Der Muttertag hat eine lange Geschichte

Zwischen Dank und Kitsch

Veröffentlicht am 10.05.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Muttertag

Bonn ‐ Eigentlich waren es die Engländer, denen wir einen besonderen Ehrentag für Mütter verdanken. Allein Deutschlands Blumenbranche kann deswegen Jahr für Jahr im Mai einen Extra-Umsatz von rund 175 Millionen Euro einstreichen. Doch auch Napoleon spielt eine Rolle in der langen Tradition des Muttertages , genauso wie eine Amerikanerin, der jedoch die Kommerzialisierung des Tages bald zu viel wurde und die deshalb eine Abschaffung befürwortete.

  • Teilen:

Unter König Heinrich III. führte England im 13. Jahrhundert einen "Mothering Sunday" ein, an dem nicht nur der Kirche als Mutter der Christenheit gedacht wurde, sondern an dem die weltlichen Herren ihrer zum Teil noch kindlichen oder jugendlichen Dienerschaft dienstfrei gaben. Wenigstens einmal im Jahr sollte es die Möglichkeit geben, dass Kinder und Eltern gemeinsam zur Kirche gingen.

Anfang des 19. Jahrhunderts war es dann Napoleon, der einen Tag zu Ehren der Mütter einführen wollte. Sein Plan wurde jedoch nie realisiert: Die Niederlage von Waterloo und der daraus folgende Verlust des Kaiserthrons hinderten den kleinen Korsen daran, sich öffentlich als guter Sohn zu präsentieren.

Pfingstrose
Bild: ©Birute Vijeikiene/Fotolia.com

Pfingstrosen

Wahrerin der Tradition

Ernst mit einem weltweiten Muttertag wurde es erst im Jahr 1914, als in den USA der zweite Sonntag im Mai als neuer nationaler Feiertag eingeführt wurde. Gegen den Willen der eigentlichen Mutter dieses Muttertages, Anna Marie Jarvis, wurde dieser Tag jedoch bald so stark kommerzialisiert, dass sie ihre Aktivitäten bereute und sich – erfolglos – für dessen Wiederabschaffung einsetzte.
Statt als Propagandistin einer zusätzlichen Geschenkewelle hatte sie sich als Wahrerin der Tradition ihrer Mutter verstanden, die als Ehefrau eines methodistischen Pfarrers schon 1865 einen "Mothers Friendship Day" ins Leben gerufen hatte, der ausgerechnet zu Zeiten des amerikanischen Bürgerkrieges Pazifismus propagierte und die Frauen anhielt, über ihrer Rolle in der Gesellschaft nachzudenken.

In der Bibel haben Frauen eine wichtige Rolle

Diese Tradition weiblichen Selbstbewusstseins droht mittlerweile unter einer Kruste von Kitsch und Kommerz zu verschwinden. Dabei kann sie sich sogar auf die Bibel berufen, die Frauen trotz der zentralen Stellung von Maria als Gottesmutter bei weitem nicht nur auf die Mutterrolle reduziert.

Ganz im Gegenteil. Da ist im Alten Testament beispielsweise Ester, die es als Jüdin bis zur Königin Persiens brachte und die durch ihr entschlossenes Handeln einen Völkermord an den Juden verhinderte. Da ist ebenso die Wirtin Rahab, von der die Bibel auch als "Hure" spricht. Ihr ist es zu verdanken, dass das israelitische Heer die Stadt Jericho einnehmen konnte. Als kleine Pointe heiratete sie später laut einer Aufstellung des Matthäusevangeliums einen gewissen Salmon und gebar den Boas, was sie unmittelbar zu einem Teil des Stammbaums Jesu macht: sicher keine schlechte Karriere für eine ehemalige Prostituierte.

Jesus behandelte Frauen anders als die Männer seiner Zeit

Auch das Neue Testament kennt starke und selbständige Frauen, die von Jesus offenbar angezogen wurden und mit denen er einen Umgang pflegte, der in der patriarchalen Gesellschaft seiner Zeit auf Unverständnis und Ablehnung stoßen musste. Weigerte er sich doch schlicht, sie so zu behandeln wie die Männer seiner Umgebung.

Zu nennen ist hier in erster Linie Maria Magdalena, die vom Evangelisten Lukas als eine Kranke geschildert wird, die Jesus von ihrer Besessenheit befreite. Von da ab folgte sie ihm mit einer Gruppe anderer Frauen, die er ebenfalls geheilt hatte, quer durch Israel.

Player wird geladen ...
Video: © katholisch.de

Was bloß schenken zum Muttertag und worauf kommt es an? Katholisch.de hat nachgefragt.

Maria Magdalena muss eine selbstbewusste Frau gewesen sein, die von Jesus geschätzt wurde und die den Männern in seiner Umgebung in keiner Weise nachstand. Dafür spricht nicht nur, dass sie ihren Namen aus ihrem Herkunftsort und nicht – wie sonst üblich – von ihrem Ehemann oder ihrem Vater ableitet, auch ihre Rolle bei der Verhaftung und Verurteilung Jesu, bei seiner Kreuzigung und schließlich bei seiner Auferstehung am Ostermorgen deuten auf eine herausgehobene Stellung hin. Den Kirchenlehrer Augustinus brachte das dazu, sie als "Apostolin der Apostel" zu ehren, und nicht nur für die feministische Theologie dürfte sie längst eine der bedeutendsten Personen der Kirchengeschichte darstellen.

Auch Frauen haben zur Zeit des Paulus Verantwortung getragen

Zwar ist trotz allem die barsche Anweisung des Apostels Paulus nicht zu übergehen, die Frau habe in der Kirche zu schweigen, doch sogar bei Paulus selbst finden sich ebenfalls Textstellen, die in eine ganz andere Richtung weisen. Am Ende seines Römerbriefs belegt er beispielsweise mit einer eindrucksvollen Grußliste, dass in den Gemeinden des frühen Christentums neben den Männern auch Frauen Verantwortung trugen.

Und schließlich ist es ausgerechnet dieser Paulus, der aus seinem Religionsverständnis heraus überhaupt keine Unterschiede mehr zwischen den Geschlechtern gelten lassen will. In seinem Brief an die Galater schreibt er in einer Passage, mit der evangelische Theologen gern die Öffnung geistlicher Ämter für Frauen rechtfertigen: "Es gibt nicht mehr Juden und Griechen (d. h. Nichtjuden), nicht mehr Sklaven und Freie, nicht mehr Mann und Frau, denn ihr seid jetzt alle vereint in Christus Jesus."

Einen ganz speziellen Dank an die Mütter sollte das allerdings nicht verhindern. Am besten mit einem wunderhübschen Frühlingsstrauß in der Hand.

Von Uwe Bork

Zur Person

Uwe Bork ist Leiter der Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks (SWR).