"Konventionelle Agrarwirtschaft tritt den Herrgott mit Füßen"
Vor einem Vierteljahrhundert hat die Benediktinerabtei Plankstetten ihre Landwirtschaft von konventionell auf biologisch umgestellt. Dadurch wurde der Ort in der Oberpfalz als "grünes Kloster" überregional bekannt. Maßgeblich dazu beigetragen hat Frater Richard Schmidt (51). Der Ökonom der Abtei erzählt im Interview, wie sich seitdem die Natur um seinen Hof erholt hat und welcher Lebenswandel ihn auf die Palme bringt.
Frage: Frater Richard, was war die schärfste Kritik, die Ihnen vor 25 Jahren entgegenschlug?
Schmidt: Es gab ideologische und fachliche Kritik, sowohl aus dem Kapitel als auch von außen. Mancher meinte, das sei "grüne Spinnerei". Andere befürchteten einen "Rückschritt in die Steinzeit".
Frage: Warum wollten Sie trotzdem wechseln?
Schmidt: Unser Agrarbereich stand Ende der 1980er Jahre zur Disposition, nachdem der zuständige Bruder gestorben war. Dann kam ich ins Kloster und habe seine Arbeit übernommen. Nach kurzer Zeit allerdings habe ich den konventionellen Betrieb einfach nicht mehr ausgehalten.
Frage: Warum?
Schmidt: Für mich als Christen zentral ist Jesu Botschaft von der Liebe, die alles umspannt. Alles - nicht nur uns Menschen. Mit diesem Bewusstsein kann ich doch nicht hingehen und für möglichst viel Profit möglichst viel aus dem Boden und den Ställen herausholen, ohne jede Rücksicht auf die Umwelt. Auf die Schöpfung, die genauso von Gott gemacht ist wie wir. Wer sie so ausbeutet wie die konventionelle Agrarwirtschaft, habe ich gedacht, tritt den Herrgott mit Füßen. Das ist ein widermenschliches System, wir schaden uns selbst damit. Denn wir sind ja Teil der Schöpfung. Dass uns das Bewusstsein dafür abhandengekommen ist, ist ein Fluch der Industrialisierung.
Frage: Inwiefern?
Schmidt: Es wurde so viel mechanisiert, automatisiert und spezialisiert, dass lauter Einzelwelten entstanden sind, die scheinbar keine Bezüge mehr zueinander haben. Das große Ganze ist so aus dem Blick geraten, der Mensch hat sich vom Denken in Netzen und Kreisläufen entfremdet. Darauf haben wir uns wieder rückbesonnen.
Frage: Was heißt das konkret?
Schmidt: Statt wie früher nur eine vier-, haben wir jetzt zum Beispiel eine sechsjährige Fruchtfolge auf den Feldern, wodurch sich der Boden regelmäßig erholen kann. So bewahren wir ihn langfristig als unsere Lebensgrundlage. Außerdem achten wir darauf, unsere Wertschöpfung großteils in der Umgebung zu halten: Wir geben die Hälfte unserer Investitionen nicht weiter weg als 30 Kilometer, was auch klimaschädlichen Verkehr verringert. So versorgen wir uns und unsere Region auf zukunftsfähige Weise.
Frage: Hat sich die Natur um ihren Hof durch die Öko-Umstellung verändert?
Schmidt: Ja. Weil wir Grünstreifen zum Schutz vor Bodenerosion angepflanzt haben und auf Gift verzichten, kommen bei uns etwa wieder Wachteln vor, die hier längst ausgestorben waren. Daran kann man auch sehen, was für ein Unfug diese Verzichtsdebatte ist, die es gerade gibt. Von wegen, wir müssten so viel aufgeben für das ökologische Leben. Was geben wir denn alles auf, wenn wir so gierig leben wie jetzt? So viele Tier- und Pflanzenarten und damit das ökologische Gleichgewicht! Dass dagegen gerade auch die Kirche nicht jeden Tag laut anschreit, macht mich narrisch.
Frage: Warum die Kirche?
Schmidt: Gescheite Theologen streiten darüber, ob Jesus hü oder hott gesagt hat. Mei - zentral aber ist doch die Schöpfung Gottes. Wollen wir wirklich sein Hauptwerk gefährden?
Linktipp: Abt fordert Abschaffung des Weltjugendtags: "Ökologische Katastrophe"
Auch in der Seelsorge müsse auf den "ökologischen Fußabdruck" geachtet werden, findet der Abt des Klosters Plankstetten, Beda Maria Sonnenberg. Weltjugendtage passten da nicht. Die Sonntagspflicht aber müsse um einen bestimmten Faktor erweitert werden.Frage: Welchen Stellenwert hat der Öko-Landbau heute für Ihr Kloster?
Schmidt: Er ist mit das Fundament. Dank ihm leben wir autark. Und unsere Abtei ist dadurch zur Marke geworden. Vor 25 Jahren war Plankstetten ein No-Name, inzwischen sind wir das "grüne Kloster". Deswegen besuchen uns auch immer wieder Menschen ohne Glaubensbezug. Aber der eine oder andere kommt dann vielleicht doch mit der Frohen Botschaft in Berührung. Das gilt auch für die Lehrlinge bei uns auf dem Hof. Da essen wir immer alle gemeinsam und sprechen davor ein Tischgebet. Ein Azubi hat sich tatsächlich fürs Ordensleben entschieden. Er ist zwar kein Benediktiner geworden, aber immerhin Jesuit.
Frage: Nun sagen viele Menschen: "Bio? Schön und gut! Aber ich kann's mir nicht leisten."
Schmidt: Meiner Erfahrung nach könnten es sich die meisten Leute schon leisten, wenn sie für andere Dinge wie Autos oder Smartphones weniger Geld ausgäben. Wenn sie feste Essenszeiten pflögen anstatt sich ständig im Vorbeigehen irgendwo abzusättigen. Wenn sie Nahrungsvorräte anlegen und saisonal kochen würden. Wenn sie nicht jeden Tag Fleisch auf dem Teller haben müssten, und davon vor allem nicht nur die besten Stücke. Entschuldigung, aber das kotzt mich an!
Frage: Was genau?
Schmidt: Wenn ich hier ein Kalb sehe, wie es zur Welt kommt und wächst, mit seiner Mutter schmust, spielt, wie es halt lebt ... Irgendwann kommt's zum Metzger - und dann essen manche Leute davon bloß ein wenig Filet, weil sie sich für Fett und Innereien zu schade sind. Da fehlt jede Wertschätzung dafür, dass da ein Lebewesen auf dem Teller liegt!