des jungen Dogmatik-Professors Joseph Ratzinger.

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Vielen gehe das Abschlussdokument der Weltbischofssynode auf den ersten Blick vielleicht nicht weit genug, so Wolf. In der Tat verändere der Papst nichts an der Doktrin. "Aber bei ihrer Anwendung auf der Ebene der Disziplin und des seelsorgerlichen Handelns fordert Franziskus dezidiert zu neuen Wegen auf, von denen manche bis vor Kurzem noch mit dem Odium der Unkirchlichkeit behaftet gewesen wären." Es sei "befreiend", dass der Papst die Notwendigkeit unterschiedlicher Interpretationen der kirchlichen Lehre in den verschiedenen Gegenden der Welt benenne.

Wolf verweist zugleich darauf, dass Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. im Jahr 1972, damals noch Dogmatik-Professor in Regensburg, eine Art Einzelfallprüfung durch Pfarrer und Gemeinden beschrieben habe. Joseph Ratzinger schrieb damals, "unterhalb der Schwelle der klassischen Lehre" habe es "offensichtlich immer wieder in der konkreten Pastoral eine geschmeidige Praxis gegeben, die zwar nicht als dem wirklichen Glauben der Kirche ganz konform angesehen, aber doch auch nicht schlechthin ausgeschlossen wurde." Als Präfekt der Glaubenskongregation ließ Ratzinger diese Argumentation 1994 nicht mehr gelten.

Franziskus schwenke nun auf diese von Ratzinger vorgezeichnete und später von drei oberrheinischen Bischöfen aufgegriffene Linie ein, so Wolf. Der Papst verabschiede sich "von einem lehramtlich-verkrusteten Sprachduktus und einem unbarmherzigen, in Beton gegossenen Wahrheitsbegriff, von einer mechanisch-deduktiven Anwendung von Normen ohne Blick auf die konkreten Umstände, unter denen Menschen leben und leiden. Er verabschiedet sich von einem negativen Menschenbild im Geiste des augustinischen Pessimismus und einer einseitigen Konzentration auf Sexualität als etwas grundsätzlich Negativem." (KNA)

Themenseite: Familiensynode

Vom 4. bis 25. Oktober 2015 trat die XIV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode unter dem Thema "Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute" zusammen. Die Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zur Synode.