Vor 25 Jahren begann der Wiederaufbau

Dresdner Frauenkirche – Mahnmal im Wandel

Veröffentlicht am 27.05.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Dresden ‐ Jahrzehnte war die Dresdner Frauenkirche eine Ruine. Ihr – kontrovers diskutierter – Wiederaufbau wurde erst mit der Wende möglich. Dass dabei fast die Hälfte des originalen Mauerwerks verwendet werden konnte, lag an einem diplomatisch geschickten DDR-Bürger.

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Unmittelbar nach dem verheerenden Feuer in der Kathedrale Notre Dame ging beim Pariser Erzbischof ein Schreiben der Stiftung Dresdner Frauenkirche ein: "Der Schmerz über die brandbedingten Wunden am Wahrzeichen Frankreichs und der französischen Christenheit berührt uns in Dresden - weil wir ihn aus der Geschichte der Frauenkirche Dresden leidvoll erinnern."

Doch während Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron tags nach der Brandnacht ankündigte, die Kathedrale innerhalb von nur fünf Jahren "noch schöner" wiederaufbauen zu wollen, war die Rekonstruktion der kriegszerstörten Frauenkirche jahrzehntelang umstritten. Am Montag vor genau 25 Jahren konnte schließlich der erste Stein für den Wiederaufbau feierlich gesetzt werden.

Die weltbekannte Ruine der evangelischen Frauenkirche war lange eines der prominentesten Mahnmale gegen Krieg und Zerstörung. Wiederaufbau-Gegner wollten die warnende Wirkung des markanten Trümmerhaufens erhalten, aus dessen Mitte seit den britischen und amerikanischen Luftangriffen vom Februar 1945 nur noch zwei Mauerstümpfe empor ragten. Am Ende setzten sich jedoch die Befürworter durch. Und so begann der Wiederaufbau mit einer feierlichen "Erststeinversetzung" am 27. Mai 1994: Ein Altstein wurde als unterster Stein des rechten Türgewändes am Eingang A eingelassen.

Dass die Frauenkirche überhaupt wieder aufgebaut werden konnte - und zwar mit 45 Prozent historischem Baumaterial, ist wohl maßgeblich einem Mann zu verdanken: Hans Nadler. Der damalige sächsische Landeskonservator barg mit seinem Team unmittelbar nach dem Krieg hunderte Steine des zerstörten Gotteshauses, die sie sorgfältig vermaßen und inventarisierten. Teile der Steinquader wurden ihnen quasi unter der Hand wieder entwendet zur Befestigung des Elbufers, um dann von Nadler und seinen Leuten teils wieder "rückentwendet" zu werden. Es waren unübersichtliche Zeiten.

Das Panorama von Dresden mit Frauenkirche und der katholischen Trinitatis-Kathedrale.
Bild: ©Miredi/Fotolia.com

Das Panorama von Dresden mit Frauenkirche und der katholischen Trinitatis-Kathedrale.

Schließlich ordnete Walter Ulbricht an, die Trümmer historischer Gebäude an mehreren Stellen in der Stadt zu entfernen, darunter die Überreste der Sophienkirche. Um die Frauenkirche vor demselben Schicksal zu bewahren, hatte Nadler eine ebenso banale wie geniale Idee. Er bepflanzte die Ruine mit roten Rosen. Tatsächlich: Der leuchtende Blumenkranz schützte den Ort vor der endgültigen Räumung - und wohl auch Nadlers diplomatisches Geschick. Als Leiter des zentralen Instituts für Denkmalpflege der DDR von 1952 bis 1982 setzte er immer wieder gegen die Staatsmacht den Erhalt zahlreicher Baudenkmäler durch, darunter in Dresden auch den Wiederaufbau von Zwinger, Japanischem Palais, katholischer Hofkirche und Semperoper.

1966 von der DDR-Staatsführung offiziell zum Antikriegsdenkmal erklärt, wurde die Ruine Anfang der 1980er Jahre zum Gedenkort der christlichen Friedensbewegung in der DDR. Im Zuge der Wiedervereinigung bekam die Frage nach einem Wiederaufbau neuen Auftrieb: Zusammen mit diversen Prominenten startete Denkmalpfleger Nadler am 13. Februar 1990 den "Ruf aus Dresden". Er warb weltweit um Hilfe für den Wiederaufbau der Kirche als "europäisches Haus des Friedens". Die Initiative löste ein ungeahntes Echo und eine enorme Spendenbereitschaft aus. Von den am Ende 180 Millionen Euro Gesamtkosten waren 115 Millionen Euro spendenfinanziert.

1991 wurde die "Stiftung für den Wiederaufbau Frauenkirche" gegründet, die das gesamte Projekt leitete, das die Synode der sächsischen Landeskirche am 18. März 1991 beschlossen hatte. Wie jetzt beim Wiederaufbau von Notre Dame wurde auch damals in Dresden umfänglich die Frage nach der Art des Wiederaufbaus diskutiert. Am Ende setzte sich eine historisierende Rekonstruktion durch, die zugleich modernen Anforderungen gerecht wurde. So gelangen die inzwischen jährlich zwei Millionen Besucher zur Aussichtsplattform über der Kuppel mittels eines Aufzugs.

Elf Jahre dauerte der Wiederaufbau der Frauenkirche, 60 Jahre nach der Zerstörung war er 2005 schließlich abgeschlossen. "Schutzengel" Nadler war knapp drei Wochen vor der feierlichen Wiedereinweihung 95-jährig in Dresden gestorben.

Von Karin Wollschläger (KNA)