Die Herzenswunsch-Erfüller
Noch einen letzten Traum erfüllen - dafür fährt der Herzenswunsch-Krankenwagen sterbenskranke Menschen durch ganz Deutschland. Über dieses Projekt sprach katholisch.de mit Tim Feister, Stadt- und Kreisgeschäftsführer der Malteser Leverkusen.
Frage: Herr Feister, wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Feister: Unser Vorbild war "The Wish Ambulance" in Israel, ein Ambulanzwagen, der schwerkranke Menschen an einen Ort ihrer Wahl bringt und ihnen so einen letzten Wunsch erfüllt. Wir fanden das so gut, dass es seit 2015 dieses Projekt auch bei uns Maltesern gibt. Damals kamen Mitarbeiter in einer Dienstbesprechung unseres Rettungsdienstes auf mich zu und sagten: "Das wollen wir machen!". Der Transport ist für den Patienten kostenlos und wird ehrenamtlich und allein durch Spendengelder ermöglicht. In Deutschland haben wir zur Zeit elf Malteser-Krankenwägen und schon mehr als 50 Herzenswünsche erfüllt.
Frage: Wer sind die Fahrgäste?
Feister: Wir wollen Sterbenden etwas Gutes tun. Wir arbeiten daher sehr intensiv mit Hospizstationen, Palliativeinrichtungen und Kliniken zusammen. Viele Mitarbeiter in den Einrichtungen haben richtig auf dieses Projekt gewartet und sagen: "Endlich seid ihr da, denn es gibt immer wieder Menschen, die noch etwas auf dem Herzen haben". Normalerweise sind unsere Fahrgäste Menschen, die im Sterben liegen und noch etwas erledigen möchten oder sich noch einen letzten Traum erfüllen wollen. Weil sie es aus eigenen Kräften nicht mehr schaffen oder es aufgrund der medizinischen Versorgung her, außer mit einem Krankenwagen, nicht mehr möglich ist, übernehmen wir diese Wunscherfüllung dann. Die einzige Bedingung ist, dass die Patienten transportfähig sind.
Frage: Klappt das immer so einfach?
Feister: Nein, leider nicht. Manche Fahrten können wir nicht machen, weil die Menschen zuvor verstorben sind. Ein junger Familienvater hatte sich von Herzen gewünscht, noch einmal mit seinen Kindern in den Zoo zu gehen. Wir hatten alles organisiert und auf die Minute genau geplant. Doch zwei Tage vor der Fahrt ist der Mann verstorben. Das Leben war irgendwie schneller. Jeder fünfte Wunsch wird bei uns daher leider nicht umgesetzt.
Frage: Macht man sich da Vorwürfe, wenn der Herzenswunsch-Krankenwagen zu spät kommt?
Feister: Nein. Wir brauchen schon mindestens drei bis vier Tage, einen Wunsch konkret umzusetzen und vorzubereiten. Manchmal liegt es auch daran, dass wir einfach zu spät davon erfahren, weil die Patienten zu lange gewartet haben oder ihre Anliegen erst gar nicht aussprechen. Es ist bestimmt auch nicht einfach, im Angesicht des Todes noch einen konkreten Wunsch zu formulieren. Unsere Erfahrung zeigt aber, dass die meisten Menschen vor dem Tod noch mindestens einen Wunsch offen haben. Viele verschieben das auf später oder denken, sie haben noch genügend Zeit. Manche wollen ihren nahen Tod auch einfach nicht wahrhaben. Die Krankheiten sind leider oft schneller und dann ist es zu spät. Deswegen sagen wir den Menschen auch immer wieder, bitte, meldet euch frühzeitig bei uns Maltesern.
Frage: Was berührt Sie emotional am meisten bei dieser Hilfeleistung der Malteser?
Feister: Schön ist es, wenn wir es noch rechtzeitig schaffen, einen Wunsch zu erfüllen. Emotional berührend finde ich es dann, wenn es dabei um Kinder oder Jugendliche geht. Wir hatten erst kürzlich ein junges Mädchen im Herzenswunsch-Krankenwagen transportiert, das gelähmt war und an einer schweren Muskelerkrankung litt. Sie konnte nicht mehr sprechen, ihre Mutter aber wusste, was sie sich wünschte: Einmal noch ans Meer zu fahren und den Wind im Gesicht zu spüren. Das haben wir ihr dann erfüllt und haben ihre Familie mitgenommen.
Frage: Fuhren dann alle im Krankenwagen mit?
Feister: Nein, im Krankenwagen ist nur der Fahrer und ein Sanitäter und je nach Situation ein Angehöriger. Die anderen fahren im Auto parallel mit. Es fährt auch im Normalfall kein Notarzt mit, außer wenn bestimmte Medikamente benötigt werden. Wir haben meist einen Palliativarzt, den wir von unterwegs erreichen können. Es ist für alles gesorgt. Es geht uns darum, den Menschen den Aufenthalt im Krankenwagen so angenehm wie möglich zu machen. Auch wenn etwas passieren sollte, der Krankenwagen ist so ausgestattet, dass wir für jeden Notfall vorbereitet sind. Wir informieren uns auch über die Krankenhäuser, die auf der Route liegen.
Frage: Was ist, wenn das junge Mädchen auf dieser letzten Reise verstorben wäre?
Feister: Das ist Gott sei Dank nicht passiert. Es ist alles gut gegangen und wir sind an der Nordsee angekommen und durften dort mit dem Krankenwagen sogar direkt bis ans Meer fahren. Das war sehr berührend für alle. Für eine kurze Zeit konnte die Familie ihr Leid vergessen und alle waren glücklich.
Dossier: Die letzten Dinge regeln
Vieles, was sich am Ende unseres Lebens abspielt, entzieht sich unserem Einfluss. Einiges lässt sich jedoch gut vorab regeln. Katholisch.de hat Tipps und Hilfen zur Todesfallvorsorge zusammengestellt.Frage: Gibt es auch Wünsche, die Sie nicht erfüllen?
Feister: Bei uns kann jeder anfragen und zahlt auch keinen Cent dafür. Aber die Wunschliste ist lang. Daher sortieren wir die Wünsche nach Bedürftigkeit. Das heißt, wir erfüllen nicht jeden Wunsch. Wir möchten Wünsche erfüllen, die den Menschen ein echtes Bedürfnis sind und ihnen am Herzen liegen. Ein älterer Herr wollte zum Beispiel noch einmal in seine Geburtsstadt fahren und dort einen Kaffee trinken. Wir haben ihn in einer Trage dorthin gebracht, weil er nicht mehr laufen konnte. Ein anderer Patient wünschte sich von Herzen, noch einmal mit seiner Frau im Wald Pilze zu sammeln, weil er das früher so gerne gemacht hatte. Auch das haben wir möglich gemacht und haben ihn mit einer Trage in den Wald gebracht. Es war schön zu sehen, wie er da aufgelebt ist, das war wie ein Geschenk des Himmels für ihn. Ein paar Tage später ist er dann verstorben.
Frage: Was ist der Sinn des Projektes, dass die Menschen wunschlos sterben?
Feister: Ich würde sagen, dass die Menschen nachdem sie ihren Wunsch erfüllt bekommen haben, zufriedener und vielleicht sogar leichter loslassen und Abschied nehmen können. Sie spüren, dass sie beim Sterben nicht alleine sind. Manche sind auch sehr erleichtert und dankbar, dass sie diese eine Sache noch erledigen konnten. Wenn das gelingt, dann hat sich unser Dienst gelohnt. Das wäre mein Herzenswunsch.