Weltreligionstagung in Lindau eröffnet – Steinmeier und Marx mahnen
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Dienstag im südbayerischen Lindau die Weltversammlung von "Religions for Peace" (RfP) eröffnet. Dabei handelt es sich um die nach eigenen Angaben größte internationale Allianz religiöser Gemeinschaften. "Wir mögen unterschiedlich sein in unserem Glauben. Aber einen muss uns die gemeinsame Haltung: Religion darf niemals Rechtfertigung von Hass und Gewalt sein", sagte Steinmeier zum Start der viertägigen Konferenz. Die gemeinsame Botschaft von Lindau müsse lauten: "Kein Krieg darf geführt werden im Namen der Religion!", mahnte das deutsche Staatsoberhaupt.
Steinmeier erklärte: "Es darf uns - ich darf mich hier als gläubiger Christ ganz bewusst einschließen - es darf uns, denen uns Religion und Glaube wichtig sind, nicht gleichgültig sein, wenn immer wieder viele Menschen zum Ausdruck bringen, dass Religion geradezu ein friedensverhinderndes, ja kriegsförderndes Phänomen sei." Der religiöse Glaube könne eine wunderbare Macht sein, die im Leben und Sterben Kraft und Sinn zu geben vermöge. "Aber Glaube und Religion können auch missbraucht werden. Als Motivation für im Grunde außerreligiöse Intentionen und politische Ziele." RfP mache indes Ernst mit der Überzeugung, dass Religionen kein Anlass mehr sein dürften für Unfrieden und Krieg, sondern dass sie Werkzeuge des Friedens sein könnten - und müssten.
Wenn Religionen zu Staats- oder Kulturideologien werden
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, erklärte in einem Grußwort, es sei besorgniserregend, dass die Welt immer häufiger den Verlockungen mehr oder weniger homogener Zivilisationsräume zu erliegen drohe. "Wenn Religionen sich von den Kräften der Homogenisierung und Abgrenzung in den Dienst nehmen lassen, werden sie zu Staats- oder Kulturideologien." Sie beschädigten sich damit selbst und ermöglichten Unfrieden. "In großen Teilen der muslimisch geprägten Welt gewinnen Bewegungen an Zulauf, die die Einheit von Staat, Gesellschaft und Religion propagieren", sagte Marx weiter. Und in Europa werde neuerdings wieder die Identität des Kontinents als rein "christliches Abendland" beschworen – "und zwar nicht um die christlichen Grundlagen und Wurzeln der Gesellschaften zu betonen, sondern um andere Religionen an den Rand zu drängen", so der Kardinal.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm nannte RfP "ein Zeichen der Hoffnung in einer aufgewühlten Welt". RfP stehe dafür, Rassismus, Hass und Gier mit Empathie, Liebe und Freundlichkeit zu überwinden.
Der nigerianische Kardinal und Teilnehmer des Treffens John Onaiyekan hatte vorab in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) betont, dass sich keine Religion über eine andere stellen dürfe. Das vergifte die Situation und schließe Menschen aus. "Wir müssen mehr dafür tun, damit Religion nicht im negativen Sinn genutzt wird", so Onaiyekan.
RfP ist nach eigener Darstellung in rund 100 Ländern aktiv. Hauptsitz ist New York. Oberstes Ziel der bei den Vereinten Nationen akkreditierten Organisation ist "die Förderung gemeinsamer Aktionen der Glaubensgemeinschaften weltweit zur Stärkung des Friedens". Die RfP-Weltversammlungen finden etwa alle fünf Jahre statt. Das aktuelle Treffen in Lindau ist das zehnte seiner Art und das erste in Deutschland. Dazu erwartet werden rund 900 Teilnehmer, darunter Angehörige von ungefähr einem Dutzend Religionen. Die Tagung steht unter dem Motto "Für unsere gemeinsame Zukunft sorgen - das Gemeinwohl für alle fördern". Die Veranstalter erklärten im Vorfeld, von dem Treffen sollten zwei große Impulse ausgehen: zum einen für den Schutz heiliger Stätten, zum anderen gegen sexuelle Gewalt an Frauen. (tmg/KNA)