Karl Ludwig Schweisfurth über seinen Weg zum Biobauern

"Würde auf der Strecke geblieben"

Veröffentlicht am 31.03.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Schweinezucht
Bild: © KNA
Fastenzeit

Bonn ‐ Am siebten Fastentag in Marbella stand für Karl Ludwig Schweisfurth fest, dass er sein Leben ändern muss. Damals war er Europas größter Fleischwarenfabrikant und Präsident der Europäischen Fleischwarenindustrie - und ihm war hundeelend. Er wollte nicht mehr Teil des achtlosen, industriellen "Massakers" an Nutztieren sein.

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Heute wirbt er für nachhaltige Landwirtschaft, respektvollen Umgang mit Nutztieren und eine lebenswerte Zukunft, auch in seiner nach ihm benannten Stiftung. In seinem Buch "Der Metzger, der kein Fleisch mehr isst..." blickt der 83-Jährige in 14 Kapiteln auf sein Leben zurück und lässt den Leser an seinem eindrucksvollen Gewinnungswandel zum überzeugten Biobauern teilhaben.

An jenem Fastentag im Januar 1984 in Südspanien hatten sich, so Schweisfurth im Rückblick, "Klarsicht und Ruhe" eingestellt. Sein Unternehmen - mit einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden D-Mark und rund 5.500 Beschäftigen in ganz Europa - hatte Probleme, die nur über maßloses Wachstum und weitere Rationalisierung zu lösen waren. So wollte der 54-Jährige aber nicht mehr weitermachen: "Ich begriff, dass es eine Chance gab, das Falsche zu lassen und das Richtige zu tun." In Zukunft wollte er achtsamer mit dem Leben umgehen.

USA-Reise lehrte das Töten von Tieren im Akkord

Hineingeboren in eine traditionelle Metzgerfamilie, lernte auch er das Handwerk, das aufgrund fehlender Kühlmöglichkeiten zunächst nur die Warmschlachtung und sofortige Weiterverarbeitung kannte. Als 25-Jähriger besuchte er 1955 bei einer USA-Reise amerikanische Schlachtfabriken. Dort erlebte er das Töten von Tieren im Akkord und mit technischer Perfektion, was ihn nachhaltig beeindruckte. Zurück in seiner Heimat fing er an, Produktionsabläufe zu ändern und konnte rasch expandieren. Aus dem Familienbetrieb wurde - mit dem Einzug von Kühlungsmöglichkeiten und Bolzenschussmaschinen - das Großunternehmen "Herta". Derweil sei die Würde von Mensch und Tier "schleichend und fast unbemerkt auf der Strecke geblieben", bemerkt Schweisfurth im Nachhinein.

Bild: ©Hans-Günther Kaufmann

Karl Ludwig Schweisfurth wurde von Europas größtem Fleischfabrikanten zum Bio-Bauern.

Es waren mehrere Erlebnisse, die bei dem Großunternehmer einen Gesinnungswandel einleiteten - seine Kinder waren daran nicht ganz unschuldig. Da war zum einen Tochter Anna, die als Achtjährige in ein Meeting mit Geschäftspartnern platzte, weil sie ihren Vater bat, ein Pferd vor dem Schlachter zu bewahren. "Es war ein Leben gerettet worden", erinnert sich der Autor an jenen denkwürdigen Sommertag 1970. Später war es Sohn Karl, der seinen Vater mit der Forderung konfrontierte, das Tierleid in Mastanlagen zu ignorieren. Das wollte Schweisfurth nicht auf sich sitzen lassen und machte sich ein eigenes Bild. Der Anblick der im Dunklen und unerträglichem Gestank zusammengepferchten Tiere rührte ihn zu Tränen - "und dennoch habe ich nichts gesehen, was ich nicht schon wusste".

Dennoch sei der Besuch in der "Schweinehölle" kein "Damaskus-Erlebnis" gewesen. Er habe noch fünf Jahre gebraucht, bis er mit der Großproduktion abschließen konnte. "Aber irgendwann hat man nur noch die Wahl: taub zu werden - an Ohr und Seele - oder das Gehörte zu bedenken und tätig zu werden."

Tiere führen "ein richtig gutes Schweineleben"

1984 verkaufte er seinen Großbetrieb und schuf bei München die Herrmannsdorfer Landwerkstätten, einen ökologischen Vorzeigebetrieb mit rund 200 Beschäftigen. Auch dort werden Tiere geschlachtet, aber sie führten vorher "ein richtig gutes Schweineleben", dürfen auf der Weide in der Erde wühlen und aneinandergeschmiegt schlafen. Die wenigen Schritte von der Weide zum Schlachthaus werden sie von einem vertrauten Menschen und einem Artgenossen begleitet. Wird ein Tier getötet, achten die Angestellten auf eine ruhige und achtsame Atmosphäre. Kunden können dies bei einem Schlachtfest hautnah miterleben und die aus noch warmem Fleisch sofort verarbeiteten Produkte verkosten. "In dem schlachtwarmen Fleisch ist noch alles drin an lebendigen Energien, die sich in ganz kurzer Zeit abbauen und verschwinden", erfahren sie.

Schweisfurth weiß, dass er nicht die Welt retten kann. Aber er wird nicht müde, für Fleischkonsum aus artgerechter Haltung, bewusstere Lebensführung und nachhaltige Landwirtschaft zu werben - auch wenn diese ihren Preis haben. Natürlich sei die Herstellung hochwertiger "Lebens-Mittel" teurer als die industrieller, oft minderwertiger Nahrungsmittel, räumt Schweisfurth ein. Aber: "Das Teure kommt uns nicht so teuer wie das mit aller Gewalt Billige."

Der Buchtitel "Der Metzger, der kein Fleisch mehr isst..." führt den Leser zunächst etwas in die Irre, bezeichnet sich Schweisfurth doch als "Auswärts-Vegetarier". Die Erklärung kommt auf der Rückseite des Buchcovers: "... wenn er nicht genau weiß, wo es herkommt, und wie das Tier gelebt hat." Die Lebens- und Entwicklungsgeschichte Schweisfurths ist unterhaltsam und mitunter augenzwinkernd geschrieben. Die warme Erzählweise, in der er nicht nur seinen Vorfahren, sondern auch seinen Kindern und Enkeln ein kleines Denkmal setzt, machen es dem Leser leicht, sich mit Schweisfurth und seinen Gedanken anzufreunden.

Von Angelika Prauß (KNA)

Buchtipp

Das Bucg "Der Metzger, der kein Fleisch mehr isst..." von Karl Ludwig Schweisfurth ist im oekom-Verlag erschienen.