Ein seltenes Exemplar
Seit 1970 lebt der deutsche Missionar in dem Dorf am Rande des Nationalparks Amboro im tropischen Osten Boliviens. Als Langer in Pampagrande ankam, gab es den Nationalpark noch nicht. Erst 1980 wurde der Park gegründet, für den er von Anfang an bei den Menschen warb. "Unsere einheimischen Leute waren alle auf der richtigen Linie", erzählt der 75-jährige.
Dank Langer können Forscher bis heute ungestört in der Gegend arbeiten. Die Einheimischen wissen immer, wer die Fremden sind, die da durch ihren Regenwald laufen. Sie arbeiten für Institutionen wie die Freie Universität Berlin oder das Natural History Museum London. "Ganz unkomplizierte Menschen, die Biologen", sagt Langer über seine Gäste, die er in der Pfarrei unterbringt. Langer, der schon als Kind Förster werden wollte, sammelt selbst Tiere für das Museum Noel Kempff Mercado in Santa Cruz und nimmt im Pfarrhaus Funde entgegen. Seine Spezialität sind die Schlangen, die er auch gerne lebend mit nach Hause nimmt. Die "Clelia langeri" trägt sogar seinen Namen, weil sie von ihm entdeckt wurde.
Die Heimat seines Fundes sieht Langer jedoch bedroht. Vermehrt dringen Landarbeitergewerkschaften in den Nationalpark ein, um Land zu machen und Holz zu holen. Stets zeigt Langer Vergehen an. Konsequenzen hat das allerdings immer seltener. Der hoch gewachsene Missionar mit den strengen Gesichtszügen führt das vor allem auf den 2006 erfolgten politischen Wechsel im Land zurück. Die sozialistische Regierung unter Evo Morales propagiert zwar neben einer "Dekolonisation" Boliviens die Liebe zur Mutter Erde "Pachamama", greift aber bei Vergehen nicht ein. "Das sieht trüb aus", sagt Langer.
60 Kapellen für die Region
In mehr als vier Jahrzehnten hat der gelernte Maurer viel für die Region getan. Als er vor über vierzig Jahren in Pampagrande ankam, gab es weder Strom noch fließend Wasser. Mit seinem Mitbruder Cajetan Reck baute er Schulen, Krankenstationen, Wege und etwa sechzig Kapellen.
Langer, der 1938 im niederschlesischen Glogau im heutigen Polen geboren wurde, im Winter 1945 nach Leipzig floh und später mit seiner Familie in Bischofswerder lebte, fing in Pampagrande nicht zum ersten Mal bei null an. Bereits 1955 machte er im Pflichtdienst als Feuerwehrmann in der DDR ähnliche Erfahrungen. "Das war Brückenbau, das waren Pioniere", erinnert er sich. Ein Jahr später stand der Katholikentag in Köln ins Haus. "Da konnten aus dem Bistum zehn Jugendliche hin fahren", erzählt der Missionar, "Ich gehörte dazu". Seine Verwandten in Köln ermunterten ihn, doch im Westen zu bleiben. Langer blieb.
Er lernte die Dominikaner in Köln kennen und trat 1959 als Laienbruder in den Orden ein. Dieser hatte seiner Zeit Missionen auf Taiwan und in Bolivien. "Die wollten, dass ich nach Taiwan gehe", erzählt Langer. Aber "wegen dieser Drängelei" wollte er nicht dorthin und sagte seinen Oberen: "Wenn ihr wollt, dass ich weggehe, dann nach Bolivien". Was ihn an Bolivien interessiert habe? "Überhaupt nichts", antwortet Langer.
1967 schiffte er sich nach einjähriger Vorbereitung und ohne Spanisch zu sprechen in Antwerpen ein. Zwischen Azoren und Antillen geriet das Schiff in einen Orkan. "Ich dachte, wir gehen unter", erinnert sich Langer. Als der seekranke Dominikanerbruder im Oktober 1967 in Chile von Bord ging, war er allein. "Da hat keiner nach mir gefragt", berichtet er.
Missionar, Seelsorger, Entwicklungshelfer und Naturschützer in einer Person
Das Verrückte an der ihm damals bevorstehenden Odyssee war, dass Langer unmittelbar nach seiner Ankunft den deutschen Dominikaner Pater Athanasius van Noenen in der Stadt traf – und kein Wort mit ihm sprach. Langer kannte Van Noenen nicht, denn der hatte 1938 Deutschland verlassen müssen und wurde 1947 von den USA aus in die Mission nach Lateinamerika entsandt.
Die Mitbrüder, die sich am Ordensgewand erkannten, begrüßten sich mit einer Verneigung und gingen beide ihrer Wege. "Ich wusste ja nicht, dass der ein Deutscher war", erzählt Langer. "Weil ich nicht fragen konnte, wo der Bahnhof ist, bin ich den Schienen hinterher gelaufen und bis aus der Stadt raus gekommen." Nach einer umständlichen Reise gelang Langer unter anderem dank der Konrad-Adenauer-Stiftung an sein Ziel und stand zum zweiten Mal jenem deutschen Dominikaner gegenüber, den er kurz nach seiner Ankunft still gegrüßt hatte.
Etwa drei Jahre später wurde Langer nach Pampagrande entsandt, wo er bis heute geblieben ist. Wie seine Nachbarn aus dem Tierreich, ist auch Bruder Andres Langer ein im besten Sinne des Wortes "seltenes Exemplar", in dem sich Missionar, Seelsorger, Entwicklungshelfer und Naturschützer vereinen. Ein besseres Biotop als Pampagrande könnte es für ihn wohl nicht geben.
Von Tobias Schrörs