Jubelkommunion: Wie sehr sich die Kirche gewandelt hat
"Vor 50, 60, 65, 70, 75 gar 80 Jahren sind sie hier oder anderswo zur ersten heiligen Kommunion gegangen", begann die Predigt in der Bonner Kirche St. Remigius."Es war das erste große Fest ihres Lebens, und jeder hat noch Erinnerung an diesen Tag."
Jedes Jahr lädt die Bonner Münsterpfarrei zur Jubelkommunion ein: Ein festlicher Gottesdienst, der die Mitfeiernden an ihre eigene Erstkommunion erinnert. Mehrere Dutzend Jubilare sind an diesem Sonntag im Mai der Einladung gefolgt. Die meisten können auf viele Jahrzehnte in der Kirche zurückblicken; selbst, wer seine goldene Jubelkommunion feiert, gehörte noch zu den jüngeren im Kreis der Feiernden – und erst recht der Autor dieses Textes. Der war nämlich nicht nur als Reporter dabei, sondern selbst als Jubilar: Seine 25 Jahre verblassen aber gegenüber der ältesten Jubilarin – die blickt auf 82 Jahre seit ihrer Erstkommunion zurück.
Jubelkommunion wird nicht nur in Bonn gefeiert. Vor allem dort, wo es früher ein festes katholisches Milieu gegeben hat, gebe es heute noch diese Tradition, erläutert Manfred Becker-Huberti: In Bayern, im Rheinland, Münster- und Emsland und im katholischen Franken. Meist wird in der Osterzeit bis in den Mai hinein gefeiert. "So wie es in jedem Gottesdienst eine Tauferinnerungsfeier gibt, hatte man eine solche Feier auch für die Erstkommunion eingeführt", weiß der Brauchtumsexperte. Über die Erinnerungsfeier hinaus gebe es aber kaum Traditionen, die mit der Erinnerung an die Erstkommunion zusammenhingen. "Problematisch ist vor allen Dingen, dass die Beteiligten zwischen Urereignis und Jubiläum kaum etwas verbindet", kritisiert Becker-Huberti.
Vieles hat sich geändert in der Kirche
Auch in Bonn kennen sich die meisten der Feiernden nicht, kaum jemand war im selben Erstkommunionjahrgang oder in derselben Gemeinde. Die Feiernden, die im fortgeschrittenen Alter in der ehemaligen Bundeshauptstadt leben, kommen aus ganz Deutschland, nur wenige sind Urbonner. Die Stimmung ist trotzdem gut, problematisch findet das kaum jemand. Die Jubilare tauschen sich aus, wie das damals war, vor 60 Jahren in Schwaben oder vor 75 Jahren im Bonner Vorort.
Viele Geschichten ähneln sich. Eines erzählen fast alle: Wie sehr sich die Kirche gewandelt hat. Die alten Lieder haben beim Jubiläum während der festlichen Messe alle gern gesungen: "Fest soll mein Taufbund immer stehen", das Schubert-Heilig, "Freu dich du Himmelskönigin" und natürlich das "Großer Gott". Zurück zur strengen Kirche der Kindheit wollte aber kaum jemand; viele berichten davon, wie strikt alles war, wie viel Wert auf Disziplin gelegt wurde, wie wenig Widerworte im Kommunionunterricht geduldet wurden. "Die Älteren erinnern sich vielleicht noch: Damals war viel die Rede von 'du musst' und 'du sollst'", predigte dann auch der Pfarrer: "Glaube war immer mit 'etwas leisten müssen' verbunden."
Eine Jubilarin erzählt, wie sie sich am Fuß verletzt hatte und deshalb eine Katechese verpasste – der Pfarrer wollte sie damals erst im kommenden Jahr zur Erstkommunion gehen lassen. Glück im Unglück: Das Kleid der großen Schwester musste aufgetragen werden, und weil das ein Jahr später wohl kaum noch passen würde, wurde es doch der ursprünglich geplante Termin.
Wer Glück hatte, bekam eine Armbanduhr
In seiner Predigt erinnert der Pfarrer an die kratzigen schwarzen Strümpfe, die damals Pflicht waren. Und tatsächlich: Beim Gespräch bei einem Sekt kommen auch die immer wieder vor. Einem äußerst eleganten älteren Herrn ist auch jetzt, Jahrzehnte später, das Entsetzen noch ins Gesicht geschrieben, wenn er an die ungeliebte Festtracht zurückdenkt.
Andere erinnern sich an die bescheidenen Umstände, unter denen damals gefeiert wurde. Gerade die Jubilare, die während des Kriegs oder kurz danach zum Weißen Sonntag gingen, denken dennoch gern an das schlichte, aber würdige Fest zurück – und natürlich die Geschenke: Kreuzanhänger waren beliebt, Gesangbücher oder Rosenkränze. Wer viel Glück hatte, bekam auch eine Armbanduhr, die dann natürlich nur sonntags getragen werden durfte. Bei der Erstkommunion des Autors, 1993 in der Pfarrei St. Kornelius und Cyprian im Erzbistum Freiburg, war es noch ganz ähnlich: Ein Gotteslob mit Goldschnitt, ein Kreuz, eine Armbanduhr – in den 90ern natürlich bunt und aus Plastik, dafür auch alltagstauglich. Ein traditionelles Geschenk ging am Autor dann aber – zum Glück – doch vorüber.
Weiße Blumen im Garten erinnern an den Weißen Sonntag
Wenig kindgerecht ist nämlich ein weiteres traditionelles Geschenk: ein Stock weißer Hortensien. Fast alle der älteren Jubilare, Jungen wie Mädchen, wurden mit einer Topfpflanze beschenkt. "Die Hortensie blüht ab April, Mai und ist damit eine Topfpflanze, die zur Erstkommunion wenigstens in Knospen bereitsteht", erklärt Becker-Huberti das heute ungewöhnlich wirkende Kommunionspräsent. "Als Geschenk hat sie den Vorteil, dass man sie hinterher im Garten pflanzen kann. Sie erinnert dann immer an die Erstkommunion." Die Blume symbolisiere Reinheit und Anmut, Harmonie und Frieden – und im Garten stehen die unterschiedlich großen Pflanzen nebeneinander wie die Kinder einer Familie.
Die meisten der Erstkommunions-Hortensien dürften schon lange verblüht sein – anders als die Erinnerung an die Erstkommunion, die geblieben ist. Da passt es, dass das Evangelium vom Tag bei dieser Jubelkommunion in Bonn vom Liebesgebot Jesu berichtet: "Bleibt in meiner Liebe!", heißt es darin. "Wenn Sie, liebe Jubilare, auf ihr Leben zurückschauen", deutet der Pfarrer die Stelle in seiner Predigt, "dann werden sie in vielen Stunden Ihres Lebens auf die Frage Jesu 'Bist du mir Freund, bist du mir Freundin?' wie Simon Petrus geantwortet haben: 'Ja, ich bin Dir Freund'."