Von der EKD, ihren Gliedern – und einem Missverständnis

So funktioniert die Evangelische Kirche in Deutschland

Veröffentlicht am 11.01.2018 um 13:55 Uhr – Lesedauer: 
Evangelische Kirche

Bonn ‐ Warum gibt es in der evangelischen Kirche keine Bistümer? Und was bedeutet eigentlich "evangelisch"? Katholisch.de erklärt die Entstehung und den Aufbau der Evangelischen Kirche in Deutschland.

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Was bedeutet eigentlich "evangelisch"?

Der Begriff "evangelisch" meint wörtlich "dem Evangelium gemäß". In der Reformationszeit verwendete Martin Luther (1483-1546) ihn für das Ideal einer Kirche, die sich ganz am Evangelium, also der frohen Botschaft der Heiligen Schrift ausrichtet. Diese Botschaft lautete für ihn: Die Erlösung des Menschen geschieht allein durch den Glauben an Jesus Christus. Luther gebrauchte das Wort "evangelisch" dabei als deutliche Abgrenzung zur damaligen katholischen Kirche, die er scharf kritisierte. Als Bezeichnung für die eigene Lehre lehnte er den Begriff jedoch zunächst ab, ebenso das Wort "Lutheraner", das die katholische Seite für ihn und seine Anhänger verwendete.

Die Reformation verlief nicht einheitlich. Stattdessen entstanden unterschiedliche neue Bekenntnisse: Aus der Wittenberger Reformation mit den Hauptakteuren Luther und Philipp Melanchthon ging das "lutherische" Bekenntnis hervor. Unabhängig davon entstand unter den Schweizer Theologen Ulrich Zwingli und Johannes Calvin die "reformierte" Kirche. Von Beginn an war der Protestantismus also gespalten, und es entstanden im Laufe der Zeit weltweit weitere reformatorische Bekenntnisse. Im Zuge der Konfessionalisierung wurde die Bezeichnung "evangelische Kirche" zu einer Art Oberbegriff für Kirchen, die in der Tradition der Reformation stehen. Das Wort "evangelisch" findet sich heute auch in der Selbstbezeichnung vieler dieser Kirchen. Als Synonym wird – gerade auch von katholischer Seite – der Begriff "protestantische Kirche" gebraucht.

Das Denkmal für Martin Luther in der Lutherstadt Eisleben.
Bild: ©nhermann/Fotolia.com

Das Denkmal für den Kirchenreformator Martin Luther in der Lutherstadt Eisleben.

Was ist die Evangelische Kirche in Deutschland?

Zusammenfassend wird heute häufig von den "beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland" gesprochen – der katholischen auf der einen, der evangelischen auf der anderen Seite. Doch genau genommen gibt es "die" evangelische Kirche gar nicht. Vielmehr existiert nur ein Dachverband, unter dem eine Vielzahl von selbstständigen, protestantischen Kirchen vereint ist: Dieses gemeinsame Dach ist die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Sie ist der Zusammenschluss der 20 lutherischen, reformierten sowie unierten Landeskirchen in der Bundesrepublik. Bei den unierten Kirchen handelt es sich gewissermaßen um eine "Mischform", die entstand, nachdem sich ab dem 19. Jahrhundert verschiedene lutherische und reformierte Gemeinden in Organisation und/oder Bekenntnis vereinigten. Somit existieren innerhalb der EKD drei "Haupttypen" von Kirchen, die sich durch ihre theologische Akzentsetzung voneinander unterscheiden. Sichtbar werden diese Unterschiede besonders in den jeweiligen Gottesdienstformen, bei denen grundsätzlich gilt: Die lutherische Liturgie ist der katholischen Messe wesentlich näher – zum Beispiel in der Frage der Eucharistie –, als es reformierte Gottesdienste sind.

