"Impulse der Reformation haben uns positiv mitgeprägt"
Auch für die katholische Kirche ist es nach Auffassung des Magdeburger Bischofs Gerhard Feige wichtig, der Reformation zu gedenken. Sie stehe ebenfalls in deren Wirkungsgeschichte, sagte der Vorsitzende der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Magdeburg. In den Jahren der Vorbereitung auf 2017 seien wichtige ökumenische Impulse gesetzt worden.
Frage: Herr Bischof, in Kürze beginnt das Gedenkjahr an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren. Auch die katholische Kirche beteiligt sich nach anfänglichem Zögern daran. Warum?
Bischof Gerhard Feige: Zunächst standen die Fragen an: Was wird da eigentlich gefeiert? Welchen Charakter werden die Feiern einnehmen, und wo finden sich Zugänge für uns zu diesem Gedenken? Inzwischen hat sich da manches geklärt. Mir ist im Lauf der Jahre auch deutlicher geworden, dass die katholische Kirche direkt in der Wirkungsgeschichte der Reformation steht, positiv wie negativ. Es geht uns also durchaus etwas an, sogar sehr. Einerseits haben wir uns gegen die reformatorischen Strömungen profiliert und definiert. Die katholische Kirche nach der Reformation ist nicht unverändert die alte katholische Kirche, sondern sie hat ihr Profil auch im Widerstreit gegen die Reformation geschärft. Dadurch sind wir auch etwas enger geworden. Auf der anderen Seite haben uns Impulse der Reformation positiv mitgeprägt. Besonders deutlich ist das durch das Zweite Vatikanische Konzil geworden, ohne dass das dort so ausdrücklich thematisiert worden ist.
Frage: Am 31. Oktober werden Sie in Schweden am Buß- und Versöhnungsgottesdienst von Papst Franziskus und dem Lutherischen Weltbund teilnehmen. Weitere zentrale Gottesdienste mit diesem selben Anliegen sind in Magdeburg und in Hildesheim geplant, und die katholischen und evangelischen Gemeinden sind ebenfalls dazu aufgerufen. Wie wichtig sind Ihnen diese Gottesdienste im Reformationsgedenkjahr?
Feige: Für mich sind sie gewissermaßen eine grundlegende Vorbereitung, um dann auch gemeinsam feiern zu können. Es gibt ja immer noch Klischees, Vorurteile, Traumata, die wir mit uns tragen, und es ist wichtig, sich mit diesen auseinanderzusetzen, sie geistlich zu verarbeiten, zu bedenken und Wunden zu heilen. Das ist die Voraussetzung, um weitere Schritte gehen zu können. Ich bin dankbar dafür, dass gerade auf der internationalen Ebene zwischen Lutherischem Weltbund und Päpstlichem Einheitsrat Weichen gestellt worden sind für ein solches Gehen und man gemeinsam sagen kann: Es gibt Grund zur Freude über wichtige Impulse, die die Reformation gebracht hat, wie die Wiederentdeckung des Evangeliums oder die Verinnerlichung des Glaubens. Es gibt aber auf der anderen Seite auch tragische Entwicklungen, die die Folge waren. Und beides gehört zusammen und muss in den Blick genommen werden.
Frage: Einigen evangelischen Theologen ist das ja zu viel der Buße. Sie wollen stattdessen lieber die konfessionelle Vielfalt in den Vordergrund stellen und feiern.
Feige: Dahinter steht auch, dass wir noch keine gemeinsame Vorstellung von einer Einheit der Kirchen haben. Katholischerseits betonen wir stärker die sichtbare Einheit, wobei wir aber auch nicht wissen, wie die konkret aussehen soll. Wir sind auf dem Wege. Evangelischerseits wird stärker die Vielfalt betont, die Verschiedenheit. Und da ist eher die Vorstellung, dass man quasi den Status quo bestätigen und sich gegenseitig anerkennen sollte. Das ist uns zu wenig.
Frage: Viele fragen sich auch, ob nach den Versöhnungsgottesdiensten nicht weitere konkrete Schritte hin zur Kirchengemeinschaft erfolgen müssten. Gibt es dazu schon Überlegungen?
Feige: Ich weiß noch nicht genau, wie das Treffen in Lund gestaltet sein wird. Aber auf den Versöhnungsgottesdienst folgt ja in der Großen Arena in Malmö ein Treffen, bei dem es vor allem um den Dienst an der Welt geht, den wir gemeinsam zu verantworten haben. Geplant ist auch eine gemeinsame Erklärung, dass aus der Versöhnung heraus das Handeln einen anderen Charakter bekommen kann und wird.
Frage: Was sollte, wenn alles gut läuft im Jahr 2017, nach Ihren Wünschen anders sein am Ende des Jahres?
Feige: Als die Lutherdekade 2008 begann, wurde ich eingeladen, einen Artikel für die regionalen evangelischen Kirchenzeitungen zu schreiben. Damals habe ich die spitze Frage gestellt: Wird es eine Jubel- und Profilierungsfeier mit antikatholischen Spitzen? Und zum Schluss die Frage: Werden wir katholische und evangelische Christen uns nach 2017 näher sein oder ferner? Ich bin sehr froh, dass in den letzten Jahren ein ökumenischer Lernprozess erfolgt ist. Und ich hoffe sehr, dass wir uns nach 2017 noch entkrampfter begegnen und noch gemeinsamer handeln können. Für mich ist jedenfalls schon jetzt spürbar, dass einige wichtige Impulse gesetzt worden sind.
Frage: Vielen geht die sogenannte Konsens-Ökumene zu langsam. Ist es nicht Zeit für einen Durchbruch?
Feige: Wie bei gesellschaftlichen Problemen ist es auch in der Ökumene nicht immer so ganz einfach. Die zwischenchristlichen Verhältnisse sind komplex und kompliziert, und meist gibt es keine einfachen Lösungen, sondern man braucht einen langen Atem, und es ist wichtig, dabei mit Herz und Verstand vorzugehen. Das Klischee schmerzt mich, dass man an der Basis immer schon weiter sei als die Kirchenleitungen, weil ich die Situation differenzierter wahrnehme. Theologen sollten Vordenker sein, die gibt es. Es gibt aber auch Theologen, die in anderer Richtung denken und argumentieren. Und an der Basis gibt es auch nicht nur ökumenisch gesinnte Menschen, sondern auch andere. Das wird nur von den entsprechenden Gruppen gegenseitig oft nicht wahrgenommen. Aufgabe der Bischöfe ist es, das Ganze zusammenzuhalten. Und ich mühe mich, das im ökumenischen Geist auch weiter voranzutreiben.