Peter Beer plädiert für weitere kirchliche Nutzung

Generalvikar zum Klostersterben: Jede Aufgabe ist eine Kapitulation

Veröffentlicht am 02.11.2018 um 13:30 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Das Klostersterben in Deutschland scheint unaufhaltsam voranzuschreiten. Doch jede Aufgabe eines Ordenshauses sei letztlich immer eine Kapitulation und zeuge von Ideenlosigkeit und fehlendem Mut der Kirche, kritisiert Münchens Generalvikar Peter Beer. Im Interview macht er Alternativvorschläge.

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Immer mehr Klöster überaltern und sterben aus. Der Münchner Generalvikar Peter Beer (52) plädiert im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) dafür, diesen Prozess nicht einfach laufen zu lassen. Allerdings sei es gar nicht so einfach, gute Ideen für eine Weiterentwicklung der geschichtsträchtigen Orte und die nötigen Ressourcen aufzubringen.

Frage: Herr Generalvikar, wem gehört ein Kloster, wenn seine letzte Bewohnerin stirbt?

Beer: Wenn es die letzte Niederlassung der Gemeinschaft ist, wird von Rom die Auflösung verfügt, die in der Regel der Bischof zu vollziehen hat. Rom legt dabei auch fest, wer das noch verbliebene Vermögen des Ordens erhält und die weiterhin bestehenden Verpflichtungen erfüllen muss. Gibt es eine sogenannte Heimfallregelung, kann darin vom Orden vorgeschlagen werden, dass der Besitz beispielsweise an das Bistum geht.

Frage: Warum sollte der Kirche daran gelegen sein, einen solchen Ort zu erhalten?

Beer: Weil sich dort kirchliches Leben vielfach kreuzt: Gläubige kommen als Wallfahrer, sie heiraten dort, lassen ihre Kinder taufen, feiern Jubiläen, suchen Einkehr. Diese Menschen sind auch dann noch da, wenn ein Kloster aufgelöst wird. Wir sollten nicht so tun, als werde nur eine Filiale geschlossen.

Frage: Irgendwann ist der Markt für noch ein weiteres Bildungs- oder Exerzitienhaus gesättigt. Was dann?

Beer: Es geht auch um neue Ideen, die muss man erst mal haben. Ein Kloster muss ein lebendiger, kirchlicher Ort bleiben - in diesem Rahmen kann man aber in viele Richtungen denken.

Frage: In Hamburg wurde unlängst eine aufgelassene Kirche in eine Moschee umgewandelt. Ist das auch in Oberbayern denkbar?

Beer: Vorweg: Von Frontstellungen gegenüber anderen Religionen halte ich nichts. Aber ich finde schon, dass Kirchengebäude, sakrale Räume möglichst lange kirchlich genutzt werden sollten. Jede Aufgabe ist letztlich eine Kapitulation. Vor eigener Ideenlosigkeit oder vor fehlendem Mut. So ein Ort muss ja nicht nur geistlich genutzt werden, auch wenn wenigstens ein Teil von ihm als Ort des Gebetes unbedingt erhalten bleiben sollte. Neue Formen kirchlichen Lebens könnten ergänzend durch Kulturarbeit entstehen, durch Begegnungsräume bis hin zur Schaffung von Wohnraum.

Frage: Kommende Woche gibt es eine große Tagung des Landesdenkmalamtes mit den Kirchen zur Zukunft der Klöster in Bayern. Sie nehmen auch teil. Was erwarten Sie sich?

Beer: Dass wir uns darüber verständigen, dass es um Kulturgüter mit starker Prägekraft geht. Klar ist, dass wir uns gemeinsam anstrengen müssen und Partner brauchen wie den Staat oder Stiftungen. Es geht aber auch um die Klärung von Anliegen und Positionen. Denn ich will schon, dass aus den Klöstern nicht nur Museen werden, in denen erzählt wird, dass das mal mit Kirche zu tun hatte, sondern dass sie lebendige Orte des Glaubens bleiben.

Generalvikar Peter Beer
Bild: ©KNA/Robert Kiderle

Peter Beer, der Generalvikar des Erzbistums München und Freising.

Frage: Das Erzbistum München und Freising hat nicht nur positive Erfahrungen mit der Übernahme von Klöstern gesammelt. Was würden Sie heute anders machen?

Beer: Jede Veränderung in der Klosterlandschaft ist mit großen Schmerzen verbunden. Für die Menschen in der direkten Umgebung ist es sehr schwer, das zu akzeptieren und trotzdem daran zu glauben, dass etwas Neues möglich ist. Das verlangt sehr viel Gespräch und Begleitung. Da müssen wir uns anstrengen. Aber die Kommunikation kommt an Grenzen, wenn einige mit der Realität überhaupt nicht klarkommen.

Frage: Und wenn die Vorstellungen sehr weit auseinanderklaffen?

Beer: Dann gilt es sich vor Augen zu führen, dass es unser aller Ressourcen sind, die wir dort einbringen. Da muss schon eine plausible Hoffnung bestehen, dass das, was man investiert, auch Bestand hat und nicht nur der momentanen Vorliebe einiger entspricht.

Frage: Mehrfach musste sich das Erzbistum München und Freising vorwerfen lassen, man wolle sich, obwohl schon so reich, nur wertvolle Immobilien unter den Nagel reißen. Wie gehen Sie mit der Kritik um?

Beer: Ich wundere mich, welche Vorstellungen über den Reichtum der Erzdiözese bestehen - und über den der Klöster. Nach unserer Erfahrung ist der Aufwand zur Instandsetzung der Gebäude beträchtlich, allein schon, um sie auf den vorgeschriebenen Standard beim Brandschutz zu bringen. Damit sie auch für weitere Zwecke nutzbar sind, werden außerdem Umbaukosten fällig. Eine Einmalinvestition reicht da meist nicht.

Frage: Wie lässt sich rechtzeitig in alternden Klostergemeinschaften die Einsicht befördern, dass es so wie bisher nicht weitergeht?

Beer: Zunächst müssen sie selbst für sich ehrlich klären, wie die Zukunft aussieht. Die einen verschließen sich jeder Entwicklung, andere schauen mutig nach vorn und sagen, wir können nicht mehr. Aber wir suchen uns mit der Erzdiözese einen Partner, um gemeinsam Pläne zu entwickeln, wie unsere Ursprungsidee weitergetragen werden kann.

Frage: Bei wie vielen Klöstern in Oberbayern stellt sich absehbar die Frage nach einer neuen Bestimmung?

Beer: Das lässt sich nicht so einfach sagen. Da gibt es kleine Häuser und große historische Anlagen, unterschiedliche Rechtsformen und Verbindungen zu anderen. Was ich sagen kann: Auch wir haben nicht unbegrenzte Möglichkeiten und müssen uns auf die Klöster konzentrieren, die für Geschichte, Kultur und Seelsorge einer Region von Bedeutung sind. Und natürlich muss die Kooperation vonseiten des Ordens gewünscht sein.

Von Christoph Renzikowski (KNA)