Die 20 Gliedkirchen

Heute sind die folgenden 20 Landeskirchen, die auch als "Gliedkirchen" bezeichnet werden, in der EKD vereint: Evangelische Landeskirche Anhalts, Evangelische Landeskirche in Baden, Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig, Bremische Evangelische Kirche, Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, Lippische Landeskirche, Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland, Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg, Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche), Evangelisch-reformierte Kirche, Evangelische Kirche im Rheinland, Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens, Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe, Evangelische Kirche von Westfalen, Evangelische Landeskirche in Württemberg.

Was genau sind die Landeskirchen?

Die Landeskirchen sind nicht nur durch ein bestimmtes Bekenntnis geprägt, sondern – mit Ausnahme der Evangelisch-reformierten Kirche ­– auch auf ein bestimmtes Gebiet begrenzt. Sie haben ihren Ursprung in der Reformationszeit. Anders als in anderen Ländern gingen die deutschen Bischöfe nicht mehrheitlich zur Reformation über, sodass das hergebrachte Diözesansystem nicht einfach unter den neuen Bekenntnissen weitergeführt werden konnte. Daher übernahmen die weltlichen Landesherren wie Könige, Herzöge oder Fürsten, die ein reformatorisches Bekenntnis angenommen hatten, in ihren jeweiligen Staatsgebieten die bischöfliche Funktion. Sie ordneten auf ihren Territorien das kirchliche Leben neu und legten dabei das lutherische oder das reformierte Bekenntnis zugrunde. Unter diesem "landesherrlichen Kirchenregiment" entstanden eigene geschlossene Landeskirchen. Sie waren im Laufe der Jahrhunderte jedoch immer wieder territorialen und namentlichen Veränderungen unterworfen.

Dass die Landeskirchen historisch gewachsen sind, spiegelt sich noch heute in deren Territorien wider: Ihre Grenzen sind weitgehend identisch mit denen der Bundesstaaten und Provinzen im Deutschen Kaiserreich, wie es bis 1918 bestand. Heute üben nicht mehr Landesherrn die geistliche Leitung der EKD-Gliedkirchen aus, sondern – je nach Landeskirche – (Landes-) Bischöfe, (Kirchen-) Präsidenten, Präsides oder Landessuperintendenten. Über die wesentlichen Fragen des kirchlichen Lebens innerhalb einer Landeskirche entscheidet die Landessynode. Dabei handelt es sich um eine Art "Kirchenparlament", also ein Gremium aus gewählten Laien und Geistlichen, das in gewissen zeitlichen Abständen tagt.

Seit 2013 ist Manfred Rekowski Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Bild: ©KNA/Erika Rebmann

Seit 2013 ist Manfred Rekowski Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Warum braucht es die EKD als Dach?

Der Wunsch der Landeskirchen, mit einer Stimme sprechen zu können und das Gemeinschaftsbewusstsein zu vertiefen, spiegelte sich bereits in früheren Versuchen wider, einen Dachverband zu gründen. Eine institutionalisierte Zusammenarbeit scheiterte jedoch auf Dauer wegen konfessioneller Differenzen oder politischer Gegebenheiten in Deutschland. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelang mit der Gründung der EKD ein solcher Zusammenschluss der Landeskirchen. Gemäß ihrer 1948 in Kraft getretenen Verfassung versteht sich die EKD jedoch ausdrücklich nicht als zentral verwaltete Nationalkirche, sondern als ein Bündnis eigenständiger und konfessionsverschiedener Kirchen.

Trotz ihres unterschiedlichen Bekenntnisstandes haben alle Gliedkirchen heute uneingeschränkte "Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft"; das meint eine vollständige Kirchengemeinschaft, durch die die Mitglieder einer bestimmten Landeskirche in allen anderen Kirchen innerhalb der EKD am Abendmahl teilnehmen dürfen. Auf Bundesebene unterstützt die EKD die Landeskirchen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Sie fördert Aktivitäten, die für die gesamte evangelische Kirche von Relevanz sind, wie zum Beispiel Diakonie, Mission, Bildung sowie die Zusammenarbeit mit anderen Kirchen. Zudem nimmt die EKD öffentlich Stellung zu gesellschaftlichen Debatten.

