11-Punkte-Plan: So will die EKD Missbrauch aufarbeiten
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will ihre Maßnahmen zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt deutlich ausweiten. Vorgesehen sind eine zentrale Anlaufstelle sowie neue Studien zur Aufarbeitung von Missbrauch, wie die EKD am Dienstag in Würzburg mitteilte. Nach EKD-Angaben sind für die Umsetzung eines entsprechenden 11-Punkte-Plans für das kommende Jahr rund eine Million Euro vorgesehen.
Die Landesbischöfin der Nordkirche, Kirsten Fehrs, hatte der EKD-Synode einen entsprechenden Handlungsplan vorgestellt. Fehrs erklärte, die evangelische Kirche habe systemisch gesehen ganz spezifische Risikofaktoren. Dazu zählten nach dem bereits erreichten Wissensstand eine "unreflektierte Vermischung von Privatem und Dienstlichem", unklare Zuständigkeiten in nicht-hierarchischen Strukturen, fehlende Beschwerdeinstanzen und auch "der innerfamiliäre Missbrauch im evangelischen Pfarrhaus". Diese Faktoren müssten deutlicher als bisher analysiert werden, um sie anzugehen.
Zentrale Anlaufstelle soll Angebot der Landeskirchen ergänzen
Geplant seien außerdem Studien zum sogenannten Dunkelfeld in evangelischer Kirche und Diakonie sowie eine Untersuchung über mögliche Strukturen, die Missbrauch begünstigen. Auch hierbei sollen die Erfahrungen Betroffener berücksichtigt werden. Bisher gibt die EKD die Zahl der ihr bekannten Fälle von Betroffenen mit 479 an. Die EKD hatte im Vorfeld der Synode einen fünfköpfigen Beauftragtenrat gebildet. Fehrs ist Sprecherin dieses neuen Gremiums. Die Synode tagt noch bis Mittwoch.
2019 soll zudem eine unabhängige zentrale Anlaufstelle der EKD für Betroffene eingerichtet werden. Der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh, der ebenfalls im Beauftragtenrat sitzt, betonte, dass eine solche Anlaufstelle für Missbrauchsopfer Betroffenen helfen könne, die sich nicht dort melden wollten, wo es zu den Übergriffen kam. Dem SWR sagte der Bischof, die Stelle solle bestehende Angebote der einzelnen Landeskirchen ergänzen.
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Die Diakonie will unterdessen eine eigene wissenschaftliche Studie zu sexuellem Missbrauch in ihren Einrichtungen in Auftrag geben. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie betonte, Menschen, die den Einrichtungen der Diakonie ihre Kinder und Angehörigen anvertrauten, müssten Vertrauen zurückgewinnen können. Eine eigen Studie sei vor allem deshalb notwendig, da die Situation eines Jugendlichen in einer sozialpädagogischen Betreuungseinrichtung eine ganz andere sei als die etwa im Konfirmationsunterricht, mit anderen Macht- und Abhängigkeitsfaktoren." Der Schwerpunkt der geplanten Untersuchung der Diakonie werde bei den besonders kritischen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe liegen und soll die Wirksamkeit der bereits getroffenen Schutzmaßnahmen evaluieren.
Rörig: Jede Landeskirche muss zügig in Aufarbeitung einsteigen
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sagte auf Anfrage, es sei enorm wichtig, dass jede der 20 Landeskirchen zügig in die Aufarbeitung einsteige. Es dürften nicht nur wenige Landeskirchen eine Vorreiterrolle übernehmen. Wie die katholische Kirche müsse auch die evangelische mit dem Bund und möglicherweise auch mit den Ländern verbindliche Vereinbarungen zu Kriterien und Standards der Aufarbeitung treffen. Diese könnten etwa beinhalten, wie Betroffene künftig bei den jeweiligen Aufarbeitungsprozessen beteiligt und wie Akteneinsicht oder Entschädigungen geregelt werden.
Der bei ihm angesiedelte Betroffenenrat mahnte eine Implentierung der im EKD-Bericht zugesagten Punkte an. Es fehle eine "notwendige Verbindlichkeit". Dies müsse möglichst schnell und klar nachgeholt werden und über eine Mandatierung des Beauftragtenrats abgesichert werden. Zudem plädiert er für eine bundesweite Kampagne, über die deutlich werden solle, dass die evangelische Kirche "aktiv auf Betroffene zugeht". Grundsätzlich begrüßt der Betroffenenrat aber das klare Bekenntnis der EKD zu "eigener Verantwortung für die ihr anvertrauten Kinder und Jugendlichen". (bod/KNA)