Eine Lektüreempfehlung zum Gedenktag des Evangelisten

Lies den Lukas!

Veröffentlicht am 18.10.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Lukasevangelium

Bonn ‐ Ohne ihn gäbe es keine Weihnachtsgeschichte und auch keinen barmherzigen Samariter. Was wäre das Neue Testament ohne Lukas? Doch bisweilen gilt er auch als Evangelist der Besserverdienenden.

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Welches der vier Evangelien ist Ihr persönlicher Favorit? Die meisten Theologen würden wohl Johannes nennen, den großen Intellektuellen, die Pazifisten Matthäus – wegen der Bergpredigt – und die Historiker vielleicht Markus, weil der zeitlich am nächsten am tatsächlichen Geschehen dran sei. Doch die große Mehrheit der normalen Gläubigen würde wohl einen anderen Namen nennen: Lukas, den Evangelisten der Weihnachtsgeschichte, dessen Gedenktag die katholische Kirche am heutigen 18. Oktober begeht.

Schon der Anfang seines Evangeliums nimmt für Lukas ein: Unter den vier Evangelisten richtet nur er ein kurzes Vorwort an seine Leser. Das hat er sich bei den griechischen und römischen Autoren der Antike abgeschaut. Gewidmet ist es dem "hochverehrten Theophilus" also dem Gottesfreund, hinter dem sich möglicherweise ein Mäzen der Gemeinde verbirgt. Er, Lukas, habe sich entschlossen, "allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen", damit der Leser sich von der "Zuverlässigkeit der Lehre" überzeugen könne, in der er unterwiesen worden sei.

Und im zweiten Kapitel dann erzählt Lukas die grandiose Geburtsgeschichten von Johannes dem Täufer und von Jesus – mit Krippe, Engeln und Hirten. Eine ebenso volkstümliche wie theologisch durchdachte Erzählung.

Bild: ©gorilla/Fotolia.com

Die Geburt Jesu in einer Krippe: die wohl bekannteste und beliebteste Geschichte aus dem Lukasevangelium.

Man vergleiche sie nur mit den anderen Evangelisten: Das erste Kapitel bei Johannes versteht nur, wer ein Proseminar "Mittelplatonismus" belegt hat, Matthäus langweilt mit einem Stammbaum vom Urvater Abraham bis Jesus. Und bei Markus wird es gleich unbequem: Kaum hat er mit der Lektüre begonnen, wird der Leser auch schon zur Umkehr aufgerufen.

In der Kunst wird Lukas mit einem Stier an der Seite dargestellt. Tatsächlich ist über den Verfasser des Evangeliums nichts bekannt. Auch "Lukas" hieß er wahrscheinlich nicht. Weitgehend einig ist sich die Forschung darin, dass der Autor des Lukas-Evangeliums auch die Apostelgeschichte verfasst hat. Und, dass er Jesus nicht persönlich gekannt hat.

Lukas stammte wohl nicht aus Palästina

Entstanden ist das Lukas-Evangelium nach Auffassung der meisten Bibelwissenschaftler um 90 nach Christus. Wo es geschrieben wurde, ist allerdings unklar. Im Angebot sind unter anderem Antiochia, Ephesus, Caesarea, Kleinasien und Rom. Einigermaßen fest steht nur, dass der Verfasser nicht aus Palästina stammt. Dafür sprechen einige Fehler in geographischen Beschreibungen, die einem Ortskundigen nicht wohl unterlaufen wären.

Mit dem Namen Lukas wird das Evangelium erstmals um das Jahr 150 nach Christus in Verbindung gebracht. Lukas wird hier mit dem gleichnamigen Mitarbeiter des Paulus identifiziert, der in der Apostelgeschichte erwähnt wird und Arzt gewesen sein soll.

Bild: ©KNA

Das Symbol des Evangelisten Lukas ist der Flügelstier.

Das Publikum, für das Lukas schrieb, war eine mehrheitlich heidenchristliche Gemeinde. Das schließen die Fachleute unter anderem daraus, dass er semitische Begriffe ins Griechische übersetzt. Wo Markus "Rabbi" schreibt, verwendet er das griechische Wort für "Meister".

Lukas hat abgeschrieben, wie die anderen Evangelisten auch. Das war in der Antike nichts Ehrenrühriges, im Gegenteil. Es erhöhte die Autorität des eigenen Werkes. So übernahm Lukas viele Passagen aus dem Markus-Evangelium und einer weiteren Quelle, die auch Matthäus benutzte. Weil diese Quelle vorwiegend Gleichnisse und sonstige Worte Jesu enthält, wird sie in der Bibelwissenschaft "Logienquelle Q" genannt.

Ein Evangelist für Besserverdienende?

