Hirte zwischen Hochkultur und Händeschütteln
Es muss für einen lebensfrohen Rheinländer herausfordernd sein, ins Frankenland zu ziehen, gelten dessen Ureinwohner doch als eher zurückhaltend und wortkarg. Aber die Franken sind auch fromm und fastnachtsliebend. Und durch diese Tür trat der Kölsche Jung Friedhelm Hofmann ein, als er im September 2004 sein Amt als Bischof von Würzburg antrat. Am 12. Mai wird er 75 Jahre alt und erreicht damit das Pensionsalter.
Mit Hofmann erhielten die Würzburger zum zweiten Mal in Folge einen Bischof, der nicht aus ihrem Sprengel stammte – und es war ein Glücksgriff. Der gebürtige Kölner kam als leutseliger und offener Oberhirte in die Stadt. Schon am Abend seiner Amtseinführung begann er, sich die Sympathie seiner neuen Herde zu erobern; mit einem Schoppen Frankenwein in der Hand und einem Strahlen auf dem Gesicht.
Als "Kirche für die Menschen" bezeichnet sich die Diözese Würzburg gerne – und kaum einer verkörpert das so sehr wie der Chef selbst. Hofmann ist ein nahbarer Bischof. Wenn er eineinhalb Stunden lang ein Pontifikalamt zur Bistumswahlfahrt gefeiert hat, steht er danach noch einmal so lange auf dem Festplatz neben dem Dom, um mit den Gläubigen ins Gespräch zu kommen. Man merkt ihm an, dass Bischof Friedhelm nicht in erster Linie Manager einer kirchlichen Struktureinheit sein will. Und das nordbayerische Bistum machte ihm das in den zurückliegenden fast 13 Jahren auch nicht allzu schwer: Strukturell steht die Diözese gut da und auch das Glaubensleben floriert an vielen Orten.
Eine Großbaustelle geerbt
Was nicht bedeutet, Hofmann hätte keine Herausforderungen zu meistern gehabt. Von seinem Vorgänger Paul-Werner Scheele hatte der neue Bischof eine Großbaustelle geerbt: die Strukturreform des Bistums. Kern des Plans bildete die Überführung von über 600 Pfarreien und anderen Seelsorgeeinheiten in gut 170 Pfarreiengemeinschaften und Großpfarreien. Der neue Bauherr Hofmann setzte dabei vor allem auf die Mitarbeit der Gläubigen: "Wir haben in den Jahren immer versucht, mit den Gremien Entscheidungen zu finden, die zum Wohl der Menschen getroffen werden", sagt er im Rückblick.
Notwendig war der Umbau angesichts der auch in Würzburg rückgängigen Gläubigen- und Priesterzahlen. Gerade in den ländlichen Regionen der Diözese ist die sakramentale Versorgung oft schwierig geworden. Doch selbst bei Katholiken mit Realitätssinn stieß der nötige Wandel nicht immer auf Gegenliebe und so gestaltete sich die vom Bischof gewünschte Kooperation zuweilen zäh. Als die Strukturreform vor wenigen Jahren verspätet abgeschlossen wurde, war sie bereits überholt; im Jahr 2016 begann Hofmann den nächsten Bauabschnitt der "Pastoral der Zukunft". Auch er wird die Baupläne nun seinem Nachfolger überlassen.
Dieser wird dafür im Bistum auch frische Spuren des Glaubens finden. An verschiedenen Stellen hat Hofmann in den vergangenen Jahren entsprechende Akzente gesetzt. So schloss er Ende 2012 eine Partnerschaft mit dem brasilianischen Bistum Obidos. Von den Gläubigen am Amazonas wollen die Franken unter anderem lernen, wie sich mit geringen Ressourcen die Seelsorge in einem riesigen Gebiet bewältigen lässt; die Diözese Obidos ist halb so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, zählt jedoch nur 7 Pfarreien und gut 20 Priester. Weitere Höhepunkte des geistlichen Lebens feierte Hofmann in den Jahren 2011 und 2016. Mit Georg Häfner und Missionspater Engelmar Unzeitig wurden in Würzburg zwei Priester seliggesprochen, die beide als Märtyrer im KZ Dachau starben.
Eine schwere Aufgabe, der sich Hofmann wie alle Mitbrüder im Bischofsamt seit 2010 zu stellen hatte, war der Missbrauchsskandal. "Äußerst schmerzlich und katastrophal" sei das Bekanntwerden der Missbrauchstaten in der Kirche gewesen. Nichts habe den Bischof so sehr belastet. Nach Angaben des Bistums wurden in den vergangenen sieben Jahren über 100 Vorwürfe wegen angeblicher Missbrauchstaten durch kirchliche Mitarbeiter erhoben. Am Ende kam es zwar nur zu einer strafrechtlichen Verurteilung, die Diözese leistete aber darüber hinausgehend in insgesamt 17 Fällen sogenannte Anerkennungszahlungen.
