Kardinal wegen Nichtanzeige vor Gericht
Der Lyoner Kardinal Philippe Barbarin ist am Dienstag wegen Nichtanzeige sexueller Übergriffe vor Gericht angehört worden. Er erschien allerdings nicht persönlich, sondern wurde von seinem Anwalt vertreten. Die Hauptverhandlung findet ab 4. April 2018 statt, wie das Gericht am Dienstag mitteilte; das Urteil soll am 6. April verkündet werden. Beschwerdeführer sind zehn Opfer eines pädophilen Priesters, ehemalige Pfadfinder aus der zweiten Hälfte der 80er Jahre. Sie werfen Barbarin vor, im Jahr 2007 entsprechende Vorwürfe gegen den Priester, Bernard Preynat, nicht weiterverfolgt zu haben. Insgesamt soll dieser gegen mindestens 70 Kinder übergriffig geworden sein.
Die Zeitung "Le Figaro" berichtete am Abend weitere Details von der "sehr technischen" Vorverhandlung. Zur Aussage geladen sind demnach fünf weitere Vertreter der Erzdiözese Lyon sowie der neue spanische Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Erzbischof Luis Ladaria Ferrer. Das Blatt berichtet, Ladaria habe in seinem früheren Amt, ebenfalls in der Glaubenskongregation, Barbarin schriftlich geraten, "die notwendigen disziplinarischen Schritte zu unternehmen und gleichzeitig einen öffentlichen Skandal zu vermeiden". Nun stehe auch gegen ihn der Vorwurf der "Komplizenschaft" im Raum, so die Zeitung, da er den Kardinal nicht ausdrücklich aufgefordert habe, die Zivilbehörden einzuschalten.
2016 wurde anderes Verfahren gegen Barbarin eingestellt
Bereits 2016 war gegen Barbarin wegen Nichtanzeige sexueller Übergriffe eines anderen pädophilen Priesters ermittelt worden. Damals stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach einigen Monaten ein; es habe keine Hinweise auf eine Straftat seinerseits gegeben. Mitte August hatte der Kardinal im Interview der Zeitung "Le Monde" Fehler im Umgang mit Anzeigen sexuellen Missbrauchs eingeräumt. Sein Vorgehen 2007 sei der Schwere der Vorfälle "nicht angemessen" gewesen, so der französische Primas. Heute dürfte der betreffende Priester nicht mehr weiteramtieren, so Barbarin. Sein eigenes damaliges Verhalten bezeichnete der Kardinal als Fehler, besonders gegenüber den Opfern. Zugleich betonte er, "absolut nichts vertuscht" zu haben. Dieses Wort sei in dem Kontext "unzulässig".
Barbarin erklärte, der betreffende Priester habe nach einer Anzeige im Jahr 2007 beteuert, seit 1991 sei nichts mehr vorgefallen. Dies habe er prüfen lassen und den Priester damals im Amt belassen. "Einige sagen, dass das nicht möglich ist, da Missbrauchstäter unweigerlich Wiederholungstäter seien", so der Primas. Tatsächlich sei aber bis heute nichts mehr aktenkundig geworden. (KNA)