Welt-Mädchentag: Pink ist das neue stark
Pink – das ist die Farbe des Internationalen Mädchentages am 11. Oktober, zumindest in Deutschland. Das Ulmer Münster, der Funkturm in Berlin oder das Holstentor in Lübeck und weitere insgesamt rund 50 Wahrzeichen werden für diesen Tag in der kräftigen Farbe angestrahlt. Pink habe "eine starke Signalkraft und vermittelt Lebensfreude und Zuversicht, genau das, was benachteiligte Mädchen und junge Frauen motivieren kann, für sich und ihre Rechte einzustehen", erklärt das Hilfswerk Plan International, das Initiator der Aktion ist. Denn darauf will der Internationale Mädchentag, der von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen wurde, aufmerksam machen: die weltweite Benachteiligung von Mädchen in den verschiedensten Lebensbereichen. Auch katholische Hilfsorganisationen setzen sich in vielen ihrer Projekte gezielt für die Förderung von Mädchen ein. Dafür initiieren sie Projekte oder unterstützen Partner in anderen Ländern – oft seit Jahrzehnten. Ihr Engagement zeigt inzwischen Erfolge, erntet aber auch Kritik.
"Mädchen und Frauen brauchen ihren eigenen Raum", meint Elise Bohlen beim katholischen Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit In Via. "Denn sie vernetzen sich anders, gestalten ihre Freizeit anders und lernen anders als Jungen und Männer. Das wird in Studien immer wieder gezeigt." Daher habe der an vielen seiner rund 70 Standorte in Deutschland Mädchentreffs eingerichtet, in dem Mädchen und junge Frauen unter sich sein, lernen, sich ausprobieren und gemeinsam etwas unternehmen können.
„Eine gute Ausbildung für Mädchen und generell für Kinder ist in jeder Beziehung einer der Schlüssel für die Entwicklung der Gesellschaft.“
Weitere Projekte zielen auf die Förderung von Mädchen und Frauen in der Bildung und im Beruf. "Es gibt gerade an diesen Projekten immer wieder die Kritik, dass Jungen schlechtere Bildungsabschlüsse als Mädchen haben, dass sie verhaltensauffälliger sind und deshalb mehr Hilfen benötigen", so Bohlen. "Das ist zwar richtig, aber wir sehen nach wie vor eine eklatante Ungerechtigkeit in der Entwicklung der beruflichen Perspektiven für Frauen." Dazu gehörten nicht nur die im Schnitt geringere Bezahlung von Frauen bei gleicher Tätigkeit oder schlechtere Aufstiegschancen. Sondern auch, dass Familie und Beruf noch immer schwer zu vereinbaren wären und Kinderbetreuung oft Sache der Frauen seien. Wer hier etwas verändern will, muss früh ansetzen: "Wir gehen zum Beispiel in Schulen und beraten die Mädchen. Viele von ihnen haben ein sehr enges Spektrum an Berufswünschen, weil sie es beispielsweise aus der Familie nicht anders kennen oder sich nicht trauen."
Ein weiterer Schwerpunkt von In Via liegt auf der Unterstützung geflüchteter Mädchen und Frauen: "Auch für sie haben wir die verschiedensten Angebote, von Beratungen und lebenspraktischen Hilfen zur Integration in Deutschland, Berufsorientierung, Teilzeit-Berufsausbildung, bis zu Kunstprojekten." Das Ziel sei, dass Mädchen und Frauen – unabhängig von ihrer Herkunft – ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben führen können. "Dazu gehört, dass wir Angebote machen mit dem Anliegen, die Mädchen und Frauen zu stärken und Benachteiligungen auszugleichen", sagt Bohlen.
Ein emanzipatorischer Ansatz sorgt für Diskussionen
Bei allen seinen Projekten verfolge der Verband einen emanzipatorischen Ansatz – ein Frauenbild, dass man auch in die Kirche, zum Beispiel bei Tagungen der Deutschen Bischofskonferenz einbringe: "Wenn es dann zu diesem Thema Diskussionen gibt und um Positionen gerungen wird, ist das positiv", meint Bohlen.
Schon seit einigen Jahren unterstützt Misereor etwa im Irak verschiedene Projekte sowohl kirchlicher als auch nichtkirchlicher Partner. Beispielsweise das der Jiyan Foundation for Human Rights, einer Nichtregierungsorganisation, die sich unter anderem um junge Jesidinnen kümmert, die von IS-Terroristen gefangengenommen, versklavt und vergewaltigt wurden. Sie werden medizinisch versorgt, erhalten aber auch psychosoziale Begleitung und Hilfe bei der Rehabilitierung. Ein weiteres Projekt ist das des Jesuiten-Flüchtlingsdiensts (JRS) zur Prävention von häuslicher Gewalt, ein oft Tabuthema: "Davon sind die Schwächsten im Haushalt betroffen, also die Mädchen und Frauen", erklärt Astrid Meyer. Sie ist Regionalreferentin für den Nahen Osten bei Misereor.