Und dann gibt es noch die Erzählungen und Gleichnisse, die nur Lukas hat. Die Bibelwissenschaft hat dafür das seltsame Wort "Sondergut" geprägt. Abgesehen von der Weihnachtsgesichte hat Lukas auch das gleichnis vom barmherzigen Samariter exklusiv.

Weil er sich vorwiegend an die Reichen in der christlichen Gemeinde wendet, gilt Lukas bisweilen auch als Evangelist für Besserverdienende. Allerdings lässt er dem Prediger wenig Spielraum, die Rolex-Träger in der Sonntagsmesse zu schonen, wohingegen Matthäus ihnen ein Hintertürchen öffnet. Wo es bei Matthäus in der Bergpredigt heißt "Selig sind, die da geistlich arm sind", meint Lukas die materiell Armen "Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer", sagt Jesus in der von Lukas überlieferten "Feldrede".

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Video: © katholisch.de

Im Grunde ist bei "Katholisch für Anfänger" schnell erklärt, was die Bibel ist: Die anerkannten Schriften von der Erschaffung der Welt bis zur Entstehung der ersten christlichen Gemeinden. Allerdings greift die Erklärung zu kurz.

Auch sonst spielen Reichtum und Armut in der Gemeinde bei Lukas eine große Rolle. Hintergrund dafür ist, dass immer mehr Wohlhabende zum Kreis der christlichen Gemeinde stießen. Jesus sagt dem reichen Vorsteher bei Lukas, er müsse alles verkaufen und den Armen, wenn er ihm nachfolgen wolle.

Diesem Negativbild stellte der Evangelist das Idealbild der Urgemeinde gegenüber, die auf persönlichen Besitz verzichtete und das Privateigentum gemeinschaftlich nutzte. Ist Lukas also doch mehr ein Evangelist der Armen? Der Wittenberger Neutestamentler Udo Schnelle formuliert es salomonisch: Lukas schreibe "ein Evangelium an die Reichen für die Armen".

Besonders an Lukas ist auch, dass er sich wie kein anderer Evangelist für Geschichte interessiert. Warum er einmal als erster "christlicher Historiker" bezeichnet wurde, macht bereits die Weihnachtsgeschichte deutlich. Da ist von der Steuerschätzung des Kaiser Augustus ebenso die Rede wie von einem Quirinius, der zu dieser Zeit Statthalter von Syrien gewesen sei. So verbindet Lukas die Geschichte Jesu mit der seiner Zeit und wird zum Erfinder der Heilsgeschichte, das heißt einer theologischen Betrachtung der Historie. Dies war nötig geworden, nachdem den christlichen Gemeinden zunehmend bewusst wurde, dass das Ende der Welt und die Wiederkehr Jesu Christi möglicherweise doch nicht mehr zu Lebzeiten eintreten wird.

Lukas ist auch der Evangelist der Kirche. Die Weitergabe und Sicherung der Tradition ist eines seiner zentralen Motive. Wie kein anderer Evangelist wurde er daher in den Sog konfessioneller Auseinandersetzungen gezogen. Namhafte protestantische Neutestamentler warfen ihm in den vergangenen Jahrzehnten "Frühkatholizismus" vor. Heute ist Lukas kein Zankapfel mehr zwischen katholischen und evangelischen Wissenschaftlern.

Kühen gab man früher am Gedenktag des Lukas geweihte Zettel mit Versen aus dessen Evangelium zu fressen, um sie vor Seuchen und Unfällen zu schützen. Auch unheilbar Kranke und Frauen bei schwerer Geburt bekamen solche Evangeliums-Häppchen. Besser ist allerdings noch die Lektüre des gesamten Evangeliums:

Dem Vieh gab man früher am Lukas-Tag geweihte Zettel mit Bibelversen seines Evangeliums zum Essen, um es vor Seuchen und Unfällen zu schützen.
Dem Vieh gab man früher am Lukas-Tag geweihte Zettel mit Bibelversen seines Evangeliums zum Essen, um es vor Seuchen und Unfällen zu schützen. Lukas-Zettel wurden auch unheilbar Kranken und Frauen bei schwerer Geburt gegeben.
Dem Vieh gab man früher am Lukas-Tag geweihte Zettel mit Bibelversen seines Evangeliums zum Essen, um es vor Seuchen und Unfällen zu schützen. Lukas-Zettel wurden auch unheilbar Kranken und Frauen bei schwerer Geburt gegeben.

Lies den Lukas! Es lohnt sich! zwei Stunden reichen!

Von Thomas Jansen

Linktipp: Treuer Begleiter und wunderbarer Schriftsteller

Der Evangelist Lukas hat die Geburt Jesu faszinierend erzählt, obwohl er den Heiland nach eigener Aussage nie kennengelernt hat. Ein Porträt des Mannes, den die kirchliche Tradition für den Verfasser des Lukasevangeliums hält.