Scheidung leicht gemacht
Der Rechtsausschuss des Parlaments verabschiedete in dieser Woche ein Gesetzentwurf von Justizminister Jean-Jacques Urvoas, nach dem Ehen demnächst ohne Richter geschieden werden könnten, wenn sich beide Ehepartner einig sind. Urvoas wolle den Frieden zwischen den Ehepartnern bewahren und ihr Leben erleichtern: Scheidungen sollen schneller und billiger werden, so der Justizminister.
Der neue Gesetzesvorschlag, über den ab 17. das Parlamentsplenum diskutieren soll, sieht vor, dass Ehepaare die Scheidung bei einem Anwalt anmelden können und sie dann vom Notar registriert wird. Die Registrierung soll nicht mehr als 50 Euro kosten. Möchte sich ein Kind dazu äußern, muss ein Richter hinzugezogen werden.
Schutz für die Kinder fällt weg
Der Dachverband der nationalen Familienorganisationen (UNAF) kritisiert, dass mit der vereinfachten Regelung ein wichtiges Element zum Schutz der Kinder wegfalle. Der Richter garantiere bislang eine unabhängige Entscheidung im Scheidungsfall, ohne dass eine Partei Druck ausübe, so der Verband. Wäre, wie im Vorschlag vorgesehen, bei einer einvernehmlichen Scheidung kein Richter involviert, sondern nur ein Notar, der die Scheidung registriert, fiele dieser Schutz weg.
Viele Franzosen sehen diese Rolle eines Richters jedoch als einen Eingriff in ihre Privatsphäre. Bei einer Befragung sprachen sich 2013 67 Prozent für eine Scheidung per Notar aus. Neben den langen Wartezeiten führten sie als Grund an, bei Trennungen gehe es um einen "intimen" Streit, bei dem sich der Staat nicht einmischen solle.
Diese Entwicklung sieht Rechtsprofessor Hugues Fulchiron auch für die Ehe als Institution. Vorher sei sie vor der Gesellschaft geschlossen worden, und es sei logisch gewesen, dass sie von einem Richter aufgelöst werden müsse. Doch allmählich sei sie "zu einer Privatangelegenheit ausschließlich zwischen den Ehegatten geworden". Daher werde auch die Scheidung durch den Richter als "bedrückend" empfunden.
Ein Grund für die Reform ist auch die Überlastung der Richter in Frankreich. 70.000 Scheidungen bearbeiten sie laut der Zeitung "La Croix" jedes Jahr. Fiele diese Arbeit weg, hätten sie wieder mehr Zeit für andere Fälle. Oranne de Mautort, stellvertretende Leiterin des Bereichs Familie der bei der Französischen Bischofskonferenz, hält die Pläne für eine politische Entscheidung. Der Justizhaushalt sei für die Haftanstalten erhöht worden, aber nicht für Angelegenheiten des normalen Lebens. Wartezeiten für Scheidungsverfahren seien deshalb lang. Viele Menschen glaubten, dass eine schnellere Scheidung die Situation verbessere. Das sei eine "Illusion", so Mautort. Im Gegenteil: Paare bräuchten Zeit, um ihre Probleme zu lösen.
Gesetzesvorschlag "vernebele" die Auswirkungen einer Trennung
Eine Scheidung sei ein folgenschweres Ereignis für die Ehegatten, betont Mautort. Der Gesetzesvorschlag "vernebele" die Auswirkungen einer Trennung; eine "Banalisierung" der Scheidung. "Wir bemerken eine Kluft zwischen konkreten Scheidungserfahrungen und bürokratischer Vereinfachung", sagt sie. Eine einvernehmliche Scheidung entspreche nicht immer der Realität; oft sei ein Partner hart getroffen.
Dass eine Ehe nicht immer ein langer, ruhiger Fluss sei, sondern eine "Herausforderung" geprägt von Krisen, erklärt Papst Franziskus in seinem im März erschienenen Schreiben "Amoris laetitia" (Freude der Liebe). Um die Ehe aufrechtzuerhalten, müsse die Liebe stark sein und ständig neu erfunden werden.