Würdigung durch die Bundeskanzlerin
Dass Hofmann heikle Angelegenheiten nicht scheut, zeigte sich auch an seinen pointierten Kommentaren zu politischen Themen, besonders in der Flüchtlingskrise. Als CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer mit einer Bemerkung zur Integration im vergangenen September sprachlich entgleiste, war der Würzburger Bischof einer der ersten, der die Worte des Politikers öffentlich kritisierte. Hofmanns unmissverständlicher Standpunkt und sein Engagement für die Hilfesuchenden wurde Anfang des Jahres sogar von der Bundeskanzlerin gewürdigt: Angela Merkel sprach – symbolisch bedeutsam auf CSU-Territorium – beim diözesanen Neujahrsempfang über Chancen einer pluralen Gesellschaft.
Ebenfalls politisch ging es bei einem jährlichen Standardtermin im bischöflichen Kalender zu, dem wohl auch Hofmanns Nachfolger kaum wird ausweichen können. Es ist jedoch eine Verpflichtung der angenehmeren Sorte: die Teilnahme an der TV-Sitzung "Fastnacht in Franken". Von seinem bischöflichen Ehrenplatz in erster Reihe sorgte Hofmann dort für eine Prise rheinischer Karnevalsstimmung im fränkischen Narrentreiben – und gewiss auch für den ein oder anderen neiderfüllten Blick bei seinen Diözesanen vor den heimischen Bildschirmen.
Dabei würde man Friedhelm Hofmann mit Blick auf seine Vita eigentlich eher in der Hochkultur verortet sehen. Geboren wurde er als dritter von vier Brüdern am 12. Mai 1942 in Köln, wo er seine ersten Lebensjahre verbrachte. Nach Abitur in Neuss und Studienbeginn in Bonn wechselte er 1967 ins Kölner Priesterseminar. In dieser Zeit widmete er sich neben der Priesterausbildung auch intensiv der bildenden Kunst. Im universitären Atelier übte er sich selbst im Handwerkszeug der Malerei. 1979 dann – Hofmann war mittlerweile Kölner Domvikar – wurde er mit einer kunstgeschichtlichen Arbeit promoviert. Zwei Jahre später wurde ihm die Künstlerseelsorge im Erzbistum Köln übertragen.
"Das, was in der Kultur an Fragen sichtbar wird, hilft auch der Kirche, aktuell und zeitgemäß ihre Aufgabe wahrzunehmen", sagt Hofmann über sein Engagement. Sein Interesse an zeitgemäßer und moderner Kunst hat dabei auch das Bistum Würzburg sichtbar geprägt. Dafür stehen etwa die Renovierungen und Umgestaltungen zahlreicher Kirchen des Bistums während seiner Amtszeit – inklusive des Würzburger Kiliansdoms. Vom Kunstsinn des Bischofs zeugt aber auch das Wirken des Kunstreferenten und Domkapitulars Jürgen Lenssen, der in Hunderten Kirchen und Kapellen, vor allem aber in einem Netzwerk von Museen eine bemerkenswerte künstlerische Landschaft in der Diözese geschaffen hat. Gewiss ging es in diesem Gespann nicht immer reibungslos zu. Doch am Ende – Lenssen geht demnächst ebenfalls in Ruhestand – steht ein fulminantes Gesamtkunstwerk eines kongenialen kirchlichen Künstlerduos.
Auch in der Deutschen Bischofskonferenz ist Hofmann für Fragen der Kultur zuständig. Als stellvertretender Vorsitzender gehört er seit einem Vierteljahrhundert der entsprechenden Kommission an. Daneben ragt sein Vorsitz in der Liturgiekommission hervor, in die er ebenfalls bereits als Kölner Weihbischof gewählt wurde. Dort hat der Würzburger Bischof vor allem ein großes Werk vorzuweisen: das Ende 2013 eingeführte neue "Gotteslob". Auch an der Erstellung der revidierten Einheitsübersetzung der Bibel war er beteiligt.
Solch monumentale Werke wird Hoffmann im Ruhestand wohl nicht mehr angehen. Nach eigenem Bekunden will er sich dann von allen Verpflichtungen fernhalten. Doch noch ist es nicht soweit. Stimmen die Gerüchte, wird bis zum Abschied der Würzburger von ihrem Bischof noch viel Wasser den Main hinunterfließen: Am 13. September hat Hofmann sein Silbernes Bischofsjubiläum. Dem Vernehmen nach möchte er dieses noch auf dem Bischofsstuhl feiern.