Friedhelm Hofmann wird 80: Eine rheinische Frohnatur in Franken
Menschen ändern und entwickeln sich – das macht auch vor einem Bischof nicht Halt: Kurz, nachdem Friedhelm Hofmann 2004 Bischof von Würzburg wird, lässt er im Würzburger Museum ein Bild des Künstlers Michael Triegel abhängen, denn die Arbeit mit dem Titel "Auferstehung" zeigt Jesus Christus in voller Blöße. 13 Jahre später hat Hofmann wieder mit einem Werk Triegels zu tun: Er segnet es, damit es in eine Pfarrkirche kommt.
Die Kunst zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben des ehemaligen Würzburger Bischofs Friedhelm Hofmann, der nun 80 Jahre alt wird. Der fränkische Bischof stammt eigentlich aus dem Herzen des Rheinlandes: 1942 kommt er in Köln als Sohn eines Protestanten und einer Katholikin zur Welt, geht in Neuss zur Schule und studiert Theologie, Philosophie und Kunstgeschichte in Bonn. Er ist zwölf Jahre Weihbischof in Köln, bevor er 2004 Bischof von Würzburg wird. Schon während seiner Ausbildung zum Priester beschäftigt er sich mit bildender Kunst und malt auch selbst, später promoviert er über "zeitgenössische Darstellungen der Apokalypse-Motive im Kirchenbau seit 1945". Der zeitgenössischen Kunst gilt seine besondere Zuwendung: "Die abstrakte Kunst hat in der Kirche genauso ihren Platz wie die konkrete Kunst", sagt er 2018 im Interview mit katholisch.de, "wir dürfen uns als Kirche nicht aus der Gegenwart verabschieden und nur noch rückwärtsgewandt das überkommene Erbe betrachten. Wir müssen innovativ in die Zukunft gehen." Gleichzeitig betont er die Bedeutung der Kunst für den Glauben, aber auch ihre Unabhängigkeit: "Die Künstler heute sind keine Diener der Theologie." Mit seiner offenen Einstellung hat er die Erscheinung zahlreicher Kirchen seines Bistums bis heute geprägt, denn viele Gebäude wurden in seiner Amtszeit renoviert oder umgestaltet – auch das Herz der Diözese, der Würzburger Kiliansdom.
Sein sicher größtes kulturelles Projekt findet sich aber nicht auf einer Leinwand, sondern zwischen zwei Buchdeckeln: das Gotteslob. Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe in der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz arbeitet Friedhelm Hofmann über zehn Jahre daran, das Gebet- und Gesangbuch neu herauszugeben. Dazu gehört viel Kleinarbeit, viele Diskussionen und ein Ringen um die richtige Auswahl.
Mensch mit offenem Geist
Die Offenheit des Bischofs beschränkt sich aber nicht auf die Kunst: Hofmann begegnet den als verschlossen geltenden Franken ganz rheinisch: unbekümmert und zugewandt. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit lädt er zu einem Glas guten Wein und sucht seine gesamten Bischofsjahre hindurch nach Kontakt zu den Gläubigen: Sei es per Telefon, Gemeindebesuchen, Wallfahrten oder gar im Live-Chat. Hofmann will ein nahbarer Oberhirte sein.
Deshalb sind ihm auch soziale Anliegen wichtig: Er setzt sich bei der Unternehmerin Maria-Elisabeth Schaeffler, Gesellschafterin eines Automobil-Zuliueferers, für den Erhalt von Arbeitsplätzen ein – und wirbt schon lange vor dem Zuzug von vielen Flüchtlingen nach Deutschland in seinem Bistum für Wohnraum für Asylsuchende. Dabei scheut er die öffentliche Auseinandersetzung nicht und kritisiert auch Vertreter der CSU, wie etwa den damaligen Generalsekretär Andreas Scheuer, dem er "Stimmungsmache gegen junge Flüchtlinge" vorwirft. Einfach die Türen zu verschließen, ist für ihn keine Option: "Das ist eine engherzige Antwort, die wir Christen nicht akzeptieren dürfen", sagt er 2015. Wer im Fremden Jesus erkenne, gehe auf dem Weg des Evangeliums. Er vergleicht moderne Fluchtbewegungen mit denen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg: "Sicherlich hat sich unser Land verändert. Wir sind bunter geworden. Das ist keine Gefahr, sondern ein Reichtum."
