Saint-Tropez: So feiert die Promi-Hochburg ihren Schutzpatron
Es ist Frühling an der Cote d'Azur. Die Sonne taucht den bekannten Pampelonne-Strand bei Saint-Tropez in warmes Licht. Der Himmel ist tiefblau, und die Schaumkronen des Meeres schimmern silbern bis zum Horizont. Unterbrochen nur von dem Weiß der Yachten, die schon jetzt vor Anker liegen. Beiboote bringen das erste Partyvolk des nahenden Sommers an Land. Es sind die "Novorich", wie man die jungen Russen nennt, die über genügend Geld verfügen, um Champagner für mehrere tausend Euro zu bestellen. Während die Gäste im Sand tanzen, achten philippinische Kindermädchen auf ihre Kleinen. Erste Sonnenhungrige räkeln sich auf den orangefarbenen Matratzen am Tahiti Beach.
Hinter den Kulissen der Promis und Partylöwen organisiert die Stadtverwaltung von Saint-Tropez derweil ein dreitägiges Fest zu Ehren ihres Schutzheiligen, des heiligen Torpes von Pisa. Kaum zu glauben, dass in dieser Wiege des internationalen Jetsets im Frühling ein Heiliger und frühchristlicher Märtyrer verehrt wird. In diesem Jahr feiern die Bewohner des früheren Fischerdorfes ihren Schutzpatron vom 16. bis 18. Mai.
Ihm verdankt der heutige Promi-Ort auch seinen Namen. Der Legende nach war er ein früher christlicher Märtyrer, der aus dem italienischen Pisa stammt. Noch heute wird er in Südfrankreich und in Italien verehrt. Im Jahr 68 nach Christus wurde der ehemalige Offizier mit dem bürgerlichen Namen Caius Silvius Torpetius von Kaiser Nero enthauptet. Grund dafür war, dass er trotz Folter seinem christlichen Glauben nicht abschwören wollte.
Sein Körper wurde mit einem Hund und einem Hahn auf einer morschen Barke ausgesetzt, die den Arno hinab ins Tyrrhenische Meer trieb. Nach einer Legende aus der Provence soll das Boot nahe des heutigen Saint-Tropez angespült worden sein. Erwähnt wurde der Kult um den Heiligen aber erst im Jahr 1056, also fast tausend Jahre nach Torpes' Tod. Sein Haupt liegt im Dom von Pisa und zieht auch dort viele Gläubige an. Weitere Reliquien von Torpes befinden sich in der Kirche Notre Dame de l'Assomption in der Altstadt von Saint-Tropez, wo auch am 17. Mai die große Prozession beginnt.
"La Bravade de Saint-Tropez" – so nennt sich das Volksfest, das die rund 4.300 Einwohner und viele Touristen gleichermaßen anzieht. "Wie immer werden zwischen 400 bis 500 Teilnehmer den Umzug gestalten, Kinder wie auch Erwachsene", erklärt Veranstalter Jean-Francois Andre. Touristen können zuschauen; aktiv an der Prozession teilnehmen dürfen sie nicht. Schließlich handele es sich um "ein religiöses Fest, das nur den Einwohnern vorbehalten ist", erklärt der Kulturamtsleiter der Stadtverwaltung von Saint-Tropez weiter.
Prozession vorbei am Hafen
Die Prozession findet am Nachmittag statt. Sie verläuft von der Kirche Notre Dame de l'Assomption über den Rathausplatz, vorbei am Hafen, entlang der Rue Seillon, der Rue Allard, der Rue Clemenceau und von dort aus in die Rue Gambetta und dann wieder zurück zum Rathausplatz. In der Hauptsache sind es Ältere sowie religiös geprägte Einwohner, die an der liebgewonnenen Tradition festhalten und die Straßen säumen.
Beim Umzug gleichen viele Kostüme historischen Kapitäns-, Major-, Musketier- und Matrosen-Uniformen. Denn einst haben Piraten viele Jahre die Mittelmeerküste beherrscht. Daraufhin beschlossen die Räte von Saint-Tropez, 1558 einen Leiter der lokalen Miliz zu ernennen. Dieser "Stadthauptmann" war für die Rekrutierung und Führung der für die Verteidigung der Stadt erforderlichen Männer zuständig. Mehr als ein Jahrhundert lang dienten die Stadthauptmänner und ihre Milizen der lokalen Verteidigung und wehrten sich erfolgreich gegen die vielen Angriffe auf die Stadt. Die ihnen in der Stadt Saint-Tropez erteilten Befugnisse wurden über die "Lettres patentes" – offene Briefe – aller Könige von Frankreich bis Ludwig XIV. bestätigt. Letzterer ersetzte jedoch die örtliche Miliz durch eine königliche Garnison.
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Katholisch.de erklärt, was es mit den Namenspatronen auf sich hat – und gibt eine Übersicht über Tradition, Namenstrends und Kurioses.Die Einwohner von Saint-Tropez setzten daraufhin zwar nicht mehr ihre Waffen zur Verteidigung ihrer Stadt ein, behielten sie aber, um ihren Schutzpatron zu ehren. Am 17. Mai, dem Tag der Bravade, tragen sie daher weiterhin ihre Uniformen und Waffen und führen ihre traditionellen Riten wie Artilleriesalven und eine Waffenweihe aus. Genau wie einst, als sie in die Schlacht zogen oder am Festtag die Prozession vor Angriffen schützten. "Heute werden napoleonische Lieder, also Militärlieder, gespielt", ergänzt Sabrina Noto vom lokalen Fremdenverkehrsamt. Besonders Trommeln und Hörner kämen zum Einsatz.
Schon einen Tag vor der Prozession werden die Feierlichkeiten morgens um 8 Uhr mit Artilleriesalven vor dem Rathaus eröffnet. Die Schüsse sind der Stadt, den Kirchenleuten, dem Bürgermeister von Saint-Tropez wie auch dem von Pisa, der Marine sowie den verschiedenen Truppen, wie den Seeleuten und früheren Musketieren, gewidmet. Danach wird um 11 Uhr ein Kranz zu Ehren der Toten auf dem Cimetiere Marin niedergelegt. Der Friedhof mit Meeresblick bezaubert durch eine ganz eigene Atmosphäre, obwohl hier der Gedanke ans Sterben absurd zu sein scheint. Am Nachmittag ab 15 Uhr findet die Waffenweihe mit 150 bis 200 historisch gekleideten Waffenträgern vor dem Rathaus statt.
"La Bravade" endet am 18. Mai mit einer Sonntagsmesse in der Kapelle Sainte Anne hoch oben auf dem Monte Peculet. Und während die Glocken den Gottesdienst einläuten, sitzen zu dieser frühen Stunde bereits die ersten Flaneure und Yachteigner im angesagten Cafe Senequier am Hafen und genießen einen Cafe au lait.