Standpunkt

Eine Frauenquote im Bundestag? Keine gute Idee!

Veröffentlicht am 28.01.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Im Bundestag sitzen zu wenig weibliche Abgeordnete. Diesen Missstand mit einer Frauenquote oder einer Wahlreform beheben zu wollen, funktioniert aber nicht, kommentiert Thomas Winkel. Eine Demokratie lebe von freien und geheimen Wahlen, nicht vom Posten-Proporz einer Art Ständevertretung.

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Das Ziel stimmt, der Weg allerdings nicht. Wer aus guten Gründen mehr Frauen in die Parlamente holen will, sollte das anders schaffen als über den Holzweg "Parität". Die Idee klingt zwar verlockend und fair: Weil Frauen die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, sollten sie auch die Hälfte der Abgeordneten stellen – staatlich garantiert durch neue Gesetze oder Wahlreformen.

Das Zauberwort dazu heißt Paritätsgesetz. Es schreibt praktisch eine Frauenquote fest und nutzt geschickt den Schwung rund um das Jubiläum "100 Jahre Frauenwahlrecht". Zugegeben, der Frauenanteil unter den Abgeordneten im Bundestag ist auf schlappe 31 Prozent gesunken. Das ist kein Ruhmesblatt für eine moderne Gesellschaft. Nun aber sollen Vorschriften richten, was bei Wahlen bisher nicht so recht klappt ...

Ganz unabhängig davon, ob dieser Vorstoß verfassungsgemäß ist – ich halte ihn für nicht zu Ende gedacht. Natürlich müssen in den Parlamenten die Stimmen der Bevölkerung repräsentativ zum Ausdruck kommen. Aber wieso sollte das Geschlecht das einzige Kriterium sein? Müssten mit demselben Recht dann nicht auch andere Faktoren eine Rolle spielen? Die Alters- oder Berufsgruppe zum Beispiel. Denn im Parlament sitzen prozentual zu wenige junge Abgeordnete und viel mehr Beamte und Anwälte als Handwerker.

Und was ist mit Migrationshintergrund, Familienstand, sexueller Orientierung? All das könnte ebenso entsprechend dem Bevölkerungsschnitt zu berücksichtigen sein. Doch was, wenn dann ein Kandidat (was sein gutes Recht ist) zu diesem oder jenem privaten Bereich gar keine Auskunft geben will? Nach alldem ist es zur Gretchenfrage der Abgeordneten-Arithmetiker nicht mehr weit: Sind Religionen und Konfessionslose im Berliner Reichstag proportional vertreten?

Das Prinzip der konfessionellen Parität gibt es tatsächlich im Libanon. Dort muss der Präsident Christ und der Regierungschef Muslim sein. Außerdem hat jede Religionsgemeinschaft eine genau festgelegte Zahl von Parlamentariern. Frieden im Land hat das nicht gesichert, eher Geschachere und Zahlenakrobatik.

Fazit: Eine Demokratie lebt von freien und geheimen Wahlen, nicht vom Posten-Proporz einer Art Ständevertretung. Ein Rundum-Paritätsgesetz ist kaum umzusetzen und eine auf Frauen beschränkte Light-Version nur scheinbar frauenfreundlich. Frauen in Deutschland sind nämlich keine (schützenswerte) Minderheit, sondern die Hälfte – nicht die bessere, aber die gleich gute. Und deshalb werden sie die Sache mit den Parlamenten schaffen. Mit Wahlen und ohne ein Extra-Gesetz.

Von Thomas Winkel

Der Autor

Thomas Winkel ist Chef vom Dienst der Katholischen Nachrichten-Agentur in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.