Mit der bunter gewordenen Gesellschaft hat er aber auch zu kämpfen: Denn auch in seinem Bistum sinken die Zahlen der Priester und Kirchenmitglieder. Neue Strukturen müssen her. Aus 610 Gemeinden und Kuratien im Bistum macht Hofmann 167 Pfarreiengemeinschaften und zehn Großpfarreien – und das beinahe geräuschlos. Doch als die Reform umgesetzt ist, wusste der Oberhirte schon, dass sie bei fortschreitendem Priestermangel nicht ausreichen würde. An einen neuen großen Wurf wagt er sich in seinem letzten Amtsjahr aber nicht mehr, denn er will seinem Nachfolger nicht vorgreifen. Vielmehr wendet er sich zum Ende seiner Amtszeit 2017 in einem Brief an seine Mitarbeiter und wünscht sich, neue Formen des "Kircheseins" auszuprobieren. "Wir wollen keine Asche verwahren, sondern die Glut des Glaubens unter veränderten Bedingungen aufleuchten lassen", schreibt er. Das Leben der Menschen verändere sich mit einer großen Geschwindigkeit. "In dieser Welt und mit dieser Welt zu leben, bedeutet bleibende Veränderung, heißt beweglich sein."
Kirche sein heißt beweglich bleiben
Zu dieser Welt gehört in seinen letzten Amtsjahren auch der Missbrauchsskandal in der Kirche. "Äußerst schmerzlich und katastrophal" sei das, was auch im Bistum Würzburg bekannt geworden sei. Schon 2010 findet Hofmann klare Worte: "Wo immer Kindern und Jugendlichen körperliche und sexuelle Gewalt widerfahren ist, deren Schutzlosigkeit sogar durch Priester und Ordensleute und andere Mitarbeiter ausgenutzt und deren Vertrauen missbraucht wurde, bitten wir vor Gott um Vergebung." Es gibt aber auch Kritik. Etwa, dass Missbrauchsfälle in Bistum in seiner Amtszeit nicht konsequent genug verfolgt wurden. Ein dunkles Kapitel für Friedhelm Hofmann. Heute sagt er: "Es gibt wohl keinen, der keine Fehler gemacht hätte." Es sei richtig, dass durch Gutachten alles auf den Tisch komme.
Dabei ist es vor allem die Freude, die er nach außen trägt: "Die Menschen hungern mehr nach Freude, als wir es uns vorstellen", sagt er einmal dem Bayrischen Rundfunk, "sie wollen mal durchschnaufen. Sie wollen innerlich ruhig werden. Sie wollen etwas Frohes erleben und auch abgelenkt werden. Die Fröhlichkeit, für die ich stehe, ist die, die sich aus dem Glauben speist. Der Mensch, der in Gott gründet, darf gelassen sein." Diese Freude und Gelassenheit lebt Hofmann auch selbst: Denn der gebürtige Kölner ist ein gern gesehener Gast im Karneval und tritt auch in fortgeschrittenem Alter in den Fernsehsendungen "Närrische Weinprobe" oder "Fastnacht in Franken" auf. Sein Münchner Amtsbruder Kardinal Reinhard Marx sagt einmal, dass man bei einer Karnevalssitzung leicht auf Friedhelm Hofmann treffe. Die rheinische Variante der Fastnacht lässt ihn nie los: Domradio.de erzählt er 2009, dass er auch schon einmal das Würzburger Domkapitel mit nach Köln genommen habe, "so dass wir da einmal Karneval von einer anderen Seite kennen lernen konnten."
Abschied wie bei der "eigenen Beerdigung"
Den heiteren Sinn bewahrt er auch, als es daran geht, den Bischofsstab weiterzugeben: Er sei sich ein bisschen vorgekommen "wie auf meiner eigenen Beerdigung", sagt er, nachdem der Apostolische Nuntius Nikola Eterovic die Annahme seines Rücktritts verkündet hatte. Seit 2018 sitzt nun Franz Jung auf dem Würzburger Bischofsstuhl, und der Vorgänger findet nur lobende Worte: Jung habe das Herz auf dem rechten Fleck und sei den Menschen zugewandt, "genau das brauchen wir", findet Hofmann. Für sein eigenes Erbe hat dieser zu diesem Zeitpunkt schon gesorgt: Die "Bischof Friedhelm Hofmann-Stiftung" will junge Menschen mit Theologie in Berührung bringen und ihnen für besondere Leistungen Anerkennung zollen. Seitdem werden herausragende Abiturienten und Referendare im Fach katholische Religion ausgezeichnet. Es gehe darum, eine christliche Glaubenspraxis im Alltag immer neu bewusst zu machen, sagt der Stifter Friedhelm Hofmann.
13 Jahre lang stand er an der Spitze von 750.000 Katholiken im Bistum Würzburg, sein Wahlspruch war ein Satz von Edith Stein: "Crux – spes unica", "Das Kreuz – einzige Hoffnung". Mit seinem 25-jährigen Bischofsweihejubiläum tritt er im Alter von 75 Jahren ab. Auch heute hat er noch gut zu tun, steht Firmfeiern vor, hält Vorträge und leitet Exerzitien. In Würzburg ist er auch im Ruhestand geblieben, zu tief hat er hier Wurzeln geschlagen, als dass er zurück an den Rheinwollte. Auch im Alter von 80 Jahren bleibt er eine rheinische Frohnatur in Franken.