Letztes Buch des Benediktinerabts veröffentlicht

Odilo Lechners Vermächtnis

Veröffentlicht am 08.12.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Altabt Odilo Lechner stellt die Abteikirche St. Bonifaz vor.
Bild: © KNA
Erinnerungen

München ‐ Eigentlich hatte Odilo Lechner das Buch über sein Leben selbst vorstellen wollen. Doch der Tod kam ihm zuvor – das autobiographische Buch des Alt-Abts von Sankt Bonifaz wurde zu seinem Vermächtnis.

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Wer am frühen Abend des ersten Advent das Zentrum von Sankt Bonifaz in München betritt, den begleitet ein seltsames Gefühl. Irgendwie müsste doch jetzt der frühere Benediktinerabt Odilo Lechner, gestützt auf seinen Rollator, um die Ecke biegen? Die Räume atmen seinen Geist, denn fast 40 Jahre leitete dieser Menschenfreund den Konvent. Doch er lebt nicht mehr; er starb am 3. November mit 86 Jahren.

Einen Monat nach seinem Tod gilt es nun, ein Buch vorzustellen. Es ist sein letztes, das Lechner noch zum Druck freigeben konnte, und damit eine Art Vermächtnis. "Offen für ein großes Geheimnis - mein Leben", heißt es, erschienen im Vier-Türme-Verlag Münsterschwarzach.

Zu seinem 87. Geburtstag am 25. Januar hätte er es präsentieren wollen. Nun fällt die Aufgabe seinem Nachfolger Abt Johannes Eckert zu. "Eigenartig" nennt der die Situation, wie er da mit Co-Autor Winfried Nonhoff steht, um über das Werk zu reden.

Ein Bild seines Lebens

Verlagsleiter Nonhoff kannte Lechner seit mehr als 35 Jahren. Zwei Bücher hatten sie miteinander gemacht. Für "Wozu sind wir auf Erden?" und "Wohin gehen wir?" beantworteten sie sich gegenseitig Briefe. Der Benediktiner hatte Lust auf ein drittes, und Nonhoff konnte ihn überzeugen, die Form des Gesprächs zu wählen. Tatsächlich habe der Ordensmann starkes Interesse daran gehabt, ein Bild seines Lebens zu zeichnen und zu sichern: Umso toller seien aber jene Stellen, wo er sich habe leiten lassen, so Nonhoff. Denn Lechner war eigentlich einer, wie Abt Johannes ergänzte, "der wusste, was er will und was er sagte".

Beim Requiem für Odilo Lechner im Münchner Liebfrauendom steht ein Bild des Verstorbenen am Chorraum.
Bild: ©Robert Kiderle Fotoagentur

Beim Requiem für Odilo Lechner im Münchner Liebfrauendom steht ein Bild des Verstorbenen am Chorraum.

Vor allem von seiner Kindheit und Jugend zu erzählen, war dem Alt-Abt wichtig. Er wuchs in einem behüteten Beamtenhaushalt als Einzelkind auf. Die Mutter sei es gewesen, wie ihm später bewusstgeworden sei, die ihm unangenehme Sachen aus dem Weg geräumt habe. So gibt Lechner zu, nicht besonders streitfähig gewesen zu sein. Das bisweilen notwendige "Auf-den-Tisch-Hauen" sei nicht seine Stärke gewesen. Aber der Abt habe ja auch die Aufgabe, zu versöhnen und zu schlichten.

Erfahrungen aus der NS-Zeit

Da waren aber auch die Erfahrungen der NS-Zeit, als im Münchner Wilhelmsgymnasium alle Kreuze entfernt wurden und regimetreue Lehrer die Kirche im Geschichtsunterricht fertigmachen wollten. Sein Abitur legte Lechner im Kloster Metten ab. Danach ließen ihn die Eltern zwei Jahre in München und Innsbruck verschiedene Fächer studieren, bis er sich 1952 zum Eintritt in Sankt Bonifaz entschied. Abt Hugo Lang wurde zu seinem Förderer, dem er mit 33 Jahren im Amt nachfolgte.

Eine Liebeserklärung an Andechs mit seiner Wallfahrt und natürlich der Brauerei, die im steigenden Maß den wirtschaftlichen Rückhalt für das Kloster samt seiner sozialen und kulturellen Arbeit bot, findet sich im Buch auch. Dabei mochte Lechner gar kein Bier, sondern trank lieber Limonade. Erst als er Abt und damit zum "Brauereibesitzer" geworden sei, habe er das Bier "im rechten Maß" zu lieben gelernt.

Und da ist jener Odilo, der Literatur und Lyrik schätzte. Er zitiert Hilde Domin, Martin Walser und sogar Wolf Biermann. "Wer heute noch Hoffnung macht, der lügt. Doch wer die Hoffnung tötet, ist ein Schweinehund." Denn Hoffnung brauche der Mensch, so seine Überzeugung. Seine Gebrechlichkeit nahm Odilo an. Skifahren, Schwimmen und Radfahren waren ihm nicht mehr möglich: "Im Alter lernen wir mit etwas ganz Einfachem zufrieden zu sein und darin auch immer etwas Neues zu entdecken."

Er schätzte es, mehr Zeit zum Lesen zu haben. Und wenn er in gebückter Haltung mit dem Rollator über den Klosterhof ging, fielen ihm am Boden die Ameisen auf. "So viele kleine unscheinbare Wesen - und doch jede etwas Einzigartiges." Der Rat des heiligen Benedikt an seine Mönche, täglich den Tod vor Augen zu haben, fand er eine gute Empfehlung. "Ich kann von aktuellen Dingen etwas absehen, wenn ich mir überlege, wie ich sie beurteilen würde, wenn ich auf dem Sterbebett liegen würde. Dinge, die mich sehr bedrängen und mir Sorgen machen, werden gleichgültig." Dafür freue einen das Schöne.

Von Barbara Just (KNA)

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