Hoyerswerda hat erstmals seit den Ausschreitungen von 1991 wieder ein Asylbewerberheim

Offene Tür für Gäste in Not?

Veröffentlicht am 05.02.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Hoyerswerda ‐ Der "Tag der offenen Tür" hat Missverständnisse aus dem Weg geräumt. Hunderte Einwohner von Hoyerswerda nutzten am vergangenen Donnerstag die Chance, das neue Asylbewerberheim der ostsächsischen Stadt zu besichtigen. Spartanisch sind die Räume dort eingerichtet: Etagenbetten stehen in den Zimmern, jedem Flüchtling steht ein Metallspind zur Verfügung.

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Dass Hoyerswerda wieder ein Flüchtlingsheim bekommt, ist bemerkenswert. 1991 gab es hier ausländerfeindliche Krawalle, die den Auftakt zu einer ganzen Reihe ähnlicher Übergriffe in Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen bildeten.

Am 17. September 1991 griffen acht Neonazis auf dem Marktplatz von Hoyerswerda vietnamesische Händler an. Die Betroffenen flüchteten in ein Wohnheim, in dem rund 120 ausländische Vertragsarbeiter lebten. Innerhalb weniger Stunden fanden sich Dutzende junge Neonazis vor dem Gebäude ein und begannen, Parolen zu rufen und Steine zu werfen. Erst nach Stunden traf die Polizei ein und riegelte das Gebäude ab.

Einen Tag später griffen die Neonazis das Wohnheim mit Steinen und Molotow-Cocktails an. Anwohner gesellten sich dazu und sahen entweder tatenlos zu oder klatschten Beifall. Schließlich wurden die Vertragsarbeiter evakuiert. Insgesamt 60 Personen wurden am 20. September 1991 unter Polizeibegleitung mit Bussen aus Hoyerswerda gebracht.

Ruf als Nazi-Hochburg

Nach den Angriffen auf das Wohnheim kam es auch zu Attacken auf ein anderes Flüchtlingsheim, in dem rund 240 Menschen untergebracht waren. Schließlich wurden auch sie unter Polizei-Begleitung auf Unterkünfte im Umland verteilt. Bei den Ausschreitungen in Hoyerswerda wurden insgesamt 32 Menschen verletzt. 82 Personen wurden vorläufig festgenommen; verurteilt wurden später aber lediglich vier Personen.

Den Ruf, eine Nazi-Hochburg zu sein, wird Hoyerswerda seit damals nicht mehr los. Erst in der vergangenen Woche wurden acht Männer verurteilt. Die Neonazis hatten ein Paar beleidigt und massiv bedroht. Die Opfer, Ronny S. und Monique L., mussten aus Hoyerswerda fliehen, leben jetzt an einem geheim gehaltenen Ort. Die Polizei hat ihnen dazu geraten. Die Nacht, in der Ronny S. und Monique L. fliehen mussten, wurde im Gerichtssaal wieder aufgerollt.

Ein Asylbewerber schaut aus einem bei Krawallen im September 1991 zerbrochenen Fenster in einem Wohnheim für Ausländer im sächsischen Hoyerswerda.
Bild: ©picture alliance / dpa

Ein Asylbewerber schaut aus einem bei Krawallen im September 1991 zerbrochenen Fenster in einem Wohnheim für Ausländer im sächsischen Hoyerswerda.

Ronny S. und Monique L. sind beide 34 Jahre alt. Sie haben sich in Hoyerswerda gegen Neonazis engagiert, stehen politisch links. In der Stadt haben sie Nazi-Aufkleber von Ampeln, Lichtmasten und Mülleimern gekratzt. Das lässt sie ins Visier der rechtsextremen Szene geraten. Am 17. Oktober 2012 stehen plötzlich Neonazis vor der Haustür des Paares.

Im Treppenhaus kleben die Männer die Spione an den Wohnungstüren der Nachbarn zu, drehen die Sicherungen raus. Durch die Tür werden Ronny S. und Monique L. bedroht. Laut Anklage fallen Sätze wie: "Komm runter, Du Ratte, Du Antifa-Sau, wir zerstören Dich!" Einer der Angeklagten soll Monique angedroht haben, sie zu vergewaltigen. Das Paar musste zweimal bei der Polizei um Hilfe rufen.

Als die Polizei schließlich kommt, nimmt sie nicht einmal die Personalien der Beteiligten auf. Stattdessen werden die Polizisten ausgelacht. Das bestätigen die Beamten am ersten Verhandlungstag im Zeugenstand. Dass es sich bei den jungen Männern um Neonazis handelt, wollen die sie nicht erkannt haben. Noch in der Nacht empfiehlt die Polizei Ronny S. und Monique L., die Stadt zu verlassen.

Vorbereitungen auf die Ankunft der Flüchtlinge

Dass dem Paar zu diesem Schritt geraten wurde, erklärt der Pressesprecher der Polizeidirektion 2012 so: "Es ist einfacher, zwei Leute wegzubringen als 30 Leute zu bewachen". Die Täter werden schließlich in der vergangenen Woche zu Bewährungsstrafen verurteilt, leben weiter in Hoyerswerda. Nur einer muss länger im Gefängnis bleiben. Er sitzt bereits hinter Gittern.

Parallel versucht die Stadt nun, sich auf die Ankunft der Flüchtlinge vorzubereiten. Untergebracht werden sollen sie in der Albert-Schweitzer-Förderschule, gleich neben der katholischen Kirche. Der Plattenbau aus DDR-Zeiten wurde vergangene Woche als neues Asylbewerberheim hergerichtet. Bis zu 120 Flüchtlinge sollen hier wieder eine Unterkunft finden; wann die ersten Flüchtlinge kommen, ist aber noch unklar. Der katholische Pfarrer will seine neuen Nachbarn nicht "Asylbewerber" nennen. "Sprechen wir vielmehr von Gästen in Not", sagt Peter Paul Gregor.

In der Stadt hat sich eine Initiative gebildet: Die Gruppe "Hoyerswerda hilft mit Herz" rund um den evangelischen Pfarrer Jörg Michel will die Flüchtlinge unterstützen. Lehrer wollen kostenlosen Deutschunterricht erteilen, die Sportvereine wollen Kinder und Jugendliche integrieren, Sachspenden werden angenommen, ein Begegnungscafe soll eröffnet werden. Die Facebook-Seite der Gruppe hat bereits mehr als 1.200 "Gefällt mir"-Klicks. Hoyerswerda, das zeigt diese Initiative, will dieses Mal besser vorbereitet sein auf seine "Gäste in Not".

Von Markus Kremser