Was sind die Gremien der EKD?

Ohne die Selbständigkeit der Landeskirchen zu beeinträchtigen, nimmt die EKD ihr übertragene Gemeinschaftsaufgaben wahr. Das geschieht durch demokratisch verfasste und gewählten Gremien: Geleitet und verwaltet wird der Dachverband vom 15-köpfigen Rat der EKD. An dessen Spitze steht der Ratsvorsitzende als Repräsentant der EKD nach außen; seit 2014 ist das der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm. Gewählt wird der Rat alle sechs Jahre von der Synode und der Kirchenkonferenz. Die Synode ist das Parlament der EKD. Sie berät und entscheidet über Kirchengesetze und den Haushalt der EKD, erörtert Fragen kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens und fasst Beschlüsse dazu. Die Synode, an deren Spitze ein gewählter Präses steht, tagt einmal im Jahr. Die sogenannte Kirchenkonferenz besteht aus leitenden Theologen und Juristen der Gliedkirchen. Sie berät über gemeinsame Anliegen der Landeskirchen und erarbeitet darauf aufbauend Vorlagen für die Arbeit von Rat und Synode. Als zentrale Verwaltungsbehörde schließlich fungiert das Kirchenamt der EKD mit Sitz in Hannover. Es ist die Dienststelle des Rates, der Synode und der Kirchenkonferenz und nimmt deren Geschäfte wahr.

Innerhalb der EKD sind verschiedene Landeskirchen noch einmal zu separaten konfessionellen Bünden zusammengeschlossen: so zur Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), zur Union Evangelischer Kirchen (UEK) – die vornehmlich aus den reformierten und unierten Landeskirchen besteht – sowie zur kleineren Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. VELKD und UEK verfügen über eigene Parlamente, die im Vorfeld einer EKD-Synode tagen.

Bild: ©KNA

Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Stroh ist Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Wie viele Mitglieder hat die EKD?

Wie aus der im vergangenen Juli veröffentlichten Kirchenstatistik hervorgeht, gehörten zum Stichtag 31.12.2016 gut 21,9 Millionen Menschen einer der 20 Gliedkirchen der EKD an. Damit weist die EKD die zweithöchste Mitgliederzahl der Religionsgemeinschaften in Deutschland auf. Auf Platz 1 liegt die katholische Kirche mit rund 23,6 Millionen Mitgliedern. Die mitgliederstärkste Gliedkirche ist die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers mit etwa 2,6 Millionen Gläubigen. Die Evangelische Landeskirche Anhalts dagegen weist die wenigsten Mitglieder auf, nur knapp 34.000 waren es Ende 2016. Das kirchliche Leben innerhalb der EKD spielt sich in deutschlandweit insgesamt 14.000 Kirchengemeinden ab.

Sind in der EKD alle deutschen Protestanten vereint?

Obgleich die große Mehrheit der protestantischen Kirchen unter dem Dachverband vereint ist, bedeutet das nicht, dass sämtliche "evangelische" Christen hierzulande zur EKD zählen. Der Bund Evangelisch-reformierter Kirchen Deutschlands beispielsweise ist ein loser Zusammenschluss von selbständigen reformierten Kirchen beziehungsweise Gemeinden, die keiner Gliedkirche der EKD angehören. Als sogenanntes "assoziiertes Mitglied" arbeitet der Bund jedoch in vielen Bereichen mit der EKD zusammen. Daneben existieren jedoch auch vollkommen eigenständige protestantische Kirchen wie etwa die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK), deren Gemeinden in ganz Deutschland verteilt sind. Einen nicht ganz unerheblichen Teil machen hierzulande schließlich die verschiedenen evangelischen Freikirchen aus, die 2016 zusammengenommen über etwa 292.000 Mitglieder verfügten.

Von Tobias Glenz