Ein Hoffnungszeichen für die ganze Kirche
Wenn es die katholische Kirche in Deutschland im Jahr 2018 mit einem freudigen Ereignis in nahezu alle überregionalen Medien schafft, muss etwas Besonderes passiert sein. Und tatsächlich: Die Neugründung von Kloster Neuzelle, die am gestrigen Sonntag offiziell vollzogen wurde, ist ohne Wenn und Aber ein herausragendes Ereignis.
Nicht umsonst hat die Idee der Neugründung in dem kleinen Ort an der deutsch-polnischen Grenze von Anfang an viele Menschen weit über die Kirche hinaus elektrisiert. Dass der Zisterzienserorden in dieser Zeit, in der viel zu oft nur von Abbrüchen und Skandalen in der Kirche die Rede ist, den Schritt einer Neugründung wagt, begeistert – zumal der Orden sich für seine Gründung keinen traditionell katholischen Ort ausgesucht hat, sondern eine Region, die es in den vergangenen Jahren alles andere als leicht hatte.
Ein Glücksfall für eine gebeutelte Region
Das östliche Brandenburg ist bis heute von großen sozialen und wirtschaftlichen Problemen geprägt. Seit der Wiedervereinigung haben Tausende die Region mangels Perspektiven verlassen. Dass dieser bedrückende Negativtrend nun zumindest im Kleinen von sechs Zisterziensermönchen aus Österreich durchbrochen wird, ist tatsächlich ein "Glücksfall für die Region", wie es die brandenburgische Kulturministerin Martina Münch (SPD) am Sonntag sagte.
Themenseite: Neugründung von Kloster Neuzelle
Nach 200 Jahren Unterbrechung ist das Zisterzienserkloster Neuzelle am 2. September 2018 als Tochterkloster des österreichischen Stifts Heiligenkreuz neu gegründet worden. Die Themenseite präsentiert alle katholisch.de-Artikel zu diesem Thema.Klar: Auch Mönche können nicht zaubern und man sollte sich davor hüten, die kleine Gemeinschaft mit unrealistischen Erwartungen zu überfrachten. Und natürlich muss man auch das Lebensmodell der Zisterzienser nicht teilen. Aber dass es Menschen wie die sechs Mönche gibt, die die frohe und friedenbringende Botschaft des Christentums authentisch und einladend vorleben, ist in einer Zeit der fortschreitenden Individualisierung und eines an vielen Stellen greifbaren Werteverlusts in der Gesellschaft nicht hoch genug einzuschätzen.
Brandenburg und weite Teile Ostdeutschlands mögen aus religiöser Sicht eine Wüste sein, dennoch sind auch hier viele Menschen auf der Suche nach dem Sinn ihres Daseins. "Jeder Mensch sucht das große Glück seines Lebens, sucht ein gelungenes Leben. Die Menschen suchen nach Antworten auf ihre Fragen und nach Klärung, sie wollen das manchmal komplizierte Leben durchschauen", so beschrieb es am Sonntag der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt. Allzu oft – das zeigen in diesen Tagen auch die schrecklichen Bilder aus Chemnitz – geben sich die Menschen dabei mit einfachen oder sogar falschen Antworten zufrieden.
Ein Zeichen des Aufbruchs und der Hoffnung
Umso wichtiger ist es, dass die Kirche mit ihrer Botschaft diesen Menschen ein alternatives, ein besseres Angebot macht. Die Zisterziensermönche setzen mit ihrer Ankunft in Neuzelle ein wichtiges Zeichen des Aufbruchs und der Hoffnung. Das zeigte sich am Sonntag auch an den Reaktionen der rund 1.800 Gläubigen in dem Wallfahrtsort. Als habe man geradezu sehnsuchtsvoll auf die Mönche gewartet, wurden diese mit Jubel und Zuneigung überschüttet.
Nur eines hat die Stimmung rund um die Neugründung in den vergangenen Tagen spürbar getrübt: Die überraschende Entscheidung der Mönche, langfristig nicht auf dem historischen Klostergelände in Neuzelle wohnen zu bleiben, sondern ein komplett neues Kloster irgendwo in der Umgebung errichten zu wollen. Diese Entscheidung, die erst wenige Tage vor der Neugründung verkündet wurde, hat viele Irritationen ausgelöst und den Mönchen teils heftige Kritik eingebracht. Warum, so fragten sich viele Gläubige, wollen die Zisterzienser ein neues Kloster bauen, obwohl doch in Neuzelle ein frisch renoviertes Barockkloster steht? Sind den Patern die historischen Gebäude etwa nicht gut genug?
Klar ist: Die Entscheidung für den Neubau ist – zumal so kurz vor der Neugründung – höchst unglücklich kommuniziert worden. Schließlich war bis zu diesem Zeitpunkt von allen Verantwortlichen meist ausdrücklich von einer Wiederbesiedelung des alten Klosters die Rede. Hinzu kommt: Anfang des Jahres hatte die Stiftung Stift Neuzelle, die die im staatlichen Besitz befindliche historische Klosteranlage verwaltet, den Zisterziensern das ehemalige Kanzleigebäude direkt neben der Stiftskirche als dauerhaften Wohnort angeboten. Spätestens seit diesem Zeitpunkt galt für die Öffentlichkeit als ausgemacht: Die Mönche ziehen in das alte Kloster.
Trotz Irritationen: Am Ende bleibt ein positiver Befund
Das sich dieser Eindruck am Ende als falsch erwies, ist ärgerlich und wirft mindestens kurzfristig einen Schatten auf das Projekt. Das hätte nicht sein müssen – auch weil die Argumente der Mönche für den Neubau durchaus überzeugend klingen: Nur in einem neuen, ganz auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Gebäude könnten sie ihr klösterliches Leben voll entfalten, langfristig als Gemeinschaft wachsen und Gäste aufnehmen, so die Zisterzienser. All das wäre auf dem historischen Klostergelände, auf dem die meisten Gebäude von anderen Institutionen genutzt werden und das jährlich von rund 150.000 Touristen besucht wird, in der Tat kaum möglich gewesen. Umso wichtiger wäre es jedoch gewesen, dass die Verantwortlichen ihre Überlegungen für einen Neubau als eine weitere Option so früh wie möglich öffentlich kommuniziert hätten.
Doch trotz der Irritationen um den Neubau bleibt letztlich ein klar positiver Befund: Die Neugründung von Kloster Neuzelle ist ein Hoffnungszeichen für die ganze Kirche in Deutschland. Die sechs Gründermönche, die jetzt die klösterliche Tradition in Neuzelle wiederbeleben, haben das Potential, einen kleinen Aufbruch auszulösen, in dem sie den Menschen zeigen, dass sich die Suche nach Gott lohnt, dass sie einen Menschen glücklich machen und erfüllen kann. Wie sagte es der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer am Sonntag in Neuzelle: "In der Geschichte der Kirche haben immer kreative Minderheiten Erstaunliches bewirkt." Man kann der kleinen Gemeinschaft dafür nur alles Gute wünschen.