In Ecuador tobt der Kampf um Bodenschätze - auf Kosten der Kichwa-Indios

Ein "gallisches Dorf" im Regenwald

Veröffentlicht am 27.11.2016 um 09:45 Uhr – Lesedauer: 
Ein "gallisches Dorf" im Regenwald
Bild: © Adveniat
Hilfswerke

Sarayaku ‐ Jenseits der großen Konflikte tobt im Amazonasgebiet der Kampf ums Erdöl. Die Bewahrung der dortigen Schöpfung steht im Fokus der heute startenden Weihnachtsaktion des katholischen Hilfswerks Adveniat.

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Tonnenweise Dynamit hat niemand gern in seinem Garten. So fühlten sich die Bewohner von Sarayaku, als ab 2002 der argentinische Erdölkonzern CGC begann, in dem Gebiet des Stammes der Kichwa-Indios den Sprengstoff für seismische Tests zu vergraben. Hier liegen riesige Erdölschätze im Boden des Amazonas-Regenwalds. Doch der ecuadorianische Staat, der das Militärs zur Absicherung schickte, und CGC hatten etwas unterschätzt: Die Bewohner des Dorfes.

Patricia Gualinga wurde zum Gesicht dieses Widerstandes. "Wir sind die Verteidiger des Regenwaldes", sagt sie, während sie in ihrer Hütte das Mittagessen zubereitet. Ihr Vater, 93 Jahre alt, sammelt Kräuter, die Mutter ist berühmt für ihr geheimes Chilirezept, wenn es gegrillte Kaimane gibt. Fünf kleine Krokodile warten in einer blauen, mit Wasser gefüllten Tonne auf ihr Ende. Nur der Jaguar darf hier nicht gejagt werden - der ist heilig. Ein ständiger Streitpunkt im Dorf ist das Thema Alkohol, erzählt Patricia Gualinga - er hat schon so viele indigene Gemeinschaften zersetzt. Die Frauen hätten gerne einen vollständigen Bann, die Männer beharren aber zumindest auf Bier.

"Eine sehr starke Gemeinschaft"

1987 landete auch die Belgierin Sabine Bouchat nach dem Studium der tropischen Agrarökonomie für einen Praxisaufenthalt in Sarayaku. Und lernte ihren Mann José gehen. "Das ist eine sehr starke Gemeinschaft. Die Stärke kommt aus den Familien, aus dem Kollektiv", sagt sie. Der Grundkonflikt sei, dass der Staat das Öl als Vehikel sehe, um mit den Einnahmen die Entwicklung voranzutreiben und die Armut zu verringern.

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Die Geschichte Sarayakus ging um die Welt, weil die rund 1.400 Bewohner sich nicht nur wehrten - sie setzten virtuos die Mittel der "anderen Welt" ein. Patricia Gualingas Bruder Eriberto besorgte sich eine Kamera, brachte sich das Drehen bei und dokumentierte den Kampf. Es gibt eine Hütte mit Satelliten-Internet, aber der Zugang ist stark limitiert, ein paar Laptops und etwas Strom kommt von Solarzellen. So werden von hier auch soziale Medien bespielt - und mit dem begrenzten Fortschritt hofft man, die Abwanderung aufzuhalten. Aber hinter vorgehaltener Hand sagen gerade einige Jugendliche, dass sie trotzdem gehen wollen - der Ruf der Stadt, das moderne Leben, ist ein starker.

Es gab frühzeitig Unterstützung von Nicht-Regierungsorganisationen, erstmals bestiegen einige der Bewohner ein Flugzeug und schilderten das Eindringen des Erdölkonzerns vor dem Interamerikanischen Gerichtshof in Costa Rica. 2012 das bahnbrechende Urteil: Der Staat Ecuador musste 1,3 Millionen Dollar Schadenersatz zahlen. Davon wurde eine gemeinschaftliche Dorfbank gegründet - und für 600.000 Euro kaufte man kleine Cessnas, gründete die erste Indio-Airline der Welt. Damit dauert es in die 70 Kilometer entfernte Provinzhauptstadt Puyo nur 20 Minuten, statt mindestens sechs Stunden mit Boot und Pickup.

In Sarayaku wird sehr darauf geachtet, dass die Kinder weiter Kichwa sprechen, Traditionen wie das Töpfern von Keramikgefäßen beibehalten. "Die Frauen sind fundamental in dem Kampf, weil sie die radikalsten sind", erzählt Gualinga. Sie hat schwarzes langes Jahr, das sehr beeindruckend fast bis zum Boden reicht. Immer wieder stellten sich gerade die Frauen den Ingenieuren der Ölfirma und Soldaten entgegen.

Bild: ©Adveniat

Patricia Gualinga ist eine Vertreterin der Kichwa-Indianer in Sarayaku und Gast der Adveniat-Aktion 2016.

Vergangenes Jahr war sie beim UN-Klimagipfel in Paris, derzeit ist sie in Deutschland. Denn das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat widmet die mit dem ersten Advent gestartete Weihnachtsspendenaktion unter dem Leitwort "Bedrohte Schöpfung - bedrohte Völker" in diesem Jahr der Amazonas-Region - und unterstützt über das Kirchen-Netzwerk REPAM Indio-Gemeinschaften wie in Sarayaku im Kampf gegen Energiekonzerne, Vertreibung und die Zerstörung der einzigartigen Ökosysteme. Es geht auch um die Umsetzung der Umweltenzyklika "Laudato si" des Papstes.

Der Kampf ist noch lange nicht zu Ende

Nur zwei Prozent des Amazonasgebiets liegt in Ecuador, aber rund 40 Prozent der Erdölreserven des kleinen Staates liegen hier. Früher machten die multinationalen Konzerne hier rücksichtslos Geschäfte, unter dem linken Staatspräsidenten Rafael Correa wurde das Geschäft weitgehend verstaatlicht, mit den Einnahmen wurden im ganzen Land Straßen und Krankenhäuser gebaut. Aber nach Sarayaku wagt sich vorerst niemand mehr. Auch wenn der Staat argumentiert, dass alles was unter der Erde liegt, Staatseigentum sei. Also auch das Erdöl.

Für Patricia Gualinga ist der Kampf noch lange nicht zu Ende: "Noch immer ist nicht das ganze Dynamit entfernt." Im Dezember wird daher in Costa Rica erneut verhandelt. Und man fürchtet, neue Anläufe, das schwarze Gold zu heben. Aber vor ihrer Abreise fürchtete sie, die es versteht, weltweit PR für ihr Anliegen zu machen, erst einmal sehr den deutschen Winter. "Ich habe überhaupt keine passende Kleidung."

Von Georg Ismar (dpa)

Linktipp: Adveniat

Was mit einer Weihnachts-Kollekte für Lateinamerika begann, entwickelte sich bald zur "Bischöflichen Aktion Adveniat" und einem großen Hilfswerk für die Region von Mexiko bis Argentinien. Lesen Sie hier mehr über das katholische Hilfswerk.