Die Mädchen nimmt der JRS auch bei einer Fördermaßnahme für Schüler in Syrien besonders in den Blick. "Durch die kriegerischen Auseinandersetzungen ist dort viel Unterricht ausgefallen, die Kinder müssen außerdem oftmals schlimme Erlebnisse verarbeiten", sagt Meyer. Eine Situation, in denen Mädchen zugunsten der Jungen oft übergangen würden. "Die Erfahrung zeigt, dass es positive Auswirkungen auf gesellschaftliche Rehabilitierung und sozialen Fortschritt hat, wenn es für Mädchen bessere Voraussetzungen gibt, beispielsweise in der Bildung", erklärt die Referentin. So engagierten sich die Frauen später für gewöhnlich selbst für andere, was ihrer Gemeinschaft zugutekomme.
Verbesserungen für die Situation der Mädchen seien aber nicht sofort zu sehen. "Das braucht einen langen Atmen, aber es gibt bereits Erfolge", so Meyer. Beim Projekt der häuslichen Gewalt etwa sei es schon ein Fortschritt, wenn Mädchen lernten, "nein" zu sagen oder sich zur Wehr zu setzen. Diese Projekte hielten den Blick auf die vielfache Benachteiligung von Mädchen gleich welcher Religion oder Herkunft sehr wach, meint Meyer. Kritik daran gebe es oft aus dem gesellschaftlichen Umfeld der Projekte, aber auch aus den Ortskirchen, die es problematisch fänden, dass den Mädchen in den Projekten ein anderer Stellenwert eingeräumt werde als in den patriarchalen Gesellschaftsstrukturen. "Es ist in diesem konservativen Umfeld nicht einfach, eine so andere Linie zu fahren. Aber durch unsere Partner vor Ort setzen wir ein Zeichen."
"Kinder helfen Kindern" ist das Motto des Kindermissionswerks "Die Sternsinger". Seit Ende der 1970er Jahre werden mit Spenden, die hauptsächlich von Sternsingern rund um den Dreikönigstag eingesammelt werden, auch Projekte gefördert, die sich auf die Arbeit mit Mädchen konzentrieren. "Im Jahr 2016 waren es 60 Projekte mit einer Fördersumme von rund 2 Millionen Euro", sagt Thomas Römer, Pressesprecher des Hilfswerks. Auch in vielen anderen der jährlich insgesamt etwa 2.000 Projekte spiele die Arbeit mit Mädchen eine Rolle. Die Bandbreite der Projekte weltweit, die sich gezielt an Mädchen richte, reiche von Mädchenschutzheimen über die Unterstützung von jungen Schwangeren und Müttern oder die Sensibilisierung für Zwangsverheiratung bis zu Zentren für Straßenmädchen. "In Nepal haben wir ein Projekt für junge Frauen, die zur Prostitution nach Indien verschleppt worden sind. Da geht es um die Rückholung, Betreuung und medizinischen Versorgung dieser Mädchen", erklärt Römer.
Mädchen zu bilden ist sehr teuer
Ein wichtiges Mittel zur Verbesserung der Lebenssituation von Mädchen ist die Chance auf Bildung: "Die Mädchen müssen zum Lebensunterhalt der Familie beitragen und verlassen dafür oft die Schule bereits nach der Grundschule", so Römer. Das zu ändern, ist aber nicht ohne Preis: "Wir haben ein Programm in der Diözese Ho in Ghana, deren Verantwortliche sehr deutlich sagen, dass die Investition in die Schulbildung von Mädchen zu den sehr kostenintensiven Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit gehört." Denn wer zur Schule geht, kann nicht arbeiten. Daher müssten auch Anreize für die Familien geschaffen werden, etwa Arbeitsstellen für die Mütter, damit ihre Töchter weiter zur Schule gehen könnten.
Auf diese Weise nehme man die gesamte gesellschaftliche Problematik vor Ort in den Blick. "Das ist uns sehr wichtig, denn eine gute Ausbildung für Mädchen und generell für Kinder ist in jeder Beziehung einer der Schlüssel für die Entwicklung der Gesellschaft", sagt Römer. Gut ausgebildete Frauen hätten wiederum ein anderes Verständnis für die Schulbildung ihrer eigenen Kinder. "Dadurch kann man langfristige Folgen erwarten, etwa dass Geschlechterrollen, die oft noch sehr klassisch sind, aufbrechen." Von einigen Veränderungen kann Römer schon berichten: "Es gibt tolle Beispiele von Mädchen, die in unseren Projekten waren, die heute als Frauen selbst in der Projektleitung aktiv sind oder ein Studium abgeschlossen und selbst eine Familie haben."