Eine drastische Mahnung mit nur 380 Kalorien
Sie gilt als weltweit wichtigste Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau. Doch für die meisten Besucher ist die Internationale Grüne Woche in Berlin wohl vor allem ein kulinarisches Erlebnis. Schließlich locken zahllose Aussteller in den Messehallen rund um den Funkturm mit leckeren regionalen Spezialitäten. Insbesondere an den Ständen der deutschen Bundesländer stehen essen und trinken klar im Mittelpunkt: Ob Bier aus Brandenburg, Wurst aus Thüringen oder Wein aus Baden-Württemberg – Besucher können sich auf der Grünen Woche problemlos auf eine Genuss-Reise quer durch Deutschland begeben.
Dass das gut ankommt, zeigt sich schon am frühen Vormittag: Schnell sind die gut beheizten Messehallen in diesen kalten Januartagen überfüllt. An vielen Ständen sieht man rotgesichtige Besucher, die bereits kurz nach dem Frühstück das erste Bier trinken oder voll Freude in ein Fischbrötchen beißen. Die Grüne Woche, von manchen auch "größte Fress- und Saufmesse der Welt" genannt, ist damit ungewollt auch ein Sinnbild für die Überflussgesellschaft.
Misereor setzt hier einen deutlichen kulinarischen Kontrapunkt. In Halle 5.2 präsentiert sich das katholische Hilfswerk gemeinsam mit dem Entwicklungsministerium und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen unter dem Leitwort "Eine Welt ohne Hunger ist möglich – mit fairem Einkauf und fairer Produktion". Zwar gibt es auch am Stand von Misereor für die Besucher etwas zu essen – allerdings nur "Mini-Mahlzeiten" von maximal 380 Kalorien. Das Hilfswerk will damit auf die dramatische Situation von Kindern in Ostafrika und anderen schwach entwickelten Regionen aufmerksam machen. Dort, so klärt ein Flyer auf, müsse ein unterernährtes Kind täglich mit einer Essensration von gerade einmal 380 Kalorien auskommen.
Immer noch weltweit 815 Millionen Hungernde
Trotz aller Fortschritte im Kampf gegen den Hunger leiden nach Angaben von Misereor weltweit immer noch rund 815 Millionen Menschen an Unterernährung. Ursachen dafür seien vor allem Armut, Umweltzerstörung, der fortschreitende Klimawandel und Landraub. Auch Spekulationen mit Nahrungsmitteln sowie die Benachteiligung von Kleinbauern gegenüber globalen Konzernen trügen dazu bei, dass der Hunger noch nicht besiegt sei.
Paradox ist jedoch, dass es eigentlich genug Nahrung für alle Menschen gibt. "Schon heute werden Lebensmittel für mehr als 12 Milliarden Menschen produziert, die Weltbevölkerung umfasst rund 7,7 Milliarden", so Misereor. Entscheidend sei deshalb, dass die Nahrungsmittel besser und gerechter genutzt und verteilt würden. Bislang landen laut dem Hilfswerk zu viele Lebensmittel auf dem Müll – allein 1,3 Milliarden Tonnen verderben, bevor sie in den Handel kommen – und zu viel Getreide wird für Tierfutter, Agrartreibstoff oder die Herstellung von Kunststoff verwendet.
Jenseits der "Fressmeilen" der Grünen Woche präsentieren sich in Halle 4.2 auch die Katholische Landvolkbewegung (KLB) und die Katholische Landjugendbewegung (KLJB). Die KLB, die ihren Stand gemeinsam mit dem Evangelischen Dienst auf dem Land betreibt, informiert vor allem über ihr Engagement für Menschen auf dem Land. Ziel sei es, den ländlichen Raum als lebenswerte Region zu erhalten. Auf bunten Postkarten wirbt der Verband für seine Themen, zum Beispiel die Idee eines regionalen und saisonalen Einkaufs von Lebensmitteln. "Regionalität heißt kurze Transportwege, geringerer Energieverbrauch, mehr Frische und größere Lebensfreude", so die KLB. Weitere Themen sind die regionale Dorfentwicklung und die Persönlichkeitsentwicklung von Menschen auf dem Land.
Landjugendbewegung wirbt für Nachhaltigkeit
Die Landjugendbewegung stellt an ihrem Stand ihre Kampagne "Turn it! Hier gedreht, Welt bewegt." vor. Die Aktion, die bis zum 31. Dezember läuft, will junge Menschen für das sperrige Thema Nachhaltigkeit begeistern. "Mit unserer Kampagne wollen wir zeigen, dass wir mit unserer Landjugendarbeit in vielen Aktionen, Gruppenstunden und mit unserer Bildungsarbeit die Welt bewegen können. Denn was im Kleinen gedreht wird, kann unseren Planeten und unser Leben verändern", erklärt die KLJB-Bundesvorsitzende Stefanie Rothermel.
Zudem möchte der Jugendverband auf der Grünen Woche für das Leben auf dem Land werben. "Das Leben auf dem Land hat definitiv Zukunft", betont Rothermel. Auch wenn man nicht alle Geschäfte oder Aktivitäten direkt um die Ecke habe, sei die Lebensqualität in ländlichen Regionen sehr hoch. Damit das so bleibt, setzt sich die KLJB für gleichwertige Lebensbedingungen in Stadt und Land ein. Ihr Engagement auf der Grünen Woche beurteilen alle kirchlichen Veranstalter zur Halbzeit positiv. Die Resonanz an den Ständen sei gut, heißt es bei KLJB und Co. Auch für sperrigere Themen hat die Grüne Woche also Platz.