Ordensschwester und Frauenrechtlerin Lea Ackermann wird 80

Hartnäckige Powerfrau mit wachem Herzen

Veröffentlicht am 02.02.2017 um 15:50 Uhr – Lesedauer: 
Hartnäckige Powerfrau mit wachem Herzen
Bild: © KNA
Kirche

Boppard ‐ Sie ist eine Ordensfrau, die nicht nur hinter Klostermauern wirkt: Lea Ackermann setzt sich für Prostituierte und misshandelte Frauen ein. Am Donnerstag wurde die "Powerfrau" 80 Jahre alt.

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Abgesprochen haben sie sich nicht, die Politikerin und der Staatsanwalt. Doch die Art, wie sie Lea Ackermann charakterisieren, ist sehr ähnlich. "Sie ist uns quasi richtig auf die Nerven gegangen, aber nur so erreicht man was", flüstert der Koblenzer Staatsanwalt seinem Banknachbarn zu. Weil es ihm imponiert hat, wie Ackermann über Jahrzehnte für die Strafverfolgung von Zuhältern eintrat, ist der Jurist zum Festakt zu ihrem 80. Geburtstag nach Boppard-Hirzenach gekommen.

Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zeigt sich beeindruckt: "Ihre absolute Hartnäckigkeit hat mir immer imponiert", sagt sie zu der "Powerfrau". Ackermann zeige unterdrückten Frauen, "dass sie wertvoll sind, dass man sie unterstützt". Der Trierer Bischof Stephan Ackermann sagt, seine Namensvetterin habe sich trotz ihrer 80 Jahre ein "waches Herz, eine Jugendlichkeit bewahrt".

Seit 1985 ist Ackermann als Gründerin und Vorsitzende die treibende Kraft hinter Solwodi. Dass sie zu ihrem Lebensthema fand, ist eine von vielen schicksalhaften Wendungen ihrer Biografie, die 1937 in Völklingen begann und die Saarländerin zunächst als Bankkauffrau nach Saarbrücken und Paris führte. Mit 23 Jahren trat sie 1960 den Weißen Schwestern bei - "weil ich fromm war - und bin", und weil sie die Welt sehen wollte.

Bild: ©KNA

Schwester Lea Ackermann (r.), Gründerin der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Solwodi, und ihre künftige Nachfolgerin, Schwester Annemarie Pitzl.

Zunächst studierte sie Theologie, Pädagogik und Psychologie. Mit Afrika kam sie erstmals 1967 in Kontakt, als sie Lehrerin an einer Internatsschule in Ruanda wurde. Nach fünf Jahren kehrte sie zurück nach München, arbeitete an ihrer Doktorarbeit und wurde Bildungsreferentin beim Hilfswerk Missio.

Ihre Ordensleitung entsandte sie 1985 als Lehrerin ins kenianische Mombasa. Das Leid junger Frauen ohne Schulbildung, die ihre Körper für Geld reichen Sextouristen anboten, erschütterte die Schwester; sie wollte etwas tun. Doch wie? "Ich war ohne Mittel; wir Schwestern hatten damals nicht mal Taschengeld", erinnert sie sich bei dem Festakt.

Einrichtungen in Afrika und Europa

So schrieb sie Bittbriefe, trommelte um Spenden - und konnte so im Oktober 1985 die Organisation "Solidarity with Women in Distress" (Solidarität mit Frauen in Not) gründen. Jungen Frauen bietet Solwodi die Möglichkeit einer fundierten Ausbildung etwa zur Schneiderin, Friseurin, Köchin, Lehrerin oder Mechanikerin. Solwodi unterhält heute Beratungsstellen und Schutzwohnungen in Deutschland, Österreich, Rumänien und vor allem in Afrika.

In Deutschland kämpft Ackermann gegen das aus ihrer Sicht zu liberale Prostitutionsrecht: "Mach den Schluss-Strich - Keine Frauensklaverei in Deutschland" heißt eine Kampagne, bei der sie in einer Allianz mit einer Vorkämpferin der deutschen Frauenbewegung steht. "Alice Schwarzer hat mich schon mal als Feministin bezeichnet", sagt sie. Doch solche Bezeichnungen seien für sie nicht wichtig: "Ich bin eine normale Frau, und ich bin gegen Ungerechtigkeit."

Linktipp: "Das hat mich wütend gemacht"

Es sind 30 Jahre, seit Solwodi begonnen hat, sich für Frauen in Not einzusetzen. Im Interview erklärt Gründerin Lea Ackermann, wie aus einem provisorischen Projekt in Kenia eine international tätige Hilfsorganisation wurde. (Artikel vom September 2015)

Ungerechtigkeit und Unterdrückung sieht Ackermann nicht nur in Bordellen und Zwangsehen, sondern in vielen Bereichen. In der Politik, der Wirtschaft, auch in der Kirche müssten Frauen gleichberechtigt werden, fordert sie. Es ärgert die Ordensfrau, wenn Bistümer auf den Priestermangel mit der Bildung von Großpfarreien reagieren: "Ich kann nicht verstehen, dass man lieber eine Kirche schließt, als dass man pastoral ausgebildete Frauen einsetzt."

"Ich habe viele Kinder geschenkt bekommen!"

Den Eintritt ins Kloster hat sie nach eigenem Bekunden nie bereut. Mit etwa 50 habe sie aber eine persönliche Krise gehabt: Als der Umbruch des eigenen Körpers ihr wieder bewusst machte, dass sie niemals eigenen Nachwuchs haben wird. Das sei schwer zu verkraften gewesen. "Als junges Mädchen habe ich immer viele Kinder gewollt", erinnert sie sich. "Aber dann bin ich ins Kloster gegangen und habe darauf verzichtet - bewusst! Doch was ich so schön fand: Ich habe viele Kinder geschenkt bekommen!" Denn in Boppard konnte sie den Nachwuchs von Frauen in Schwierigkeiten mit betreuen.

Seit Mitte vergangenen Jahres baut Lea Ackermann mit der Sozialpädagogin Annemarie Pitzl von der Gemeinschaft Arme Dienstmägde Jesu Christi eine Nachfolgerin auf, die einmal den Vorsitz von Solwodi übernehmen soll. Doch noch engagiert sich Schwester Lea selbst nach Kräften für ihr Lebenswerk. An ihrem Geburtstag kündigt sie an: "Wir werden weitermachen!"

Von Michael Merten (KNA)