Warum die Reaktionen auf Bayreuther "Parsifal" so heftig waren

Religion? – Kann weg!

Veröffentlicht am 05.08.2016 um 00:01 Uhr – Von Bernd Buchner (KNA) – Lesedauer: 
Kultur

Bayreuth ‐ In Zeiten von Gewalt und Terror fiel die Eröffnung der Bayreuther Festspiele diesmal eher still aus. Leidenschaftlich aber wird über Wagners "Parsifal" diskutiert, ein religiös höchst zwiespältiges Werk.

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Der Glaube, woran auch immer, ist abwischbar wie ein Fettfleck. Und Gott, der die ganze Zeit puppenhaft-reglos hoch oben in der Kirchenkuppel saß, ist nun zur Seite gekippt und tot. Gestorben zu Bayreuth, anno 2016.

Die Neuinszenierung von Richard Wagners letztem Werk hat erregte Kontroversen hervorgerufen. Kirchenvertreter äußerten sich mit gemischten Gefühlen. Die Lesart von Regisseur Uwe Eric Laufenberg sei "für einen Christen anstößig", sagte Bambergs Erzbischof Ludwig Schick. Auch die evangelische Regionalbischöfin Dorothea Greiner äußerte deutliche Kritik an der Darstellung. Sie wirke so, als sei die Kunst die höhere Form der Religion. "Das würde ich bestreiten."

Das Abendmahl wird "dramaturgisch pervertiert"

Beide störten sich nicht nur daran, dass Kreuze und anderes zum Schluss "in den Sarg wandern", wie Greiner monierte. Auch das Abendmahl werde "dramaturgisch pervertiert" gezeigt, fügte sie hinzu. Dort zapfen die Gralsritter ihrem König Amfortas Blut aus einer Wunde und trinken es zur Stärkung. Und Schick monierte, ausgerechnet in einer Szene, in der das Kreuz über den als heidnische Waffe verwendeten Speer siege, fielen massenweise Kruzifixe von der Wand.

Bild: ©picture alliance/dpa

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hatte die "Parsifal"-Inszenierung bei den Bayreuther Festspielen als nicht im Sinne des Komponisten kritisiert.

Weltliche Kritiker äußerten sich zum Teil ebenso ablehnend wie die Kirchenleute, nur mit anderer Stoßrichtung. Die Inszenierung sei kitschig und oberflächlich, nicht von einem katholisch-erbaulichen Passionsspiel zu unterscheiden, war in Besprechungen zu lesen. "Eine hilflose Albernheit jagt die nächste", so die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Andere urteilten freundlicher, nannten Laufenbergs religionskritischen Impetus "humanistisch".

Im "Parsifal", vom Komponisten als Bühnenweihfestspiel bezeichnet, spielen religiöse Rituale und Handlungen eine zentrale Rolle. Der Titelheld, ein "reiner Tor", erlöst durch sein Mitleid eine Ritterrunde von einem alten Fluch. Die Forschung ist sich nicht einig, ob die Oper ein christliches Mysterienspiel mit buddhistischen Überformungen ist oder aber schlicht ein atheistisches Kunstwerk.

Wagner verfremdet christliche Motive

Tatsache ist, dass Wagner in seinem "Weltabschiedswerk" christliche Motive verfremdet und ins Gegenteil dreht. Beim "Abendmahl" wird Blut in Wein verwandelt und nicht umgekehrt; Gralskönig Amfortas ist im Gegensatz zu Jesus der einzige Sünder unter Reinen; am Ende der Handlung opfert der Sohn seinen Vater und nicht der Vater den Sohn wie im Neuen Testament. Es mutet grotesk an, dass der "Parsifal" bis heute an vielen deutschen Bühnen am Karfreitag gezeigt wird.

Bei der Premiere wie auch bei der zweiten Aufführung am Dienstagabend reagierte das Bayreuther Publikum zurückhaltend auf Laufenbergs Deutung. Er verlegt die Handlung in eine vom Krieg versehrte Kirche im Irak, die sich zwischendurch in ein orientalisch-muslimisches Dampfbad verwandelt. Zwischen Mönchen und Flüchtlingen laufen Soldaten durchs Bild, eine Gruppe von Burkamädchen mausert sich zu einer Art Bauchtanzgruppe. Zuvor haben sich die Gralsritter vampirmäßig über ihren blutbesudelten Chef hergemacht.

Das Richard-Wagner-Festspielhaus in Bayreuth.
Bild: ©Edler von Rabenstein/Fotolia.com

Das Richard-Wagner-Festspielhaus in Bayreuth.

Die musikalischen Eindrücke der Aufführung waren hingegen grandios, der kurzfristig eingesprungene Dirigent Hartmut Haenchen und die Sänger werden zu Recht mit Beifall überschüttet, allen voran Georg Zeppenfeld als Gurnemanz sowie Klaus Florian Vogt in der Titelrolle. In der jüngsten Ausgabe des Fachblatts "wagnerspectrum" schreibt der Musikforscher Giangiorgio Satragni, die "Parsifal"-Handlung sei zum Teil im Klang enthalten, "der auf diese Weise immateriell theologische Inhalte vermittelt".

Die Kirchenvertreter schlugen bei aller Kritik auch versöhnliche Töne an. Religionskritik sei grundsätzlich legitim, so Regionalbischöfin Greiner, sie sei "eine Form der Freiheit des Christentums". Schick gab sich gelassen: Aufgeregt habe ihn die Inszenierung nicht, sagte der Erzbischof. "Wir brauchen Religionen. So wird mehr Frieden."

Von Bernd Buchner (KNA)