Nach Tsunami in Indonesien: "Viele sind sehr traumatisiert"
Vor zehn Tagen erschütterten zwei Erdbeben die indonesische Insel Sulawesi. Kurz darauf traf eine meterhohe Tsunami-Welle die Küste und hinterließ eine Schneise der Verwüstung: Weite Landstriche wurden komplett zerstört. Hunderttausende Bewohner sind nun obdachlos, ihr Hab und Gut haben die Fluten mitgerissen. Die Behörden geben die Zahl der Todesopfer momentan mit rund 1800 an.
Auch aus Deutschland sind Mitarbeiter kirchlicher Hilfswerke nach Indonesien aufgebrochen. In das Krisengebiet selbst dürfen sie nicht: Ausländische Helfer erhalten dort aktuell noch keinen Zugang. "Um die beschädigte Infrastruktur nicht unnötig zu belasten, hat die indonesische Regierung erst einmal beschlossen, nur lokale Helfer in die Region zu lassen", sagt Nicole Müller, Mitglied eines dreiköpfigen Expertenteams von Malteser International, das sich momentan auf der indonesischen Insel Yogyakarta aufhält. Von dort aus koordiniert das Team nun die Notversorgung der Katastrophenregion auf Sulawesi. Vor Ort kümmern sich indonesische Partnerorganisationen der Malteser um die Opfer: Sie betreiben eine mobile Klinik, verteilen Nahrung, Wasser, Zeltplanen und Matratzen.
Die Helfer haben Nicole Müller berichtet, wie es den Menschen in der Gegend um die Stadt Palu auf Sulawesi geht. Der Tsunami habe sie zu einem Trümmerfeld gemacht. "Viele sind immer noch sehr traumatisiert und noch gar nicht in der Lage daran zu denken, dass es vorbei ist", erklärt die Malteser-Mitarbeiterin. Es gebe immer wieder Gerüchte über weitere Erdbeben, die noch kommen sollen. "Deswegen versuchen viele Leute auch, die Region zu verlassen." Tausende seien bereits in den Süden der Insel geflohen. Dort seien ebenfalls Hilfsorganisationen dabei, die Menschen zu versorgen.
Zerstörte Infrastruktur
Schätzungen zufolge seien etwa 200.000 Menschen vom Tsunami betroffen. Da die meisten Straßen zerstört sind, gelange man nur sehr mühsam zu ihnen. Auch per Flugzeug oder Schiff sei es kaum möglich, Hilfsgüter zu transportieren. "Viele Hilfsorganisationen versuchen gerade, über die Stadt Makassar im Süden auf die Insel zu gelangen und dann nach Palu hochzufahren. Unsere Partner haben uns erzählt, dass auf der Strecke schon beinahe Stau herrscht", sagt Müller.
Ein weiteres Problem: Das Telefonnetz liege nach wie vor ziemlich brach. In der Krisenregion seien Hotspots eingerichtet worden, von denen aus Hilfsorganisationen ihre E-Mails verschicken können. "Es sind viele Hilfsorganisationen vor Ort, da ist es schwierig, den Bedarf zu decken", weiß Nicole Müller.
Auch Caritas International ist bei dem Rettungseinsatz dabei. Das Hilfswerk betreibt ein eigenes Büro in Indonesien und hat vergangene Woche drei Teams, bestehend aus jeweils 15 einheimischen ärztlichen Mitarbeitern, in die Region geschickt. Dort haben sie bereits Lebensmittel verteilt und Verwundete versorgt. Caritas International sei gerade dabei, Familienpakete zusammenzustellen, berichtet Pressereferent Achim Reinke. "Das sind Sachen wie Plastikplanen mit Seilen, damit man sich notdürftig gegen Regen schützen kann, Solarlampen, Hygieneartikel, Nahrung, Trinkwasser – alles, was eine Familie braucht, um jetzt für ein bis zwei Wochen über die Runden zu kommen und die Existenz zu sichern." Die ersten davon seien bereits verteilt worden, Nachschub in die Region unterwegs.
Ganze Dörfer von Schlamm bedeckt
Laut Reinke ist es nach wie vor eine große Herausforderung, in die entlegenen Winkel der Region zu kommen. "Wir müssen befürchten, dass in weiten Teilen des Katastrophengebiets noch Menschen sind, die dringend versorgt werden müssen." Besonders bereiten ihm Nachrichten Sorge, wonach komplette Dörfer von Schlamm bedeckt seien.
Ein weiteres Hilfswerk, das die Hilfsmaßnahmen unterstützt, ist Misereor. Deren Partner Walhi, die größte Umweltorganisation Indonesiens, leistet auf Sulawesi Nothilfe. Direktorin Nur Hidayati hält sich gerade in Deutschland auf, hält allerdings Kontakt zu ihren Mitarbeitern im Krisengebiet. "Das größte Problem besteht derzeit in der Bereitstellung von sauberem Wasser", weiß Hidayati. "Es gibt große Bemühungen, Grundwasser zu gewinnen." Ebenfalls knapp seien Treibstoff für Fahrzeuge und Gas zum Kochen.
Die Walhi-Chefin übt Kritik an der indonesischen Regierung. Die Tsunami-Frühwarnsysteme hätten nicht gut funktioniert oder seien gar nicht in Betrieb gewesen. "Sie wurden nicht instandgehalten. Dabei ist Indonesien aufgrund seiner geographischen Lage ausgesprochen gefährdet durch Erdbeben." Die Regierung stelle zudem der Bevölkerung keine ausreichenden Informationen zur Verfügung, wie sie sich auf solche Katastrophen vorbereiten und im Ernstfall verhalten solle.