Feige über Handreichung: Das Maß ist voll!
Ökumenebischof Gerhard Feige hat in einem Plädoyer die umstrittene und noch nicht veröffentlichte Kommunion-Handreichung der deutschen Bischöfe verteidigt. Manchmal sei "das Maß voll und die Zeit reif, darf man eine Lösung nicht noch weiter hinauszögern, muss – selbst wenn einige immer noch im Widerspruch verharren – eine gut begründete Entscheidung fallen", schreibt Feige in einem Beitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstag). Eine solche Entscheidung sei nun gefallen. Die erarbeitete Handreichung biete zwar keine einfache Lösung, doch stehe sie im Einklang mit der Lehre der Kirche. Zudem könne sie Menschen helfen, die Freude am Glauben und an der Feier der Eucharistie zu vertiefen, die ökumenischen Beziehungen zu fördern und das Band der Ehe zu stärken, so Feige weiter. "Eine solche Chance zu vertun wäre makaber und beschämend."
Die deutschen Bischöfe hatten im Februar bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in Ingolstadt mit mehr als Dreiviertel aller Stimmen beschlossen, evangelische Partner künftig im Einzelfall zum Kommunionempfang zuzulassen. Sieben Bischöfe hatten sich daraufhin im März mit einem Brief an den Vatikan gewandt. Die Bischöfe baten darin um Klärung, ob der Beschluss mit der Glaubenslehre vereinbar sei und in die Kompetenz einer nationalen Bischofskonferenz falle oder auf universalkirchlicher Ebene entschieden werden müsse. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard, Marx und andere Bischöfe übten daraufhin Kritik an ihren sieben Amtsbrüdern. Inzwischen wurde eine Aussprache im Vatikan vereinbart.
In seinem Beitrag verdeutlicht Feige zunächst die rechtlichen Grundlagen. "Unsere Handreichung bewegt sich im Rahmen der gegenwärtigen theologischen und kirchenrechtlichen Möglichkeiten", so der Bischof. Feige untermauert dies mit Zitaten aus dem Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanischen Konzils "Unitatis redintegratio" (1964) und dem Kodex des Kanonischen Rechts (1983) sowie Lehraussagen von Papst Johannes Paul II. Vor diesem Hintergrund könne eine Bischofskonferenz oder sogar ein einzelner Bischof "verantwortlich darüber urteilen", welche Wege und Bedingungen für möglich gehalten werden, um im Einzelfall eine Mitfeier der Eucharistie auch Nicht-Katholiken zu eröffnen. "Nichts anderes ist nun endlich geschehen." Angesicht einer stark gemischt-konfessionellen Situation in Deutschland erscheine es ihm durchaus "als sinnvoll und erlaubt, ja sogar als dringlich", nicht erst auf eine gesamtkirchliche Entscheidung zu warten, sondern die Initiative zu ergreifen und eine verantwortungsbewusste Lösung vor Ort zu finden, so Feige.
Bereits vor über 15 Jahren hätten sich die deutschen Bischöfe intensiv mit der Problematik auseinandergesetzt. Das sei ins Stocken geraten, da aus Rom nie eine konkrete Definition des Begriffs "schwere Notlage" erfolgt sei, unter der auch Nicht-Katholiken an der Kommunion teilnehmen könnten. Anregungen, neu über die Frage der Eucharistie für nicht-katholische Ehepartner in Einzelfällen nachzudenken, hätte es dann in der jüngeren Vergangenheit unter Papst Franziskus gegeben, so Feige. Zuletzt sei auch bei den Feierlichkeiten zum 500. Reformationsgedenken die Kommunionfrage in konfessionsverbindenden Ehen als "ein brennendes Problem" zutage getreten. Vor diesem Hintergrund hätte die Ökumenekommission einen Textentwurf mit einer Lösungsmöglichkeit erarbeitet. Dieser sei bereits bei der Vollversammlung der deutschen Bischöfe im Frühjahr 2017 "ernsthaft" und "ausführlich" diskutiert worden.
"Vorkonziliares Kirchenbild"
Eine überarbeitete Fassung sei dann bei der Vollversammlung im Frühjahr 2018 eingebracht worden, "mit der Hoffnung auf Verabschiedung", so Feige. "Wieder kam es zu einer langen und engagierten Diskussion, bei der die Kritiker jedoch nichts Neues vorbrachten." Er habe den Eindruck gehabt, "dass nicht die mühevolle Suche nach einer verantwortbaren seelsorglichen Lösung für Einzelne ihr Interesse bestimmte, sondern die grundsätzliche Befürchtung, damit nicht mehr wahrhaft katholisch zu sein", schreibt der Bischof. "Manche scheinen immer noch einem vorkonziliaren Kirchenbild verhaftet zu sein und die katholischen Prinzipien des Ökumenismus wenig verinnerlicht zu haben."
Nachdem mehr als Dreiviertel der anwesenden Bischöfe der vorliegenden Version grundsätzlich zugestimmt hätten, seien bis zum 15. März noch leichte Modifikationen vorgenommen worden, so Feige weiter. Das Dokument vor einer Veröffentlichung nach Rom zu schicken, sei von der Mehrheit nicht als notwendig erachtet worden. "Angesichts des enormen Vorlaufs von 20 Jahren sowie der vielfältigen und intensiven Auseinandersetzungen mit dem Entwurf in der jüngsten Zeit kann von einer Blitz- oder Überrumplungsaktion und mangelhafter Vorbereitung nicht die Rede sein", so Feige.
Abschließend stellt der Bischof noch einmal fest, dass es sich bei dem erarbeiteten Dokument um eine "Pastorale Handreichung" beziehungsweise Orientierungshilfe und um keinen Lehrtext handele. Wie auch kompetente Kirchenrechtler bescheinigt hätten, sei darin "eine Inanspruchnahme eigener Lehrautorität durch die Deutsche Bischofskonferenz … weder erkennbar noch vonnöten". Darum reiche zur Verabschiedung auch eine Zweidrittelmehrheit, während bei einer eventuellen Abweichung von der bisherigen Lehre Einstimmigkeit und Rückbindung an Rom erforderlich wären. Mit dem Text werde keine generelle Zulassung oder offene Einladung zum Kommunionempfang ausgesprochen. "Geboten wird vielmehr eine Hilfestellung vor allem für Seelsorger, konfessionsverbindende Eheleute in ihrer konkreten Situation bei der persönlichen Gewissensentscheidung zu begleiten, nicht aber, ihnen diese abzunehmen."
Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige ist seit 2012 Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und seit 2014 Mitglied des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. (tmg)